Verfassungsministerin Karoline Edstadler
ORF
Edtstadler zu CoV-Misere

„Kein gutes Bild abgegeben“

Seit Montag wird das öffentliche Leben landesweit bereits zum vierten Mal auf ein Minimum zurückgefahren. „Wir haben gehofft, dass es ohne Lockdown geht“, rechtfertigte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) das zuletzt enorm schleppende Krisenmanagement. Und wie bereits einige Parteikollegen übte sie sich in Selbstkritik – man habe „kein gutes Bild abgegeben“. Eine Impfpflicht sieht sie verfassungsrechtlich möglich.

Generell versuchte die ÖVP-Ministerin in der „Pressestunde“ auch Gründe für die letztlich sehr spät erfolgten Entscheidungen vorzubringen: Es seien unterschiedliche Interessen an die Politik herangetragen worden, zudem seien auch die Expertinnen und Experten nicht immer einer Meinung gewesen, der man dann hätte folgen können. Manche Entscheidungen seien dann zu spät gekommen, so Edtstadler. „Wir sind alle nur Menschen.“

Sie versicherte jedoch, dass die Politik stets das Wohl der Bevölkerung im Auge gehabt habe. „Wir haben uns nicht vorstellen können, wieder in einen Lockdown zu gehen“, man habe gehofft, dass die zuvor verhängten Maßnahmen reichen würden und „dass es ohne Lockdown oder Impfpflicht geht“. Aber es bleibe nun angesichts der Situation nichts mehr anderes übrig. Nun müsse man „die Zähne zusammenbeißen“, so Edtstadler.

OÖ-Wahl als „Kardinalfehler“?

Ob die Wahl in Oberösterreich auch einer der „Kardinalfehler“ für die Verschleppung war, wollte Edtstadler nicht klar beantworten: „Man kann es nicht an einem Ereignis festmachen, es gibt viele verschiedene Faktoren.“ Generell habe man gehofft, dass man durch hohe Impfraten „die Spitzen der Krankheit wegnehmen“ könne – das sei letztlich aber nicht gelungen. Wichtig sei jetzt seitens der Politik, „die Gräben zuzuschütten“, so Edtstadler.

Impfpflicht und Maßnahmen für Ungeimpfte

EU- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sieht bei der Frage nach einer CoV-Impfpflicht die Notwendigkeit einer Abwägung der Verhältnismäßigkeit. Ihr zufolge handelt es sich bei der Impfpflicht im Vergleich zu Lockdowns um den vergleichsweise geringeren Eingriff, damit die Gesellschaft das tun könne, was sie gerne tut. Die Menschen sollen zunächst zu einem Impftermin eingeladen werden. Wird die Impfung dennoch abgelehnt, sind Verwaltungsstrafen angedacht.

Angesprochen auf die für viele empörende Aussage von Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP), wonach Virologen zum Schutz vor einer Infektion die Menschen „am liebsten einsperren“ würden, sagte Edtstadler: „Ich kenne Haslauer so lange, er findet immer die richtigen Worte, aber die Ausdrucksweise war eine Zuspitzung, die gerade in einer Krise nicht getroffen werden sollte“, so Edtstadler. „Das ist aber nicht so, wie Haslauer denkt.“

Kurz’ „Pandemie gemeistert“-Sager verteidigt

Auch wurde Edtstadler zur ÖVP-Plakatkampagne vom Sommer gefragt, wonach „die Pandemie gemeistert“ und die „Krise bekämpft“ sei. Dazu wurde ihr die Aussage von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vorgehalten, der im Sommer gesagt hatte, dass die „Pandemie für die Geimpften“ vorbei sei. Edtstadler sagte, es habe damals „endlich Impfstoff für alle“ gegeben und man habe wohl die „zu hoffnungsfrohe Aussicht gehabt, dass die Menschen auch tatsächlich zur Impfung gehen“.

Das habe man „zu Unrecht angenommen“, auch räumte sie ein, dass „mehr Kampagnen“ nötig gewesen wären. Generell sei „zu viel auf jene geschaut (worden), die auch gestern wieder auf dem Ballhaushausplatz demonstriert haben und die Wiener Innenstadt lahmlegen“. Auf die habe man „zu sehr geschaut, weil sie halt laut sind“ – und zu wenig auf jene, die zu Hause sitzen und Angst haben.

Impfpflicht wohl der „geringere Eingriff“

Freilich war auch die ab Februar geplante Impfpflicht Thema: Zunächst habe sie eine solche ausgeschlossen, aber „die Realitäten haben uns eines Besseren belehrt“, so die Verfassungsministerin. Man müsse Menschen sagen, dass sie „Rechte, aber auch Pflichten“ hätten. Und eine Impfpflicht sei verglichen zum Lockdown wohl der „geringere Eingriff“, so Edtstadler. Generell zeigte sie sich überzeugt davon, dass der Schritt verfassungsrechtlich möglich ist.

Die Regierung habe verschiedene Experten einbezogen – keiner habe gesagt, dass das nicht möglich sei. Außerdem habe das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Falle einer Impfpflicht für Kinder in Tschechien schon bestätigt. Die von der FPÖ geforderte Vorabprüfung durch den Verfassungsgerichtshof könne es nicht geben, weil das nicht vorgesehen sei, betonte die ÖVP-Ministerin.

Geldstrafen erst nach Termineinladung

Für Personen, die sich nicht daran halten, soll es Verwaltungsstrafen geben. Man werde aber zuerst die Menschen zu einem Impftermin einladen und erst dann, wenn das nicht fruchtet, Geldstrafen aussprechen. Die Höhe der Strafen ließ sie offen, sie kann sich aber eine abgestufte Vorgangsweise vorstellen. Eine Richtschnur könnten die bis zu 3.600 Euro sein, die in einem Entwurf für die geplante Impfpflicht für Gesundheitsberufe schon enthalten sind.

Ausnahmen werde es jedenfalls für Personen geben, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Die Frage, wie lange die Pflicht gelten soll, werde im Gesetz noch zu regeln sein, Edtstadler kann sich aber vorstellen, dass die Dauer bis zum Erreichen einer bestimmten Durchimpfungsrate reichen könnte. Das Mindestalter müsse mit Expertinnen und Experten noch geklärt werden.

Rückkehr von Sebastian Kurz und Ermittlungsverfahren

Edtstadler: Nach „Aufklärung“ Kurz-Comeback möglich

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen ÖVP-Obmann Kurz sah Edtstadler keinen Grund, warum Kurz nicht als Kanzler zurückkehren könnte, wenn „alles aufgeklärt“ sei. Zu den Angriffen aus der ÖVP gegen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hielt Edtstadler fest, dass niemand über der Kritik stehe. Und dass sie sich nicht schützend vor die WKStA gestellt habe, begründete die ÖVP-Ministerin damit, dass Justizministerin Alma Zadic (Grüne) dafür zuständig sei und sie das auch gemacht habe.

FPÖ: Aufwiegen von Eingriffen „skandalös“

FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst sprach in einer ersten Reaktion von einem „Corona-Zwangsregmie“ der türkis-grünen Koalition, das für sie „unwürdig, verfassungswidrig, verlogen und menschlich letztklassig“ ist. Sie zeigte sich in einer Aussendung „fassungslos“, wie ausgerechnet die für die Verfassung zuständige Ministerin die Impfpflicht als Notwendigkeit und relativ geringen Eingriff darstellen könne. „Skandalös“ findet es Fürst, wie Edtstadler mit der Impfpflicht einen unverhältnismäßigen Eingriff in die verfassungsmäßig garantierten Rechte gegen einen anderen – den Lockdown – aufwiege.