Nachtlokal ohne Gäste
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Nachtgastro-Schließung

Viel Ablehnung für Mückstein-Vorschlag

Die von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) als Teil eines weiteren Maßnahmenpakets ins Spiel gebrachte nächtliche Ausgangssperre für alle trifft auf viel Ablehnung aus der Nachtgastronomie und von der Politik. Neben Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) sprach sich auch die SPÖ „zum jetzigen Zeitpunkt“ dagegen aus, NEOS würde dagegen sogar vor den VfGH gehen, hieß es am Montag in einer Pressekonferenz.

„Natürlich schließe ich nicht aus, dass wir nachschärfen“, so Schallenberg im Ö1-Morgenjournal. Aber dass „wir noch einmal in die Nachtgastro gehen, das sehe ich derzeit nicht“. Die CoV-Situation werde laufend beobachtet. Mückstein hatte angekündigt, am Mittwoch über weitere Verschärfungen der Maßnahmen zu diskutieren: „Es wird auch für geimpfte Menschen nächtliche Ausgangsbeschränkungen geben. Das ist Teil des Maßnahmenpakets, das am Tisch liegt“, so der Gesundheitsminister.

Auch Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) schloss sich der Kritik von Schallenberg an. Sie halte „überhaupt nichts von den Wortmeldungen des Gesundheitsministers“. In einem Gespräch mit Journalisten am Rande des EU-Agrarrats am Montag in Brüssel sprach sie sich „absolut gegen allgemeine Ausgangsbeschränkungen“ aus.

„Wir haben in den letzten eineinhalb Jahren gesehen, dass Lockdowns nur bedingt wirken“, so Köstinger in Berufung auf März 2021, wo es „trotz Lockdowns rund 9.000 Neuinfektionen pro Tag“ gegeben habe. Ein Blick in die Verlaufskurve zeigt allerdings, dass die Spitzenwerte im März 2021 bei unter 4.000 Neuinfektionen lagen und auf jeden Lockdown ein rapides Sinken der Zahlen folgte.

SPÖ und NEOS gegen Ausgangssperren

„Eine Ausgangssperre ist ein sehr massiver Eingriff in persönliche Freiheitsrechte, in die wirtschaftliche Situation und ins soziale Gefüge“, sagte der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried bei einer Pressekonferenz am Montag: „Wenn es andere Möglichkeiten gibt, soll man diese auf jeden Fall nützen.“ Diesbezüglich schweben Leichtfried etwa eine verstärkte FFP2-Masken-Pflicht, bei bestimmten Treffen 2-G Plus und forciertes Homeoffice vor.

Leichtfried übte am Montag insgesamt harsche Kritik am Pandemiemanagement von Türkis-Grün. Die Bundesregierung erscheine wie ein Autofahrer, der nicht wisse, wo Gas und Bremse ist, und das Lenkrad nicht bedienen könne.

„Es dürfen die Geimpften nicht die Dummen sein“, sagte NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker bei einer Pressekonferenz. Wenn es egal sei, ob man sich impfe oder teste, dann werde erst recht niemand eine Impfung machen, argumentierte er. Die Regierung habe „alles vermasselt“, so Loacker. Er sah einen diametral unterschiedlichen Auftritt von Gesundheitsminister und Kanzler und kritisierte als Stilfrage, dass Mückstein zwar in Interviews über Pläne Auskunft gebe, aber nicht dem Hauptausschuss.

Er würde vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH) gehen, wenn man trotz Impfung und regelmäßigen Testens freiheitsbeschränkenden Maßnahmen unterworfen werde, kündigte Klubvize Nikolaus Scherak an. Auch dem Lockdown für Ungeimpfte könne er wenig abgewinnen, weil er skeptisch sei, ob dieser über den 2-G-Bereich hinaus etwas bringe.

Platter ablehnend, Schützenhöfer zurückhaltender

Ablehnung kam auch von Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), derzeit Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz. Dieser forderte hinsichtlich der Diskussion über die Sperre der Nachtgastronomie: „Schluss mit der Verwirrung!“ Erst am Sonntag hatten die Länder gemeinsam mit der Bundesregierung weitere Maßnahmen beschlossen.

„Und jetzt am nächsten Tag wieder andere Maßnahmen zu diskutieren, das halte ich für eine sehr schwierige Angelegenheit“, immerhin dauere es einige Tage, bis die Verschärfungen anhand der Zahlen ihre Wirkung zeigen, so Platter bei einer Pressekonferenz in Innsbruck.

Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) hingegen wollte einen allgemeinen Lockdown am Montag gegenüber „Krone“ und „Kleiner Zeitung“ nicht mehr ausschließen. Die Lage sei ernst, daher müsse ein Schritt nach dem anderen gesetzt werden. Den bundesweiten Lockdown für Ungeimpfte bezeichnete er als „wichtig und richtig“.

Nachtgastronomie fordert Unterstützungspaket

Die Nachtgastronomen riefen angesichts womöglich drohender nächtlicher CoV-Ausgangssperren nach einem eigenen Unterstützungspaket für ihre Branche mit bundesweit 80.000 Beschäftigten und allein in Wien einer Milliarde Jahresumsatz vor der Pandemie. Schon von März 2020 bis Ende Juni 2021 war die Nachtgastro geschlossen, nun habe man durch die angekündigte Wiener 2-G-Plus-Regel – Zutritt nur geimpft oder genesen und zusätzlich PCR-getestet – 30 bis 40 Prozent Gästeschwund registriert.

„Man müsste ein eigenes Unterstützungspaket für die Nachtgastronomie schnüren, um sie am Leben zu halten“, sagte der Branchensprecher Stefan Ratzenberger am Montag im APA-Gespräch. Dass einerseits der Gesundheitsminister in den nächsten Tagen über eine nächtliche Ausgangssperre für alle reden wolle, der Bundeskanzler aber zuletzt ausschloss, dass man bei der Nachtgastronomie nachschärfe, sei verwirrend. „Wir brauchen klare Ansagen“, forderte der Branchensprecher.

Planbarkeit und Perspektive gefordert

Die Unternehmen der Nachtgastronomie brauchten „eine Planbarkeit und Perspektive“, das sei „das Um und Auf“. Bereits die Wiener 2-G-Plus-Regel werde einen Rückgang bei Gästen und Umsätzen bringen, auch wenn es gerade in der Bundeshauptstadt schon seit vielen Monaten gute Erfahrungen mit den „Alles gurgelt“-PCR-Tests gebe.

Das ganz junge Publikum werde in den Privatbereich ausweichen, statt in Clubs oder Discos zu gehen. Ältere würden sich fragen, ob sie sich zeitgerechte Tests für einen Lokalbesuch antun, am ehesten würden das noch 25- bis 30-Jährige tun. Eine PCR-Test-Regel sei aus seiner Sicht noch immer besser, als ganz zu schließen, meinte Ratzenberger – obwohl man mehr Hilfen bekomme, wenn man ganz zugesperrt habe. Allerdings: Wenn einmal zu ist, dann bleibe das erfahrungsgemäß lange so.

Ruf nach rundem Tisch

„So schnell wie möglich sollte ein runder Tisch einberufen werden“, unter Ägide von Tourismusministerin Köstinger gemeinsam mit Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und dem Gesundheitsminister. Wie bei früheren derartigen Gipfeln sollte es auch diesmal um die Perspektiven für den gesamten Gastronomiebereich bis hin zu Stadthotellerie, Kunst und Kultur und den übrigen Eventveranstaltern gehen, wünschte sich Ratzenberger.

Österreichweit gibt es nach früheren Angaben rund 2.900 Bars, Tanzlokale und Diskotheken, wobei Discos und Clubs erst um 22.00 Uhr aufsperren dürfen, bei nächtlichen Ausgangsbeschränkungen also zu bleiben und „einen wirtschaftlichen Totalschaden“ hinnehmen müssten, so Ratzenberger. Von den bundesweit rund 80.000 Mitarbeitenden in der Nachtgastro stammen seinen Angaben zufolge etwa 60.000 aus dem studentischen Bereich, meist als geringfügig Beschäftigte. Weil es für „Geringfügige“ keinen Anspruch auf CoV-Kurzarbeitsgeld gebe, hätten viele von ihnen auch schon die Branche verlassen.