Altstadt in Salzburg
ORF.at/Georg Hummer
Coronavirus

Breiter Appell für harten Lockdown

Während in der Regierung Uneinigkeit über schärfere Maßnahmen gegen die CoV-Pandemie herrscht, werden die Stimmen, die einen harten Lockdown fordern, immer lauter. Neben Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen sprechen sich nun auch Politiker aus den Bundesländern dafür aus, darunter aus dem von der Pandemie besonders stark betroffenen Salzburg. Die Regierung sagte, dass man ständig in Gesprächen sei.

„Es geht sich sonst nicht mehr aus“, sagte Rainer Thell, leitender Oberarzt der Notfallaufnahme in der Klinik Donaustadt, über einen Lockdown für alle, also Geimpfte und Ungeimpfte, in ganz Österreich. „Es kann nicht sein, dass in Salzburg Menschen sterben, keine mutigen Entscheidungen getroffen werden, die auf der Hand liegen“, kritisierte er. Er könne es nicht akzeptieren, dass das Sterben zugelassen wird, sagte Thell. „Wenn wir jetzt nicht solidarisch sind, wann dann?“

„Wer jedoch glaubt, dass nur Salzburg und Oberösterreich stark betroffen sind, der irrt“, sagte er weiter. Jetzt könne man Salzburg noch entlasten und Patienten nach Wien und Niederösterreich ausfliegen, wo es noch Betten für Covid-19-Patienten gebe. Aber: „Die Welle wird sich weiter fortsetzen. Das Weihnachtsgeschäft und die Wintersaison sind in höchster Gefahr, wenn wir jetzt nicht auf die Vollbremse steigen“, so Thell.

Dass sich die aktuell sehr hohen Infektionszahlen mit den nunmehrigen Maßnahmen inklusive Ungeimpften-Lockdowns tatsächlich einbremsen lassen, ist auch für den Mikrobiologen Michael Wagner von der Uni Wien „schwer vorstellbar“. Ohne „kurzen, harten Lockdown, um die Zahlen massiv nach unten zu bringen“, werde es vermutlich nicht gehen, sagte er zur APA. Die Schulen könnte man nur mit einem „wirklich stringenten Schutzkonzept offen halten“.

Salzburgs Grüne für harten Lockdown

Der Ruf nach einem harten Lockdown kam auch aus Salzburg selbst, dem Bundesland mit der derzeit höchsten 7-Tage-Inzidenz (1.595,1). Er sei für einen kurzen, aber harten zweiwöchigen Lockdown, so Landeshauptmann-Stellvertreter Heinrich Schellhorn (Grüne) am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal. Alle Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen würden das empfehlen, so Schellhorn. Für diese Maßnahme brauche es aber noch Überzeugung in der Salzburger Landesregierung, wo man offenbar „die ÖVP-Linie verfolgt“ – das halte er, Schellhorn, aber angesichts der Dramatik in Salzburg für falsch.

Wenn man den Lockdown nicht jetzt beginne, dann drohe einer zu Weihnachten, zu einem „sehr ungünstigen Zeitpunkt“. Er sieht die Verantwortung für die niedrige Durchimpfungsrate in der Bevölkerung auch bei den örtlichen Bürgermeistern. Es wäre ihre Aufgabe gewesen, für die Impfung zu werben und den Gegnern klar zu widersprechen. Man sei gerade bei den Impfskeptikern zu nachlässig gewesen. Die Opposition in Salzburg kritisierte die Uneinigkeit in der Landesregierung – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) hatte am Dienstag gesagt, er wolle für sein Bundesland einen Lockdown vermeiden – solange es möglich sei. Er legte einen fünfstufigen Aktionsplan vor. Dieser sieht unter anderem die Behandlung von Covid-19-Patientinnen und -Patienten zu Hause statt im Spital vor. Er hoffe, dass die Pandemie durch die ergriffenen Maßnahmen einen „Knick“ erfahre und das zu einer Entlastung der Spitäler führen werde. Haslauer räumte freilich ein, dass man Ergebnisse wohl erst in zwei bis vier Wochen sehen werde.

Regierung pocht auf Einigkeit

Man sei im ständigen Austausch mit den Landeshauptleuten, sagten Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und Justizministerin Alma Zadic (Grüne), gefragt nach weiteren CoV-Maßnahmen nach dem Ministerrat am Mittwoch. Es sei verständlich, dass es unterschiedliche Auffassungen gebe, so Köstinger, der Lockdown für Ungeimpfte sei aber schon eine weitreichende Maßnahme, die helfen werde, vor allem die Wintersaison zu erhalten.

Eine Pandemie sei schwer einschätzbar, so Köstinger weiter, der erste Lockdown habe noch funktioniert, der zweite gegen Ende schon nicht mehr, als sich die Menschen nicht mehr an die Kontaktbeschränkungen gehalten hätten. Köstinger verwies auf die FPÖ, ohne diese beim Namen zu nennen, die unter anderem Unwahrheiten über das Impfen verbreite und die Bevölkerung verunsichere. Man könne und müsse der Wissenschaft vertrauen.

Drei Lockdowns im Jahr 2020

Die gemeldeten Infektionszahlen zeigen, dass im vergangenen Jahr mit dem zweiten harten Lockdown mit der weitgehenden Schließung von Geschäften und Freizeiteinrichtungen von 17. November bis 6. Dezember und einer deutlichen Kontaktreduktion die Infektionen deutlich sanken. Davor galten seit Anfang November bei einer Inzidenz von 404,9 von 20.00 bis 6.00 Uhr Ausgangsbeschränkungen, Kultureinrichtungen und Gastgewerbe waren geschlossen, der Handel blieb offen.

Der erste Lockdown ab Mitte März 2020 war der am längsten durchgehende, erst ab Mitte April gab es eine schrittweise Öffnung, ab Anfang Mai konnten größere Geschäfte öffnen, die Gastronomie erst ab Mitte Mai. Anfang April gab es dennoch einen Anstieg der Infektionen, wenn auch auf niedrigem Niveau. Der dritte harte Lockdown mit erneut durchgängigen Ausgangsbeschränkungen dauerte von 26. Dezember bis Mitte Jänner, davor wurden per 7. Dezember die Regeln wieder gelockert.

Impfpflicht wird geprüft

Gefragt nach einer allgemeinen Impfpflicht sagte Zadic nach dem Ministerrat, das werde von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) geprüft. Mückstein spreche sich „sehr eng“ mit Juristen ab. Das sei eine Maßnahme, die diskutiert werde, sagte auch Köstinger. ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann ließ am Rande der Regierungssitzung am Mittwoch Sympathien für Schritte in diese Richtung erkennen. Aus dem Ministerium gab es dazu vorerst keine Stellungnahme.

Zadic betonte mehrfach, dass es weitere interne Gespräche geben werde, deren Ergebnisse auch gemeinsam kommuniziert würden. Die Lage sei ernst, sie rief wie Köstinger zum Impfen auf. „Wir agieren als Regierung gemeinsam.“ Köstinger verwies auf die Landeshauptleutekonferenz am Freitag in Tirol, dort werde weiter beraten, die Landeshauptleute hätten ein wichtiges Wort mitzureden. Mückstein sei „sehr intensiv eingebunden“, hieß es weiter.

Reich für nächtlichen Lockdown für alle

Die oberste Gesundheitsbeamtin im Gesundheitsministerium, Katharina Reich, plädierte am Dienstag im „Report“ für Ausgangsbeschränkungen in der Nacht auch für Geimpfte. „Die Situation ist schon eine deutlich andere, und deswegen ist meine Bitte: Wir müssen jetzt in einem gewissen Krisenmodus ankommen.“ Es sei keine Pandemie der Ungeimpften, „sondern wir sind in einem Stadium angekommen, wo es uns alle betrifft“. Eine „kleine Beschneidung“ auch der Geimpften werde notwendig sein. „Ich weiß aber, dass es politisch nicht einfach ist.“

Vorgeschlagen hatte einen solchen nächtlichen Lockdown auch für Geimpfte zuletzt am Sonntag Gesundheitsminister Mückstein. Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) wies das jedoch postwendend und strikt zurück. Für Mittwoch kündigte Mückstein eine Neubewertung der Lage an – zehn Tage nach Inkrafttreten der 2-G-Regel am Montag vor einer Woche.

Reich zur CoV-Lage

Die Generaldirektorin für öffentliche Gesundheit, Katharina Reich, zur aktuellen CoV-Lage und zu notwendigen Maßnahmen.

„Kontakte halbieren“ als grobe Regel

Als „grobe Regel“ schlug Reich vor, von allen sozialen Kontakten „quasi nur noch die Hälfte“ zu bestreiten. „Ich glaube, dass Regeln immer einfach nachzuvollziehen sind, und wir mit einer Bitte wahrscheinlich in dieser jetzigen Lage zu wenig haben“, plädierte sie für weitere Vorgaben.

Gefragt, ob der Alarmzustand im Land zu gering sei, verwies sie auf die sich dramatisch zuspitzende Situation in einigen Bundesländern: „Salzburg hat wirklich ‚Land unter‘ – hier wird offen über die Triage diskutiert, hier wird offen darüber diskutiert, wohin legen wir die nächste Rettung. Deshalb bin ich für eine Notbremse: alles runterfahren, was nicht notwendig ist, uns in einen gewissen Modus begeben, der der Lage da draußen entspricht“ – in einen „Krisenmodus“.

Auf die Frage, ob es einen generellen Lockdown für alle auch tagsüber in besonders stark betroffenen Regionen geben sollte, sagte Reich: „Wir wissen, dass der Lockdown die härteste Maßnahme ist. Er ist aber auch – wenn es ein wirklich guter Lockdown ist – eine gute Maßnahme. Die ist wohlüberlegt und wird keinem einzigen Landeshauptmann leichtfallen.“

Ludwig: „Kann derzeit gar nichts ausschließen“

Sympathien für die Vorschläge Reichs ließ ebenfalls im „Report“ der Wiener Bürgermeister, Michael Ludwig (SPÖ), erkennen: „Ja, ich gebe Frau Dr. Reich völlig recht“, es gebe eine „sehr ernste Situation, die Zahlen steigen österreichweit in allen Bundesländern“.

Zwar verwies Ludwig auf die im Vergleich mit den anderen Ländern bessere Situation in der Bundeshauptstadt, aber auch hier gebe es eine „steigende Dynamik“ bei der Inzidenz. Konkret nach Ausgangssperren auch für Geimpfte gefragt, sagte Ludwig: „Man kann in der jetzigen Situation gar nichts ausschließen. Die Zahlen steigen dynamisch, in einem Tempo, wie wir das in der ganzen Corona-Pandemie noch nicht erlebt haben.“ – mehr dazu in wien.ORF.at.

Ludwig: Weitere Maßnahmen diese Woche

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) kündigt für Wien eine FFP2-Maskenpflicht in Innenräumen, 2-G Plus in der Nachtgastronomie und bei Veranstaltungen über 25 Personen und Homeoffice auch in der Privatwirtschaft an. Außerdem habe Wien das Verimpfen der dritten Dosis vorgezogen und mit der Kinderimpfung begonnen. Einen Lockdown auch für Geimpfte will Ludwig nicht gänzlich ausschließen, wünscht sich allerdings eine bundeseinheitliche Lösung.

Auf die Frage, ob er es verstehe, dass einzelne Bundesländer trotz dramatischer Lage keinen allgemeinen Lockdown verhängen, sagte Ludwig, er maße sich nicht an, die Situation in anderen Ländern zu bewerten. Sollte der Bund einen Lockdown für ganz Österreich entscheiden, „wird das von allen mitzutragen sein“, betonte er.

Er wolle aber „den Kollegen, den Landeshauptleuten“ über die Medien nichts ausrichten. Und es sei auch sehr wohl eine Krise der Geimpften, verwies Ludwig darauf, dass etwa auch Intensivbetten für Patienten abseits von CoV wegen der vielen Covid-19-Patienten knapp werden könnten. „Die Ankündigung, die Pandemie sei gemeistert, die Pandemie sei für die Geimpften gemeistert, das war immer schon falsch“, nahm er Bezug auf die von der ÖVP im Sommer und bis in den Herbst hinein propagierte Linie.