Internistische Intensivstation am Uniklinikum Salzburg.
APA/SALK
Kurz vor Triagen

Ärzte machen Druck auf Bund und Länder

Teile der Bundes- und Landespolitik, insbesondere auf ÖVP-Seite, haben in den letzten Tagen weitere deutliche Verschärfungen für Geimpfte, insbesondere einen Lockdown, abgelehnt. Genau das fordern nicht erst in den letzten Tagen zahlreiche Fachleute zum Brechen der vierten CoV-Welle. Nun erhöhen die Ärztinnen und Ärzte nochmals den Druck – und fordern einen Lockdown zumindest in zwei Bundesländern. Salzburgs Landesspitäler bereiten sich unterdessen bereits auf Triagen vor.

Auf Bundesebene sind sich die Koalitionsparteien ÖVP und Grüne völlig uneins über das weitere Vorgehen. Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) pfiff am Montag Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) zurück und sprach sich gegen eine allgemeine nächtliche Ausgangssperre aus und bestritt auch, dass es am Mittwoch einen Gipfel dazu geben werde. Mückstein musste das Treffen daraufhin „downgraden“. Vizekanzler Werner Kogler stärkte wiederum seinem Parteikollegen in der Sache den Rücken.

Dazu hatten zuvor bereits die beiden ÖVP-Landeshauptleute Wilfried Haslauer (Salzburg) und Thomas Stelzer (Oberösterreich) lange gezögert, in ihren besonders betroffenen Ländern die Maßnahmen zu verschärfen. Am Dienstag schlugen nun die Salzburger Landesspitäler Alarm und meldeten offiziell an die Landesregierung, dass sie vor der Überlastung stehen und sie Triageteams gebildet haben.

Diese offizielle Meldung an die Behörde ist auch deshalb wichtig, damit die Spitäler nicht wegen medizinischer Versäumnisse geklagt werden können, wie auch vonseiten der Landespolitik eingeräumt wurde. Die Salzburger Grünen forderten nach den alarmierenden Nachrichten einen Lockdown bis Ende des Monats – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Ruf nach generellem regionalem Lockdown

Als „sehr, sehr angespannt“ und „besonders schlimm“ bezeichnete Walter Hasibeder, Präsident der Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), am Dienstag die Lage auf den Intensivstationen in einzelnen Bundesländern. Er forderte für die Hochinzidenz-Bundesländer Oberösterreich und Salzburg kurzzeitig einen „generellen Lockdown“. Besonders Salzburg befinde sich bereits „am Rande der Dekompensation“.

Ärzte „müssen überlegen, wie sie Patienten triagieren“

Hier müssten die Mediziner bereits überlegen, „wie sie Patienten triagieren müssen“. Schon jetzt werden Intensivpatienten in Aufwachräumen behandelt, in letzter Konsequenz könnten noch leere Operationssäle herhalten, allerdings sei das „nicht die Qualität, die man gewohnt ist“, sagte Hasibeder. In Oberösterreich sind laut dem Mediziner bereits knapp über 50 Prozent der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten ausgelastet, weitere Schwerkranke seien „in der Warteschleife“.

Ruf nach Maskenpflicht

Was bereits „früher gehört hätte“ und dringend erforderlich sei, ist eine „Maskenpflicht im öffentlichen Raum“. Denn diese sei „ein Wellenbrecher“. Wird die Maske korrekt getragen, liege die Übertragung praktisch bei null.

Die Politik müsse damit anfangen, Maßnahmen zu treffen, „die unangenehm sind“, forderte Hasibeder: „Wir müssen jetzt endlich aus der Vollkaskomentalität, die man über Jahre den Leuten anerzogen hat, herauskommen“, konstatierte der ärztliche Leiter der Anästhesie und operativen Intensivmedizin am Tiroler Krankenhaus St. Vinzenz in Zams. Der derzeit gültige Lockdown für Ungeimpfte sei „als Maßnahme alleine zu spät“.

Vielmehr müssten Salzburg und Oberösterreich in einen „Voll-Lockdown für eine gewissen Zeit“, verlangte Hasibeder. „Im Krisenmodus kann es nur eine gemeinsame Sprache geben“, forderte Hasibeder von der Regierung nach den widersprüchlichen Aussagen von Mückstein und Schallenberg.

Ärzte wütend über unnötig volle Intensivstationen in OÖ

Auch Oberösterreichs Ärzteschaft zeigte sich wütend über die Versäumnisse der Politik. „Zwei Winter haben wir gekämpft und gekämpft“, so Ärztekammer-OÖ-Präsident Peter Niedermoser. „Jetzt wird die psychische Belastung aber umso größer, weil Menschen auf Intensiv liegen, die dort nicht liegen müssten. Menschen, die nicht willens waren“, sich impfen zu lassen. „Das macht zornig, das enttäuscht und das ist das Schlimme für die Kollegen.“

Es sei das „tägliche Brot“ von Behandlungsteams zu entscheiden, ob eine Behandlung noch Aussicht auf Erfolg habe. „Aber wenn das geballt auftritt, ist das schlimm.“ Während man in Salzburg bereits offiziell ein Triageteam vorbereitet, geistern auch in Oberösterreich zunehmend unbestätigte Meldungen über mögliche Triage herum.

Gewerkschaft: Lage in Covid-19-Stationen „wild“

Die Lage in den Covid-19-Stationen in den Krankenhäusern ist laut Reinhard Waldhör, Vorsitzender der GÖD-Gesundheitsgewerkschaft, „wild“. Während die Situation auf den Intensivstationen meist noch bewältigbar sei, da die schwersten Verläufe fast nur ungeimpfte Patienten betreffen, sind die normalen Stationen mit den leichteren Fällen „randvoll, und es fehlt an Personal“. Waldhör forderte daher einen schnellen Lockdown, um die Situation zu entschärfen.

Die extrem gestiegenen Fallzahlen der vergangenen Tage würden die Situation für das ohnehin schwer belastete Pflegepersonal noch einmal verschärfen. „Deshalb sind wir vergangenen Mittwoch ja auch auf die Straße gegangen“, sagte Waldhör. Allerdings ist es seitdem zu keiner Entlastung gekommen – im Gegenteil. Für Waldhör ist schon bald der Punkt erreicht, an dem die Zahl der Patienten vom Personal nicht mehr gestemmt werden kann. Der Gewerkschafter sprach sich daher für einen möglichst raschen harten Lockdown von zwei Wochen aus, um „die vierte Welle zu brechen“.

Spitäler in Vorarlberg „am Limit“

Auch Vorarlbergs Krankenhäuser schlagen Alarm und betonen, man sei am Limit. Von einer Triagesituation sei man aber noch weit entfernt. Die Kärntner Landesregierung beruhigte angesichts der alarmierenden Nachrichten aus Salzburg – mehr dazu in kaernten.ORF.at. Im vergleichsweise wenig belasteten Burgenland wurde am Dienstag im Spital Kittsee dennoch die Intensivstation auf eine Covid-19-Belegung umgestellt – mehr dazu in burgenland.ORF.at.