Karl Nehammer und Franz Eigner
APA/Herbert Pfarrhofer
Nach CoV-Demo

Polizei beobachtet Radikalisierung

Nach der Großdemonstration gegen Lockdown und CoV-Maßnahmen am Samstag in Wien haben Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und die Polizei am Sonntag Bilanz darüber und über die Ereignisse im Vorfeld gezogen. Neben mehreren Festnahmen gab es rund 400 Anzeigen, darunter einige nach dem Verbotsgesetz – und laut Polizei eine „aufgeheiztere, aggressivere Stimmung“ als bei Protesten zuvor.

Nehammer verwies zu Beginn einer Pressekonferenz gemeinsam mit dem Wiener Landespolizeivizepräsidenten Franz Eigner am Sonntag auf „ein Bild“, das, wie er sagte, wert sei, genauer betrachtet zu werden. Polizistinnen und Polizisten hätten seit Einführung der 2-G-Regel an die 150.000 Kontrollen durchgeführt und damit einen „fordernden“ Dienst gehabt.

Sie hätten dabei eine Beobachtung gemacht: Es habe Verständnis und Unterstützung, „viel Zuspruch“ seitens derer, die sich an die Regeln hielten, gegeben. Auf der anderen Seite, sagte der Innenminister und kam damit auf den Punkt seiner Bilanz zu der Großkundgebung in Wien, habe sich die Stimmung bei denen, die gegen die Maßnahmen auf die Straße gehen, „zum Teil deutlich radikalisiert“.

„In keinster Weise hinnehmbar“

In diesem Zusammenhang wolle er die mediale Aufmerksamkeit, wie Nehammer sagte, auf einen Vorfall in Linz lenken. Dort wurde ein Streifenwagen der Polizei angezündet. Und: Die Täter hätten bei ihrer Einvernahme eingeräumt, sie hätten auch die Beamten in dem Fahrzeug töten wollen. Das sei „ein Ausmaß an Radikalisierung, das in keinster Weise hinnehmbar“ sei.

Bildschirm auf Pressekonferenz zeigt zerstörtes Polizeifahrzeug
APA/Herbert Pfarrhofer
Bilder eines in Linz angezündeten Streifenwagens bei der Pressekonferenz am Sonntag in Wien

Der Innenminister verwies außerdem auf Morddrohungen gegen Mitglieder der Bundesregierung, auch Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP). „In dieser Stimmungslage“ habe die Großdemonstration in Wien mit – nach unterschiedlichen Angaben von Exekutive und Veranstaltern zwischen 40.000 und 100.000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen – stattgefunden – mehr dazu in wien.ORF.at.

„Deutlich aufgeheiztere, aggressivere Stimmung“

Es sei ein bekanntes Bild gewesen, so Nehammer. Unter großteils friedliche Demonstranten und Demonstrantinnen hätten sich Mitglieder der rechtsextremen Szene gemischt, „altbekannte Neonazis“, aber auch Vertreter der neuen rechtsextremen Szene, auch gewaltbereite Gruppen.

Demonstration in Wien
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Fackeln und Transparente bei der Großkundgebung am Samstag in Wien

Die Polizei habe eine „deutlich aufgeheiztere, aggressivere Stimmung“ beobachtet. Es handle sich um eine Minderheit, „aber unter Umständen eine gewaltbereite Minderheit“. Dass die Lage nicht eskalierte, sei dem umsichtigen Einsatz zu verdanken. Scharf verurteilte Nehammer das Spiel von Kundgebungsteilnehmern mit Nazi-Symbolik, eine Verharmlosung des Holocaust, wie er sagte, die absolut inakzeptabel sei.

Der Weg in die „echte Freiheit“

Jenen, die Schilder mit der Aufschrift „Freiheit“ und die rot-weiß-rote Fahne mit sich trugen, müsse man klarmachen, so Nehammer abschließend, dass es tatsächlich einen Weg in die „echte Freiheit“, die von vor der Pandemie, wo keine Lockdowns mehr notwendig seien, gäbe. Und dieser Weg sei die Impfung gegen das Virus, die im Übrigen keine Frage der politischen Überzeugung sei. Es gehe allein darum, dass das Virus nicht weiter das Leben bestimme, „uns nicht weiter drangsaliert“, schloss der Innenminister. „Wir haben es in der Hand.“

Innenminister Nehammer zu Demo am Samstag in Wien

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) zufolge war bei der Großdemonstration am Samstag in Wien eine aufgeheizte und aggressive Stimmung spürbar. Neben besorgten Bürgern, die ihren Unmut über die CoV-Maßnahmen teilen wollten, wurde die Demo seiner Aussage nach auch von der rechtsextremen Szene genutzt, um diese für ihre Zwecke zu missbrauchen. Es sei außerdem zu Verharmlosungen des Holocaust gekommen.

Rund 400 Anzeigen und mehrere Festnahmen

Wiens stellvertretender Landespolizeipräsident Eigner zog auch Bilanz in Zahlen. Laut seinen Ausführungen bei der Pressekonferenz am Sonntag gab es rund 400 Anzeigen, darunter 36 strafrechtliche, zwölf nach dem Verbotsgesetz und sechs Festnahmen. Die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bezifferte er auf Nachfrage mit 40.000 und berief sich dabei auf Schätzungen anhand von Luftaufnahmen.

Demonstration in Wien
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Zwischen 40.00 und 100.000: stark unterschiedliche Schätzungen zu Teilnehmerzahl

Schließlich beobachtete auch Eigner bei der Großkundgebung – und bereits in deren Vorfeld – eine Tendenz zur Radikalisierung. Es habe „massive Gewaltaufrufe“ gegeben. Einem Beamten sei schließlich versucht worden, die Dienstwaffe zu entreißen, einer sei mit einer unbekannten Flüssigkeit besprüht worden, Piloten von Hubschraubern über der Demonstration seien aus der Menge mit Lasern geblendet worden.