Ungarn legalisiert fiktive Wohnadressen: Vorstoß für Wahlbetrug?

Die Regierung von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban legalisiert die Anmeldung fiktiver Wohnadressen. Bürgerrechtler und Oppositionelle befürchten, dass nun vor Wahlen Menschen in größerer Zahl in Wahlkreise „umgesiedelt“ werden könnten, in denen mit einem knappen Wahlausgang zu rechnen ist.

Auf Grundlage des neuen Gesetzes können künftig Adressen auch dann angemeldet werden, wenn die Menschen gar nicht die Absicht haben, am angegebenen Ort zu wohnen.

Das Gesetz wurde in der Nacht auf heute im Ungarischen Amtsblatt veröffentlicht und tritt am 1. Jänner in Kraft. Die nächste Parlamentswahl findet im Frühjahr 2022 statt.

Kritik der Opposition

Der Opposition zufolge könnten sowohl ethnische Ungarn aus den Nachbarländern, die das Wahlrecht in Ungarn haben, als auch Inländer nach massenhafter Scheinanmeldung in hart umkämpften Wahlkreisen ihre Stimme abgeben.

„Beide Varianten eröffnen den Weg zur bewussten Verfälschung der Wahlergebnisse“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme von sechs Oppositionsparteien, die bei der nächsten Wahl mit gemeinsamer Liste und gemeinsamen Direktkandidaten antreten. In einigen Wahlkreisen könnte der Kampf um das jeweilige Direktmandat an wenigen hundert Stimmen hängen.

Schon bei vergangenen Wahlen hatten Wahlforscher und Bürgerrechtler die massenhafte Anmeldung von Scheinadressen – mutmaßlich zugunsten der Orban-Partei FIDESZ- festgestellt. Vertreter der Regierung bestritten, dass das geänderte Gesetz auf Wahlbetrug abziele. Vielmehr würden Hunderttausende Ungarn nicht dort wohnen, wo sie angemeldet sind, weil sie vergessen hätten, sich nach einem Wohnsitzwechsel umzumelden.