Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer
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Vor Lockdown

Politik übt sich in Selbstkritik

Vor dem nächsten Lockdown der Blick zurück samt Fehlersuche und noch mehr Entschuldigungen: Niemand könne alles richtig machen, sagte der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) am Samstag in der Ö1-Reihe „Im Journal zu Gast“. Ausreden gebe es aber keine. Sein steirischer Amtskollege Hermann Schützenhöfer (ÖVP) sprach rückblickend von einem Bild, das mitunter „erbärmlich“ gewesen sei.

Ausschlaggebend für den nächsten nunmehr bundesweiten Lockdown beginnend mit Montag sei der Ernst der Lage, so Stelzer im „Journal“-Interview. Dieser zeige auch, dass die Entscheidung, die für Oberösterreich mit seinen sehr hohen Fallzahlen bereits zuvor gefallen war, richtig gewesen sei. Trotz unterschiedlichster Maßnahmen seien diese Zahlen nicht nach unten gegangen.

Lange sei die Lage relativ überschaubar gewesen, sagte der oberösterreichische Landeshauptmann sinngemäß mit Blick zurück auf die Sommermonate. Dann, gegen Ende Oktober, sei es „losgegangen“. Und, so war er sich sicher: „In dieser Dimension“ sei die Entwicklung nicht vorhersehbar gewesen.

„Niemand kann alles richtig machen“

Fehler seien sicherlich passiert, sagte Stelzer auf entsprechende Fragen, etwa, ob der Lockdown zu spät komme. „Niemand kann alles richtig machen.“ Wahrscheinlich hätte die eine oder andere Maßnahme früher gesetzt werden müssen. Manchmal allerdings, gab er zu bedenken, sei die Zeit, die für Entscheidungen bleibt, relativ kurz. „Aber es gibt keine Ausreden.“

Es sei jedenfalls nicht gelungen, genügend Menschen dazu zu bringen, sich impfen zu lassen. Deshalb brauche es jetzt die beschlossenen harten Maßnahmen, Impfpflicht ab Februar inklusive. Er hoffe aber, dass sich auch die aktuelle, vierte Welle der Pandemie „runterbremsen“ werde lassen können. Klar sei aber, dass sich das Virus – Stichwort: Dauer des Lockdowns – nicht an bestimmte Kalendertage halte.

Schwierige Prognose für Weihnachten

Grundlage für eine Aufhebung in seinem Bundesland sei, dass der tägliche Zuwachs bei den Neuinfektionen „deutlichst“, „und zwar massiv“, sinke, sagte Stelzer, in den Spitälern generell und speziell auf den Intensivstationen müsse erst wieder „halbwegs“ Normalbetrieb herrschen – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Auf Prognosen – etwa mit Blick auf Weihnachten – wollte er sich nicht einlassen. Die Entscheidung für eine Impfpflicht sei eine schwierige, aber notwendige gewesen, um aus dem „Strudel“ der Pandemie zu kommen, sagte der oberösterreichische Landeshauptmann.

Auch Schützenhöfer selbstkritisch: „Bild erbärmlich“

Auch Stelzers Amtskollege, der steirische Landeshauptmann Schützenhöfer betonte, dass man in einer solchen Gesundheitskrise natürlich Fehler mache, und auch er „habe Fehler gemacht, und da muss man sich dann auch dafür entschuldigen. Auch wenn man diese Fehler nicht bewusst begangen hat“, sagte Schützenhöfer gegenüber der „Kleinen Zeitung“ und gestand ein: „Das Bild, das wir alle nach dem letzten Sonntag abgegeben haben, war für uns erbärmlich.“

Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer
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Schützenhöfer: „Nehme auch mich nicht aus“

Da wolle er „niemandem die Schuld zuweisen und nehme auch mich nicht aus“, so der steirische Landeshauptmann. Dessen sei man sich im Vorfeld der Landeshauptleutekonferenz bewusst und daher bemüht gewesen, „einen Weg zu gehen, der den Menschen zeigt: Die meinen es ernst, wir müssen eine Zeit lang alles andere unterordnen“ – mehr dazu in steiermark.ORF.at

Schallenberg: „Es tut mir leid“

Schützenhöfers Entschuldigung war nicht die erste seit Ankündigung des nächsten Lockdowns, der für geimpfte wie nicht geimpfte Personen gleichermaßen gilt. Nach Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) hatte sich Freitagabend auch Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) entschuldigt, wenn auch nicht für mögliche Fehler, sondern für die Verhängung der harten Maßnahmen, die ab der neuen Woche gelten.

„Es tut mir leid, diesen einschneidenden Schritt zu setzen“, sagte er in Richtung Geimpfte und meinte damit all diejenigen, „die alles richtig gemacht haben, die sich geimpft haben, die Maske tragen, die auf Distanz achten und die zur Auffrischung gegangen sind“. Das sei eine „Zumutung“. Und er gab sich auch selbstkritisch: „Es ist klar, dass kein Krisenmanagement fehlerfrei ist.“

Bundeskanzler Schallenberg (ÖVP) zum Lockdown

Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) spricht im Studio zu den am Freitag verkündeten Maßnahmen: Ab Montag gilt ein bundesweiter Lockdown für alle und ab Februar gilt eine Impfpflicht für alle.

„Lassen wir uns nicht auseinanderdividieren“

Zuvor hatte sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen an die Bevölkerung gewandt. Die Entscheidung der Regierung und der Landeshauptleute sei spät gekommen, aber angesichts der drastischen Entwicklung in den Spitälern richtig gewesen, sagte Van der Bellen am Abend in einer Fernsehansprache im ORF. Er warnte vor einer Spaltung. Die Gefahr sei groß, dass „die Gräben noch tiefer werden“: „Das dürfen wir nicht zulassen. Wir gehören zusammen. Wir bedingen einander. Wir alle sind Österreich.“

Es gehe nun darum, Menschen zu schützen und zu retten: „Die kommenden Wochen werden von uns sehr viel abverlangen. Wir alle müssen alles dafür tun, dass die vierte Welle gebrochen wird und die nächste verhindert werden kann“, appellierte Van der Bellen an die Bevölkerung.

Rede des Bundespräsidenten

Bundespräsident Alexander Van der Bellen wendet sich anlässlich des Lockdowns in der vierten Welle der CoV-Pandemie an die Bevölkerung. Er bittet die Österreicherinnen und Österreicher, eine „starke, solidarische Gemeinschaft“ zu bilden.

Der Politologe Peter Filzmaier äußerte im ZIB2-Interview die Bitte an die Regierung, parteitaktische Überlegungen hintanzustellen und in den Modus der Krisenkommunikation zu wechseln, und damit mit einer Stimme zu sprechen. Die widersprüchliche Kommunikation habe die „Glaubwürdigkeit der Regierung schwer beschädigt“.

Filzmaier: „Der Schaden ist enorm groß“

Politikwissenschafter Peter Filzmaier ordnet die Kommunikation der Regierung in den vergangenen Tagen ein. Viele Widersprüche in der Verkündung von CoV-Maßnahmen hätten einen enormen Schaden angerichtet.

SPÖ kritisiert Schallenberg

SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher warf Schallenberg unterdessen vor, aus seiner „angeblichen Entschuldigung in Wahrheit einen Angriff gemacht“ zu haben, weil er sich bei den Geimpften entschuldigt und die Ungeimpften kritisiert habe. „Schallenberg hat die Schuld auf diejenigen abgeschoben, die wegen dem Zick-Zack-Kurs der Bundesregierung die Orientierung in der Krise verloren haben. Der ÖVP-Kanzler gießt Öl ins Feuer, provoziert zusätzlich in einer ohnehin angespannten Situation und kapituliert im Angesicht der Staatsverantwortung“, stellt Kucher in einer Aussendung fest.

Evaluierung nach zehn Tagen

Die neuen Verschärfungen beginnen ab Montag. Dann schließen Gastronomie, Kultur- und Veranstaltungsbranche sowie der Handel außer die Geschäfte des täglichen Bedarfs. Es gelten Ausgangsbeschränkungen von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr für alle und nicht nur für Ungeimpfte. Schulen und Kindergärten sollen offenbleiben. Eine Impfpflicht soll es ab Februar geben.

Für alle Arbeitnehmer gilt eine Homeoffice-Empfehlung, in den Arbeitsstätten ist weiterhin 3-G verpflichtend. Eine FFP2-Maskenpflicht gilt in allen geschlossenen Räumen, auch am Arbeitsplatz. Veranstaltungen im Bereich Spitzensport dürfen weiter stattfinden, aber ab Montag nur noch ohne Zuschauer.

Der Lockdown soll rund um die Uhr und in einem ersten Schritt zehn Tage gelten. Nach dem allgemeinen Lockdown werden Einschränkungen für Ungeimpfte bleiben, so der aktuelle Plan der Regierung. Nach zehn Tagen wird die Lage evaluiert. In Oberösterreich wird der Lockdown bis zum 17. Dezember dauern.

Offene Fragen zu Impfpflicht

Eine allgemeine Impfpflicht wird ab sofort vorbereitet und soll ab 1. Februar gelten. Wer sich dennoch nicht impfen lassen will, dem drohen Verwaltungsstrafen. „Lange Zeit war es Konsens in diesem Land, dass wir keine Impfpflicht wollen“, so Schallenberg. „Lange, vielleicht zu lange“ sei man davon ausgegangen, dass es auch ohne Pflicht möglich sei, eine hohe Impfquote zu erreichen. Nun müsse man der Realität ins Auge sehen. Es gebe offene Fragen, die nun Experten sich anschauen müssten, so Schallenberg in der ZIB2. Dazu zählen etwa die Auswirkungen auf den Arbeitsplatz und das Alter, ab dem die Impfpflicht gelten soll.

„Wir haben mit Anreizsystem gearbeitet“, so Mückstein. Es habe bereits ein erstes Gespräch mit den Sozialpartnern gegeben. Auch Verfassungsrechtler hätten bereits signalisiert, dass eine allgemeine Impfpflicht möglich sei. Er garantiere eine „ordentliche Begutachtungsfrist“, so Mückstein. In ganz Österreich soll es ab sofort – wie zuvor bereits etwa in Wien – für alle Geimpften die Möglichkeit geben, sich die dritte Impfung bereits nach vier Monaten geben zu lassen.