Schülerinnen kurz vor Schulbeginn vor einem Gymnasium in Wien
APA/Roland Schlager
„Wie normaler Schultag“

Großteil nimmt an Präsenzunterricht teil

Präsenzunterricht mit der Möglichkeit, zu Hause zu bleiben: Dieses Modell hat ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann für den vierten Lockdown für die Schulen gewählt. Das sorgt bei einigen Schülern, Lehrern und Eltern angesichts der hohen Inzidenz der Fünf- bis 14-Jährigen von über 2.100 für Kritik. Nach Angaben des Bildungsministeriums waren vorläufigen Zahlen zufolge rund 75 Prozent der Schüler in den Klassen.

Es habe sich wie ein „ganz normaler Schultag“ angefühlt, sagte eine Wiener AHS-Direktorin gegenüber Ö1. Tendenziell kamen an den Volksschulen in manchen Bundesländern weniger Kinder, an den Sekundarstufen waren überdurchschnittlich viele Kinder anwesend. Inzwischen ist die Impfung für über Elfjährige offiziell zugelassen, auch Kinder ab fünf werden mittlerweile schon geimpft. Eine Umfrage der Bundesschülervertretung an den Oberstufenschulen kam auf eine Anwesenheitsquote von rund 90 Prozent. Rechnet man jene Schülerinnen und Schüler weg, die krank oder in Quarantäne sind, kamen also fast alle. Allerdings gibt es Unterschiede je nach Bundesland.

Die Vorarlberger Bildungsdirektion etwa bestätigte gegenüber dem ORF, dass ein Großteil der Schülerinnen und Schüler am Präsenzunterricht teilgenommen habe. Aufgrund des Infektionsgeschehens gibt es aber bereits Schulen, die die Eltern bitten, ihre Kinder zu Hause zu lassen – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Ein ähnliches Bild zeigte sich in den Schulen in der Steiermark – mehr dazu in steiermark.ORF.at. In Wien kamen laut NEOS-Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr zwischen 70 und 90 Prozent in die Schule – mehr dazu in wien.ORF.at. Auch im Burgenland waren die Schulen äußerst gut besucht – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Situation an den Schulen

Österreich geht in den Lockdown, die Schulen und Kindergärten bleiben offen. Für Schüler findet Präsenzunterricht nach dem regulären Stundenplan statt, zu Hause zu bleiben ist aber erlaubt. Die Regelung wirft viele Fragen auf und verunsichert

Klarstellung für Schulbetrieb in Oberösterreich

In den beiden Bundesländern mit besonders hohen Inzidenzen kamen weniger Schüler in die Schule – in Salzburg war das laut Bildungsministerium die Hälfte. Nach Angaben der Salzburger Bildungsdirektion kamen allerdings rund drei Viertel aller Schüler in den Präsenzunterricht – mehr dazu in salzburg.ORF.at. In Oberösterreich kamen 60 bis 70 Prozent der Schüler – mehr dazu in ooe.ORF.at. Am Wochenende war die Verunsicherung im Vorfeld groß.

Vor allem in Bundesländern mit hoher Inzidenz wie in Oberösterreich sind die Rufe nach Distance-Learning für alle laut. Entsprechend musste etwa die oberösterreichische Bildungsdirektion mit einer Klarstellung zum Schulbetrieb ausrücken, da einige Schulen „eigenmächtig Distance-Learning“ verfügten. Das habe keinerlei rechtliche Grundlage und sei daher nicht möglich, hieß es in dem Schreiben: „Eine Umkehr der Kommunikation, von der Abmelde- zur Anmeldepflicht, übt unnötigen Druck auf Eltern aus (…).“

Nach Meldung der ersten Zahlen für den Schulbesuch zeigte sich Faßmann zufrieden: „Es zeigt sich, dass die Bevölkerung sehr verantwortungsvoll mit unserem Modell umgeht.“ Die Eltern hätten „Vertrauen in unser System und sind froh, dass die Kinder getestet werden“.

Vorstoß für leichteres Distance-Learning

Dennoch wurden von Direktoren- und Lehrerseite Forderungen laut, dass am Schulstandort direkt über das Schließen von Klassen bzw. die Umstellung auf Distance-Learning entschieden werden kann. Die Politik überlässt den Eltern die Entscheidung, ob sie ihre Kinder in die Schule schicken. Das sorgte für Kritik. Ein Schulleiter sprach gegenüber der APA von einer „unzumutbaren Entscheidung“ für die Eltern.

Derzeit versuchen offenbar die Bildungsreferentinnen und -referenten der Bundesländer gemeinsam mit den Gesundheitsbehörden, Bildungs- und Arbeitsministerium, den Unmut abzufedern. Geplant ist, Klassen ab einer gewissen Zahl positiver Fälle seitens der Bildungsdirektionen behördlich verordnet ins Distance-Learning zu schicken. Damit würden Eltern, die ihre Kinder angesichts des Infektionsrisikos freiwillig zu Hause betreuen, wieder Anspruch auf Sonderbetreuungszeit und die Arbeitgeber Anspruch auf Entgeltfortzahlung bekommen. Noch aber laufen die entsprechenden Abstimmungen.

Bildungsminister Heinz Faßmann
APA/Herbert Neubauer
Faßmann gibt den Eltern drei Entscheidungskriterien für den Schulbesuch mit auf den Weg

„Modell in dieser Phase richtig“

Die Befürworter von offenen Schulen argumentieren mit der relativen Sicherheit durch regelmäßige Tests. Auch Faßmann führt diese Tests in seiner Argumentation für offene Schulen an. Zudem will er die Belastung für Familien aus den vorangegangen Lockdowns reduzieren: „Das Modell ist in dieser Phase richtig.“ Bei früheren Lockdowns waren die Schulen nur für Notbetreuung geöffnet. Faßmann: „Aber Betreuung ohne Inhalt – den ganzen Tag nur spielen –, das geht letztlich auch nicht.“

Zugleich schloss Faßmann trotz seines Eintretens für offene Schulen im Ö1-Morgenjournal die Bitte an, „dem übergeordneten Ziel der Kontaktreduktion Folge zu leisten“. Schüler, die zu Hause bleiben, sollen mit Lernpaketen versorgt werden. Die Entscheidung liege nun bei den Eltern, die am besten wüssten, was für ihr Kind gut ist. Eine eindeutige Empfehlung für die Eltern wollte Faßmann auch am Montag nicht aussprechen. Er gab ihnen drei Entscheidungskriterien mit auf den Weg: die eigene Erwerbstätigkeit, die beste Lernumgebung für das Kind und die Inzidenzlage in der Umgebung.

Situation „außer Kontrolle“

In einem offenen Brief – von über 100 Eltern-, Schüler-, Lehrervertretern und Wissenschaftlern unterzeichnet – wurde 14 Tage Distance-Learning für die Schulen gefordert – in Verbindung mit Betreuung im Bedarfsfall. Die Situation sei „außer Kontrolle“. Der Wiener Bildungsdirektor Heinrich Himmer (SPÖ) will den Eltern und Schülern die Entscheidung eines Schulbesuchs nicht abnehmen. Er garantiere aber, dass an den Schulen „kein größeres Risiko als bisher“ eingegangen werde – mehr dazu in wien.ORF.at.

In den Schulen gilt durchgehend Maskenpflicht: Kinder in Volksschulen, AHS-Unterstufen, Mittelschulen und Sonderschulen müssen zumindest einen Mund-Nasen-Schutz (MNS) tragen, alle anderen Schüler sowie Lehrer eine FFP2-Maske. Die Maske muss auch im Unterricht getragen werden, beim Lüften sind Maskenpausen einzuplanen. Wer in die Schule kommt, muss sich wie bisher dreimal die Woche testen lassen (ausgenommen sind nur Genesene). Gibt es einen Infektionsfall, müssen alle anderen Schülerinnen und Schüler fünf Tage lang täglich zumindest einen Antigen-Test durchführen.

Ist das Risiko zu groß, werden Klassen geschlossen. In Wien sind das derzeit rund 100, in Kärnten 48. In Kärnten sind auch fünf Schulen von der Schließung betroffen – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Erlass gibt Spielraum

Im Vorfeld gab es heftige Kritik von Lehrervertretern an der fehlenden Klarheit und große Verunsicherung. Raum für Interpretation gibt der Erlass des Unterrichtsministeriums etwa bei der Frage, ob Schularbeiten und Tests stattfinden werden. Faßmann: „Die Intention ist klar. In dieser Zeit geht es um Vertiefung und Wiederholung. Schularbeiten sind derzeit nicht durchzuführen, außer es sind alle im Präsenzunterricht.“

Isabella Zins, Sprecherin der AHS-Direktoren und -Direktorinnen, sagte gegenüber Ö1, sie könne mit dem Erlass und dem Spielraum, den er gibt, leben: „Wenn Schüler und Lehrer eine Schularbeit schreiben wollen, wird das ermöglicht.“ Man müsse aber zwischen Unter- und Oberstufe unterscheiden. „Die Schulen werden aus der Situation das Beste machen“, sagte Zins.

Unterschiedlicher Umgang mit Schularbeiten

Die dehnbare Auslegung von Tests und Schularbeiten führte aber zu einer Flut an Elternbriefen, wie die APA berichtete. Demzufolge dürften die Schulen mit dieser Frage unterschiedlich umgehen. An der einen Schule sollen Schularbeiten zumindest in den ersten Tagen mit den entsprechenden Schutzbestimmungen durchgeführt werden, da sich die Kinder ja schon darauf vorbereitet hätten. Andere sagen diese ab, wiederum andere machen die Entscheidung klassenweise von der Rückmeldung der Eltern bzw. der geplanten Anwesenheit der Schüler abhängig.

Ziemlich einig sind sich die Lehrer und Lehrerinnen, dass gestreamter Hybridunterricht und damit Distance-Learning für die Schüler zu Hause nicht möglich sei. Einzig das Burgenland kündigte Hybridunterricht mit Präsenz und Stream an. Bei den Lern- und Arbeitspaketen, die den Schülern zu Hause zur Verfügung gestellt werden sollen, handelt es sich laut APA vor allem um die Information über die in dieser Zeit geplanten bzw. durchgenommenen Kapitel bzw. Beispiele in den Büchern sowie die Hausübungen. Das sei aber in den Volksschulen einfacher als in AHS, hieß es von einer Wiener AHS-Direktorin im Ö1-Mittagsjournal.

Faßmann: Vorbereitungen schon im Sommer

Faßmann nahm am Montag noch einmal Stellung zur Kritik vor allem von Lehrerseite an der Kurzfristigkeit und der mangelnden Kommunikation mit den Schulen. „Es ist mir bewusst, dass wenig Zeit für die Vorbereitung ist. Weil man sich entschuldigt, entschuldige ich mich dafür“, sagte Faßmann im Ö1-Morgenjournal. Es sei aber nicht seine alleinige Schuld. Er habe selbst erst Freitagfrüh von dem neuerlichen Lockdown erfahren.

Zudem habe das Unterrichtsministerium bereits im Sommer begonnen, Laborplätze zu reservieren, damit die Schulen bei den PCR-Tests bevorzugt werden. Damit beteilige sich die Schule an der Pandemiebekämpfung. „Da kann man mir nicht vorwerfen, dass ich nichts getan hätte.“

Insgesamt wurden über das vom Bildungsministerium organisierte „Alles spült“-Programm in der vergangenen Woche insgesamt rund 800.000 Tests abgenommen, davon sind in der vergangenen Woche 0,5 Prozent positiv ausgefallen. Das war im Wochenvergleich ein Anstieg von 3.500 auf 5.437 positive PCR-Ergebnisse. Dementsprechend gestiegen ist auch die Zahl der CoV-bedingten Schul- bzw. Klassenschließungen: So waren mit Stand von Montag 16 der rund 6.000 Schulen wegen gehäufter Infektionen zu (Woche davor: vier), dazu kamen noch 492 der insgesamt rund 58.000 Klassen (Woche davor: 159). Eine neue Studie aus Wien ergab, dass jede zweite Coronavirus-Infektion bei Kindern und Jugendlichen unentdeckt bleibt. Fachleute plädieren deshalb dafür, das PCR-Test-System in Schulen weiter auszubauen – mehr dazu in science.ORF.at.