Polens Parlament hat einem Gesetz zum Schutz der Grenze zugestimmt, das eine zeitweilige Einschränkung der Bewegungs- und Pressefreiheit in der Grenzregion möglich machen soll. Eine deutliche Mehrheit von Abgeordneten stimmte gestern für die Novelle der nationalkonservativen Regierungspartei PiS. Nach der Abstimmung im Sejm, der ersten Kammer des Parlaments, geht der Gesetzesentwurf nun an die zweite Kammer, den Senat. Dieser kann Änderungsvorschläge machen.
Vertreter der Opposition kritisierten, die PiS-Regierung wolle angesichts der Krise um Geflüchtete an der polnisch-belarussischen Grenze den Zugang von kritischen Journalisten dauerhaft blockieren. Polen hatte Anfang September für einen Streifen von drei Kilometern entlang der Grenze zu Belarus den Ausnahmezustand verhängt. Ortsfremde, Journalisten und Hilfsorganisationen dürfen nicht in diese Zone. Der Ausnahmezustand läuft am 2. Dezember aus und kann laut Verfassung nicht mehr verlängert werden.
Die Gesetzesnovelle sieht nun vor, dass künftig der Innenminister bei einer Gefahrenlage allen Ortsfremden den Zugang zu einem von ihm definierten Grenzgebiet verbieten kann. Über Ausnahmen – besonders für Journalisten – soll der örtliche Kommandant des Grenzschutzes entscheiden.
Merkel telefonierte erneut mit Lukaschenko
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel telefonierte unterdessen erneut mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko. Das teilte das Präsidialamt von Belarus gestern in der Hauptstadt Minsk mit. Merkel und Lukaschenko seien sich dabei einig gewesen, dass es zur Lösung des Problems Gespräche zwischen Vertretern der EU und Belarus geben sollte.
Merkel: Lukaschenko soll Hilfen von UNO und EU zulassen
Merkel forderte Lukaschenko auf, Hilfe der Vereinten Nationen und der EU für die an der Grenze zu Polen gestrandeten Geflüchteten zuzulassen, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit. Merkel habe die Notwendigkeit betont, mit Unterstützung des UNO-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und in Zusammenarbeit mit der EU-Kommission für die humanitäre Versorgung und Rückkehrmöglichkeiten der betroffenen Menschen zu sorgen.
Wie bei der Pressemitteilung nach dem ersten Telefonat verwendete Seibert nicht den Titel Lukaschenkos, sondern bezeichnete ihn als „Herrn“. Hintergrund ist, dass die EU-Staaten eine Wahlmanipulation sehen und Lukaschenko nicht als rechtmäßigen Präsidenten seines Landes ansehen. Das Gespräch sei eng mit der EU-Kommission abgestimmt gewesen.
Telefonat auch schon am Montag
Erst am Montag hatten Merkel und Lukaschenko ein Telefonat geführt, das nach Angaben aus Belarus etwa 50 Minuten gedauert hatte. Es seien weitere Kontakte vereinbart worden, meldete die staatliche belarussische Nachrichtenagentur BelTA.
Nach Merkels erstem Gespräch mit Lukaschenko seit dessen umstrittener Wiederwahl zum Präsidenten im August vergangenen Jahres hatte es teils heftige Kritik gegeben. Die EU erkennt Lukaschenko nicht mehr als Präsidenten an. Hintergrund sind massive Betrugsvorwürfe bei der Wahl sowie das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen friedliche Demonstranten und die Zivilgesellschaft.
An der belarussisch-polnischen Grenze sind seit Tagen Tausende Geflüchtete gestrandet. Die EU beschuldigt Lukaschenko, in organisierter Form Menschen aus Krisenregionen an die EU-Außengrenze zu bringen, um Druck zu machen.