Besucher eines Wiener Einkaufszentrums
APA/Helmut Fohringer
Sperren und Hilfen

Schmerzhaftes Deja-vu auch für Wirtschaft

Geschlossene Geschäfte und Gastronomie zum Weihnachtsgeschäft, ein verlorener Start der Wintersaison, abgesagte Adventmärkte und der erneute Ruf nach Homeoffice: Auch die Wirtschaft hat am Freitag ein schmerzhaftes Deja-vu erlebt. Die Enttäuschung ist entsprechend groß, der Ruf nach Hilfen laut. Die Regierung kündigte vor diesem Hintergrund an, auf „den bewährten Instrumentenkoffer“ zurückgreifen zu wollen. Eine Gesamtkostenschätzung wollte man nicht anstellen.

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher sagten, dass es die „bewährten“ Wirtschaftshilfen vom Ausfallsbonus und Verlustersatz bis zum Härtefallfonds geben werde. Laufen sollen die Programme bis März 2022. Auch auf Kurzarbeit soll wieder zurückgegriffen werden – sie läuft noch bis Ende des Jahres. Durch die Nutzung bekannter Hilfsmaßnahmen sei man „schnell startklar, und die Unternehmer kommen schneller zu ihrem Geld“, so Blümel. Allerdings müssten sich alle geförderten Unternehmen an die CoV-Bestimmungen halten, ansonsten ist die Hilfe zurückzuzahlen.

Die CoV-Kurzarbeit gelte bis Jahresende, decke also den jetzt angekündigten Lockdown ab, so Kocher. Zum nächsten Jahr muss noch verhandelt werden. Das Arbeitsministerium rechnet mit Kurzarbeit annähernd wie im letzten Winter. Im November vor einem Jahr waren im damaligen Lockdown 360.000 Menschen in Kurzarbeit. Die Sozialpartner haben jedenfalls an Unternehmen und Beschäftigte appelliert, die Möglichkeit der Kurzarbeit zu nutzen. Damit könnten Unternehmen nach Ende des Lockdowns gleich wieder durchstarten.

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP)

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) kündigte die Verlängerung bzw. Neuauflage der Coronavirus-Hilfen an.

Sonderbetreuungszeit für Kinder in Quarantäne

Die Unternehmen wurden aber auch dazu aufgerufen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so weit wie möglich ins Homeoffice zu schicken. Ab Montag haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen in die Risikogruppe fallen, wieder die Möglichkeit, sich ein Risikoattest zu besorgen und im Bedarfsfall freistellen zu lassen.

Der Freistellungsanspruch für Schwangere in körpernahen Berufen ist ohnehin nach wie vor aufrecht, auch könne die Sonderbetreuungszeit unverändert in Anspruch genommen werden, wenn ein Kind in Quarantäne geschickt wird oder an Covid-19 erkrankt, sagte Kocher.

Für Betriebe gibt es weiter einen Ausfallsbonus bei einem Umsatzeinbruch von mindestens 40 Prozent im Vergleich zum gleichen Monat 2019, also vor der Pandemie. Zehn bis 40 Prozent des Umsatzrückgangs können erstattet werden, maximal 2,3 Mio. Euro statt bisher 1,8 Mio. Euro. Die Hilfe gilt von November bis März 2022 und kann ab 16. Dezember beantragt werden. Die Kosten belaufen sich auf bis zu 700 Mio. Euro im Monat.

ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher

ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher empfahl den Unternehmen, auf Homeoffice zu setzen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben weiterhin Anspruch auf Sonderbetreuungszeit für Kinder in Quarantäne.

Verlustersatz und Härtefallfonds wieder aktiviert

Auch gibt es einen Verlustersatz bei mindestens 40 Prozent Umsatzeinbruch im Vergleich zum identen Monat 2019. 70 bis 90 Prozent des Verlustes können ersetzt werden, maximal zwölf Mio. Euro statt bisher zehn Mio. Dieser gilt von Jänner bis März 2022 und kann ab Jänner beantragt werden. Die Kosten der Maßnahme sind noch offen.

Bei mindestens 40 Prozent Einkommensrückgang, oder wenn die laufenden Kosten nicht mehr gedeckt werden können, gibt es Mittel aus dem Härtefallfonds. Die Ersatzrate liegt bei 80 Prozent des Nettoeinkommensentgangs zuzüglich 100 Euro. Die Beihilfe läuft bis März 2022, es gibt zwischen 600 und 2.000 Euro. Die Maßnahme kostet 100 Mio. Euro pro Monat. Auch Steuerstundungen und Herabsetzungen werde es weiter geben, kündigte Blümel an.

„Vollbremsung vor Weihnachten“

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer und -Generalsekretär Karlheinz Kopf hatten von einer „Vollbremsung vor Weihnachten“ gesprochen und „rasch wirkende Wirtschaftshilfen“ gefordert. Der Handel habe sich bereits auf das Weihnachtsgeschäft vorbereitet, das nun wegbreche. Die Lager seien voll, die Geschäfte aber bald zu, so der Sprecher des Handels in der Wirtschaftskammer (WKO), Rainer Trefelik.

Salzburger Christkindlmarkt
APA/Barbara Gindl
Auch die Adventmärkte müssen schließen – trotz entgegengesetzter Beteuerungen

Auch Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands, machte auf die „wirtschaftliche Notlage“ vor Weihnachten aufmerksam. Die schon gefallene Zusage neuer Hilfen begrüßte Will. „Diese Maßnahmen allein werden aber nicht reichen, um die krisengebeutelte Handelsbranche ohne massive Kollateralschäden durch den vierten bundesweiten Lockdown mit kolportierten Umsatzverlusten von 2,7 Milliarden Euro zu führen“, hieß es.

Tourismus hofft, „dass noch was zu retten ist“

Ins gleiche Horn stieß die Spitze der Wirtschaftskammer. „Rasch wirkende Wirtschaftshilfen sind jetzt alternativlos. Diese haben sich bereits bewährt und müssen erneut zum Einsatz gebracht werden“, so WKO-Präsident Harald Mahrer und -Generalsekretär Karlheinz Kopf. „Die Impfung ist weiterhin das wirksamste Instrument im Werkzeugkoffer der Pandemiebekämpfung. Die Wirtschaft begrüßt daher jede Maßnahme, die wirksam zur Erhöhung der Impfquote beiträgt.“

Österreichs Tourismus sah bereits einen großen Imageschaden durch den neuen Lockdown: Das völlige Ausufern der Krise werfe ein schlechtes Licht auf das Land, sagte Susanne Kraus-Winkler vom Fachverband Hotellerie in der WKO. Die Gäste seien nicht nur wegen der schönen Landschaft gekommen, sondern auch wegen des Gefühls der Sicherheit. „Wir hoffen, dass noch was zu retten ist.“

Die Kurzarbeit solle jedenfalls bereits ab dem ersten Tag eines Beschäftigungsverhältnisses möglich sein, denn man müsse die Mitarbeiter jetzt oder in den nächsten Wochen einstellen, damit die Hotels nach dem Lockdown überhaupt öffnen können, so Kraus-Winkler. Vom Arbeitsministerium kommt dazu umgehend eine Absage: Eine branchenspezifische Lösung für die Kurzarbeit gehe aus beihilfenrechtlichen Gründen nicht. „Das dürfen wir nicht“, so ein Sprecher des Ministeriums zur APA.

Skifahrer am Semmering, Weihnachten 2020
APA/AFP/Alex Halada
Vorläufig wird es doch keine Wintersaison geben

Verständnis zeigte hingegen Robert Seeber, Tourismus-Spartenobmann in der Wirtschaftskammer (WKÖ): „Der generelle Lockdown trifft Tourismus und Freizeitwirtschaft genau zum Start von Wintersaison und Weihnachtsgeschäft ungebremst und in voller Härte. Er ist aber angesichts der drohenden Überlastung des Gesundheitssystems sowie zur Rettung der Wintersaison wohl unausweichlich.“

Sorge um Lieferketten

Für den Tourismus in Wien ist der neuerliche Lockdown eine Hiobsbotschaft, wie Wiens Tourismusdirektor Norbert Kettner im APA-Gespräch befand: „Der vermeidbare, aber jetzt unausweichliche Lockdown bringt Wien, Österreichs zweitwichtigstes Tourismusbundesland, in der Phase schrittweiser Erholung erneut in eine frustrierende Situation.“ Erholungstendenzen in der Branche seien nun „zunichtegemacht“.

Auch der Gastronomieobmann in der Wirtschaftskammer, Mario Pulker, reagierte frustriert. „Leider ist nun das eingetreten, was viele Experten bereits seit Langem prophezeit haben. Wir alle müssen nun den Preis für die Versäumnisse der letzten Monate zahlen“, so Pulker am Freitag. Die Gastronomie werde durch diese neuerliche „Vollbremsung kurz vor Weihnachten“ wieder einmal in ganz besonderer Weise getroffen.

Die Industrie bewertete den neuen Lockdown als „bedauerlich, aber notwendig“. Gleichzeitig müsse aber dafür Sorge getragen werden, dass es „zu keinen wirtschaftlichen Verwerfungen in einem Ausmaß kommt, das die gegenwärtige Erholung und den Rückgang der Arbeitslosigkeit nachhaltig beeinträchtigt“, so Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung (IV). Vor allem Produktion und Lieferketten müssten aufrechterhalten werden.

Sozialpartner pochen auf Unterstützung

Auch die Gewerkschaft zeigte sich am Freitag alarmiert. Die Entscheidung zu einem Lockdown sei „zu akzeptieren“, so ÖGB-Präsident Wolfgang  Katzian. „Neben der Entlastung der Intensivstationen und der Reduktion der Infektionszahlen ist es aber von höchster Wichtigkeit, gerade jetzt nicht auf vom Lockdown besonders betroffene Gruppen zu vergessen.“

Lockdown: Reaktionen aus der Wirtschaft

Viele Branchenvertreter und Branchenvertreterinnen sind über den Lockdown verärgert. Es besteht die Sorge, dass das Geschäft vor Weihnachten kaum noch Einnahmen bringt.

Sowohl ÖGB als auch Arbeiterkammer appellierten zudem an Unternehmen und Beschäftigte, die Möglichkeit der Kurzarbeit zu nutzen. Das Modell habe sich bereits bewährt. Dass Kurzarbeit weiter möglich sei, hatte Kocher bereits bestätigt. Zur konkreten Ausgestaltung gebe es in den kommenden Tagen Gespräche mit den Sozialpartnern.

Die Impfpflicht wird von der Wirtschaft im Wesentlichen unterstützt. „Die Wirtschaft begrüßt jede Maßnahme, die wirksam zur Erhöhung der Impfquote beiträgt“, sagte die WKÖ-Spitze.

IHS: Prognose wird nicht halten

Fachleute des Instituts für Höhere Studien (IHS) rechnen nun damit, dass angesichts des Lockdowns Prognosen für das Wirtschaftswachstum für heuer und nächstes Jahr wahrscheinlich nicht halten werden. Das sagte IHS-Ökonom Klaus Weyerstrass zur APA. Es sei „höchstwahrscheinlich, dass wir heuer nicht die 4,5 Prozent Wachstum erreichen werden“, sagte Weyerstrass. Die wirtschaftlichen Auswirkungen würden aber vermutlich im nächsten Jahr noch größer sein.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) erwartet aufgrund des Lockdowns keine Kündigungswelle, sondern ein deutliches Ansteigen der Kurzarbeitszahlen. WIFO-Arbeitsmarktökonom Helmut Mahringer rechnet mit einer Zunahme der Arbeitslosenzahlen wie im November 2020. Damals gab es lockdownbedingt zusätzlich rund 22.000 Arbeitslose. Das Plus bei der Kurzarbeit werde aber „beträchtlich“ sein, sagte Mahringer zur APA.

Gläubigerschützer sehen die Maßnahme allerdings vorerst gelassen. „Einen Lockdown von 20 Tagen sollten die Unternehmen gut verkraften“, sagte Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer des Gläubigerschutzverbands Creditreform. Dass Wirtschaftshilfen wie der Verlustersatz und Ausfallsbonus ausgeweitet werden, begrüßt er.