Verladung von Schiffscontainern
Reuters/Aly Song
Wirtschaft

China warnt EU vor zu viel Eigenständigkeit

Die CoV-Pandemie hat Europa im Vorjahr in aller Härte aufgezeigt, welche Nachteile Globalisierung haben kann: Es fehlte an allen Ecken und Enden – an dringend benötigten Masken und anderem medizinischem Lowtech-Bedarf. Die EU hat sich seither, auch um im Machtkampf zwischen China und den USA nicht unter die Räder zu kommen, mehr Eigenständigkeit bei der Produktion auf die Fahnen geheftet. China reagiert nun ungehalten und warnt die EU vor negativen Folgen zu großer Unabhängigkeit.

In einem Interview mit der „Financial Times“ wirft der chinesische Botschafter bei der EU, Zhang Ming, Brüssel vor, mit seiner Politik weitere Störungen der weltweiten Lieferketten zu riskieren. Handelshemmnisse und diskriminierende Regeln könnten die globale Erholung von der pandemiebedingten Krise belasten.

Die Reaktion ist umso bemerkenswerter, als sich die konkreten Maßnahmen der Europäischen Union für einen höheren Grad an Eigenversorgung bisher eher in Grenzen halten. Auch die aktuellen Zahlen geben keinerlei Anlass für chinesische Besorgnis, im Gegenteil: Im Oktober stiegen die chinesischen Exporte in die EU um 44,3 Prozent, während die Importe um 0,7 Prozent zurückgingen. Auch wenn das vor allem den Einbruch des Welthandels im Vorjahr aufgrund der Covid-19-Krise widerspiegelt – der Trend ist seit vielen Jahren der gleiche: Die EU hat ein großes und seit Jahren steigendes Defizit in der Handelsbilanz mit China.

Direkte Kritik an EU-Kommission

Die Botschaft des chinesischen Vertreters in Brüssel war direkt gegen die Kommission gerichtet: Von einigen chinesischen Unternehmen würden die Anstrengungen der EU-Kommission, das Instrumentarium in der Handelspolitik auszubauen und zu verstärken, als „mehr nach innen gerichtete und unilaterale Maßnahmen“ gesehen und als Schaffung „neuer Handelsbarrieren“. Solche Schritte der EU würden zudem global Folgen haben und „könnten den Druck auf die weltweiten Liefer- und Produktionsketten erhöhen“, warnte Zhang.

Rollen mit Stahlblech in einem chinesischen Warenlager
Reuters/Damir Sagolj
Stahlrollen in einem Stahlwerk in der zentralchinesischen Metropole Chongqing

Zhang kritisierte auch die jüngste Einigung zwischen der EU und den USA im Streit über Stahl- und Aluzölle. Dabei wurde die Beschränkung von Stahl- und Aluimporten aus Ländern mit größerem CO2-Ausstoß vereinbart. Die Maßnahme trifft China direkt und ist auch gegen dessen Marktmacht gerichtet. Das würde die Teuerungsrate nach oben treiben, warnte Zhang. Die stark steigende Inflation ist vor allem in den USA mittlerweile ein großes Thema, in der EU – abgesehen vor allem von den stark steigenden Öl- und Gaspreisen – derzeit noch weniger.

Bereits zuvor hatte die EU eine Kooperation mit den USA zur Halbleiterproduktion und der Regulierung globaler Technologieunternehmen geschlossen. Umgekehrt ist das staatskapitalistische System Chinas alles andere als ein freier Markt, und Peking schränkt seit jeher den Zugang für ausländische Unternehmen im eigenen Land stark ein und verbindet das meist mit erzwungenem Technologietransfer.

Wettrennen und Sündenbocksuche

Zhang betonte, Brüssels Streben nach mehr stragischer Autonomie entspreche dem Status der EU als globalem Player. Er warnte aber vor unerwünschten Nebeneffekten. Der Gang des Botschafters an die Medien ist durchaus ungewöhnlich und kann wohl als Gradmesser der Besorgnis Pekings gewertet werden. Dabei verfolgt Peking selbst eine – je nach Position – als entschlossen oder aggressiv zu bezeichnende Strategie der wirtschaftlichen Eigenständigkeit. Das Wettrennen der drei Wirtschaftsmächte EU, USA und China ist längst voll entbrannt.

Einige EU-Staaten fordern seit Längerem die teilweise Rückverlagerung der im Zuge der Globalisierung vor allem nach Asien ausgelagerten Produktion. Die EU setzt vermehrt auf Antisubventionsregeln, höhere Handelshemmnisse und vor allem arbeitsrechtliche und ökologische Mindeststandards bei chinesischen Lieferanten.

China strebt selbst nach Selbstversorgerstatus

Der Brüsseler Thinktank Bruegel betonte in einer Analyse zu Chinas „Politik der zwei Kreisläufe“ zuletzt, dass sie keineswegs nur ein Schlagwort ist, sondern der langfristige Versuch Pekings, wirtschaftlich zum Selbstversorger zu werden. Ziel sei es seit dem unter Ex-US-Präsident Donald Trump begonnenen Handelsstreit, den heimischen Markt vom Rest der Welt unabhängig zu machen und dank Chinas riesigem Binnenmarkt zum Selbstversorger zu werden.

Technologieexporteure wie die USA und Deutschland würde das besonders treffen. Und mit der „Neue Seidenstraße“-Initiative will sich China Entwicklungsländer als Exportmärkte sichern und dürfte somit verstärkt zum Konkurrenten für die EU werden.