Frankreichs Trikolore unter dem Triumphbogen
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Frankreichs Flagge

Macron lässt das Blau dunkler drehen

Was Fußballfans schon vor Langem am Dress der Franzosen nach dem Sponsorenwechsel feststellen konnten, ist nun in einer breiteren Öffentlichkeit angekommen: Das Blau der Trikolore ist wieder dunkler, und zwar marineblau. Unter Staatschef Valerie Giscard d’Estaing, einem überzeugten Europäer, wurde das französische Blau stark dem Blau der EU-Flagge angenähert. Jetzt, unter Emmanuel Macron, wird das Blau wieder dunkler gedreht.

„Frankreich und seine Trikolore, das ist ein gemeinsamer Gedanke, eine gemeinsame Haltung – und es ist in gleicher Art ein Schrecken an all unsere Freunde“, hat der französische Romantiker Alphonse de Lamartine einmal geschrieben. Dass man bei den eigenen Symbolen in Frankreich in ihrer Signalwirkung nicht zimperlich ist, weiß, wer die „Marseillaise“ ins Deutsche übersetzt. Die Trikolore aus Rot, Weiß und Blau, die erst im 19. Jahrhundert mit der Fahnenmastseite auf Blau-Weiß-Rot gedreht wurde, ist seit den frühen 1790er Tagen das Symbol für die Herrschaft des Volkes gegenüber einer Herrschaft der Monarchie. Es sind die Farben der Stadt Paris (Blau und Rot) und das Weiß des Königs, die in dieser Kombination bis in die Gegenwart die Identität der Republik ausmachen.

Entwicklung der französischen Flagge
Bibliotheque Nationale, Paris
Entwicklung der französischen Flagge in einer Illustration um 1800: Das Weiß des Königs blieb, seine Symbole wurden rausgeschnitten

Am 15. Februar 1794 erklärte der Nationalkonvent die Flagge mit der heutigen Farbreihenfolge zur offiziellen Nationalflagge der Ersten Republik. Auch wenn es Unterbrechungen in der französischen Geschichte gab, so ist die Fahne in der mittlerweile schon sehr lange dauernden Fünften Republik immer noch zentrales Symbol bei allen Staatsakten der Republik. Das offizielle Frankreich, also Nationalversammlung und Präsident, verwendet das „Drapeau brode“ mit dem Olivenzweig und den Initialen „RF“ (für „Republique francaise“).

Wie blau ist Frankreichs Blau?

Was die Intensität der Farben der französischen Flagge anlagt, so galten bisher als Richtwerte nach der RGB-Skala (RGB für Rot-Grün-Blau) Blau (0055A4), Weiß (FFFFFF), Rot (EF4531). Das sind jene Farbstandards, die 1976 während der Präsidentschaft des liberal-konservativen Präsidenten Giscard d’Estaing eingeführt wurden. Der hatte eine Aufhellung des Blau befürwortet, womit das Marineblau, auf das man in vielen Überlieferungen traf, in Richtung eines Himmelblau oder Azur aufgehellt wurde.

Le 28 Juillet. La Liberte guidant le peuple. Bild von Delacroix
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Eugene Delacroix und das berühmteste Bild zur Französischen Revolution von 1830. Auch hier ist das Blau bereits ein Marineblau.

Der Grund für die Aufhellung in den 1970er Jahren war der spezifisch proeuropäische Kurs unter Giscard d’Estaing, der ja auch die französisch-deutsche Freundschaft zum damaligen SPD-Kanzler Helmut Schmidt hochhielt. Weil die französische Flagge so oft neben dem Sternenbanner der EU zu sehen war, soll es zum Farbangleich gekommen sein, damit sich die Blautöne der EU und der französischen Trikolore nicht schlagen.

Briten runzeln die Stirn

Dass es unter Macron zu einer Veränderung in der Farbwelt kommen würde, hat sogar die BBC in Aufregung versetzt. Noch gebe es keine offizielle Order des Präsidenten, aber Macron hätte schleichend die Farbwelt des französischen Blau dunkler gedreht. Grundlage dafür war ein Bericht des Radiosenders Europe 1 vom Sonntag. „Emmanuel Macron hat eines der Symbole Frankreichs angegriffen, ohne jemals ein Wort darüber zu verlieren“, meinte Moderatorin Isabelle Moreau. „Das Blau auf der Fahne des Elysee-Palasts ist nicht mehr dasselbe wie früher“, antwortete Moreaus Kollege, der Innenpolitik-Chef Louis de Raguenel. Nun gebe es überall Marineblau auf allen offiziellen Gebäuden der Republik in Paris.

Französisches Teamtrikot anno 2004
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Das „alte“ Blau am Beispiel des Fußballtrikots seit 1976. Hier ein Beispiel aus dem Jahr 2004.

Als Verantwortlicher dafür wird der Zeremonienmeister Macrons, Arnaud Jolens, genannt, der seit Jahren die Auftritte des Präsidenten im Hintergrund koordiniert und der als dessen Intimus gilt. Mehr Eleganz solle das neue Blau haben, spekulierte man am Sonntagvormittag auf Europe 1. Aber auch, dass damit so etwas wie ein eigenständiger Kurs Macrons auf einer sehr psychologischen Ebene eingeschlagen werde. Wie in allen Ländern ist auch in Frankreich mehr Eigenständigkeit und weniger Multilateralismus gefragt. Und dass man sich traut, an eines der heiligsten Symbole des Landes zu gehen, sei auch ein Statement, so Raguenel.

Auch im Fußball hat sich das Blau geändert

Allerdings, so gesteht man auch: Die französische Marine habe immer das dunkle Blau in ihrer Trikolore beibehalten. Also sei das nicht so ein großer Kulturbruch. Erinnern darf man sich auch: Seit die französische Nationalmannschaft nicht mehr von adidas, sondern Nike eingekleidet wird, ist das französische Blau auch Richtung Marineblau gegangen und auch durch das neue Streifendesign des Trikots der Gesamteindruck dunkler geworden. Vorbei auch die Zeit, in der es hieß: blaues Trikot, weiße Hose, rote Stutzen. Mittlerweile ist beim Heimdress auch die Hose der Franzosen dunkelblau.

Französische Nationalmannschaft anno 2021
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Altes Blau, neues Blau im Trikot. Gesamtanmutung des Nationalteams in Frankreich: ein bisschen mehr Marine. Auch die Hosen sind nicht mehr weiß.

Insofern bleibt aber das Blau ein zentrales Symbol in Frankreich. Dass sich Farbcodes ändern, darf man auch als Teil einer politischen Symbolsprache sehen: Immerhin ist Macron 2017 mit diesem Versprechen und einer neuen Bewegung gegen die etablierten Parteien angetreten. Und im Heimatland des Soziologen Pierre Bourdieu ist Symbolpolitik vielleicht durchaus wichtiger als in manch anderen Staaten der Erde.