Pfizer-Impfstoffe
Reuters/Hannibal Hanschke
Deutschland, Italien und Co.

Heftige Debatten über Impfpflicht

Während in Österreich mit Februar eine Impfpflicht gelten soll, gibt es in anderen europäischen Ländern heftige Debatten über deren Einführung. In Deutschland nimmt derzeit die Auseinandersetzung darüber an Fahrt auf. Auch in Italien wird darüber diskutiert – für bestimmte Berufsgruppen herrscht bereits die Pflicht zur CoV-Impfung. In Großbritannien hingegen lehnt die Regierung von Boris Johnson eine Impfpflicht kategorisch ab – Impfen sei Privatsache, heißt es dort.

In Deutschland wird derzeit eine CoV-Impfpflicht heftig diskutiert. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte am Sonntagabend in der Sendung „Die richtigen Fragen“ des TV-Senders der „Bild“-Zeitung: „Ich würde das auf keinen Fall mehr ausschließen und tendiere dazu zu sagen: Das hilft uns jetzt nicht akut, aber wir müssen uns einer Impfpflicht nähern.“ Auf Twitter schrieb Lauterbach, die derzeitige CoV-Politik in Deutschland sei „erfolglos“. Es sei zu spät reagiert worden.

Auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) kann sich laut dpa angesichts der stark steigenden CoV-Zahlen eine allgemeine Impfpflicht vorstellen. „Ich war immer eigentlich ein Gegner einer Impfpflicht“, sagte er Montagfrüh dem Deutschlandfunk. „Ich glaube aber inzwischen, (…), dass wir relativ schnell über dieses Thema sprechen müssen.“ Eine Impfpflicht werde nicht heute und morgen helfen, aber sie sei der Weg aus der Pandemie.

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek
Reuters/Lukas Barth
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) macht wie Söder Druck für eine Impfpflicht

Impfpflicht, „um gesellschaftlichen Frieden zu schaffen“

„Ich persönlich bin inzwischen als Ultima Ratio tatsächlich für diese allgemeine Impfpflicht“, so Holetschek. Darüber müsse relativ schnell in Berlin gesprochen werden – es brauche eine bundeseinheitliche Lösung. In der vergangenen Woche hatte der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) für eine allgemeine Impfpflicht plädiert.

Die CSU-Spitze steht nach Worten Söders von Montag klar hinter der Forderung nach einer allgemeinen Impfpflicht. Es habe dafür große Zustimmung gegeben, sagte Söder nach einer Videokonferenz des CSU-Vorstands in München. Es habe niemanden gegeben, der eine Impfpflicht abgelehnt hätte.

Auf Dauer werde nur eine allgemeine Impfpflicht helfen, sagte Söder. Auf Dauer sei das auch der Weg, um gesellschaftlichen Frieden zu schaffen. Eine partielle Impfpflicht schaffe Ungerechtigkeit. „Ich glaube, wir sollten jetzt die Debatte führen“, so Söder. Die Impfpflicht müsse dann rechtzeitig vor der nächsten Welle kommen.

Merkel fällt keine Entscheidung mehr

Aus der aktuellen Debatte will sich die scheidende deutsche Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) heraushalten. Diese Diskussion über eine etwaige Impfpflicht sei jetzt aufgekommen, da deutlich geworden sei, dass man mit Aufklärung und Werben für die Impfung allein nicht weiterkomme, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.

In Hinblick auf die für übernächste Woche geplante Bildung einer neuen Regierung – einer „Ampelkoalition“ aus SPD, Grünen und FDP – fügte er hinzu: „Eine Entscheidung darüber gibt es jetzt nicht, und sie würde auch von dieser Bundesregierung nicht mehr gefällt.“

Slowakei: Vorstoß für Impfpflicht für Senioren

In der Slowakei trat am Montag ein Lockdown für Ungeimpfte in Kraft. Die Slowakei hat eine der höchsten Infektionsraten der Welt und eine der niedrigsten Impfraten der EU. „Wir haben einen Lockdown für Ungeimpfte beschlossen, weil wir sie schützen müssen“, sagte Ministerpräsident Eduard Heger im Sender RTVS. Heger setzt nicht auf eine allgemeine Impfpflicht. Er setzt sich allerdings für eine Impfpflicht für Senioren ein.

In Ungarn spricht man sich derzeit gegen eine generelle Impfpflicht aus. Eine Impfpflicht, die im Gesundheitswesen bereits länger besteht, wird nun auf den öffentlichen Dienst ausgeweitet.

Italien: Sozialdemokraten für Impfpflicht

Auch in Italien wird über eine Impfpflicht diskutiert. Die Sozialdemokraten (PD), die drittstärkste Regierungspartei, sprechen sich für die Einführung einer Impfpflicht nach österreichischem Vorbild aus. „Österreich ist das erste Land in Europa, das die Impfpflicht eingeführt hat. Auch in Italien sollte eine Pflichtimpfung zum Schutz vor dem Virus notwendig sein. Heute ist die Zeit zum Handeln“, so Paola De Micheli, Abgeordnete der PD.

Zuvor hatte sich Industriellenchef Carlo Bonomi angesichts steigender Ansteckungszahlen für eine Impfpflicht für die gesamte Bevölkerung ausgesprochen. Diese besteht in Italien bereits für das Gesundheitspersonal und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Seniorenheimen. „Das Einzige, was uns Sicherheit geben kann, ist die Impfpflicht, und das ist ein Weg, über den ernsthaft nachzudenken wir den Mut haben müssen“, so Bonomi, Chef des Industriellenverbands Confindustria, am Freitag in Florenz.

Italienischer Polizist
Reuters/Guglielmo Mangiapane
In Italien könnte es bald eine Impfpflicht für Polizisten geben

Regierung für Ausdehnung auf weitere Berufsgruppen

Gesundheitsstaatssekretär Andrea Costa sprach sich vor dem Wochenende für eine Ausdehnung der Impfpflicht auf bestimmte Berufsgruppen aus. „Italien war das erste Land, das eine Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen eingeführt hat. Wir müssen darüber nachdenken, ob wir das nicht auch mit anderen Berufsgruppen tun sollten, mit denjenigen, die mit der Öffentlichkeit in Kontakt stehen“, zum Beispiel der Polizei, Angestellten der öffentlichen Verwaltung, Lehrpersonal und Beschäftigten im Großhandel. „Das werden wir anhand der Daten prüfen müssen, aber wir müssen mit Zuversicht in die Zukunft blicken und uns weiterhin an die Regeln halten“, so Costa gegenüber RAI Radio 1.

„Wir haben uns nicht für eine Impfpflicht entschieden, weil wir uns für ein Vertrauensverhältnis zu den Bürgern entschieden haben“, fügte Costa hinzu. 86 Prozent der italienischen Bevölkerung hätten mindestens eine Impfdosis erhalten. Die Kampagne für die dritte Dosis geht schon seit Wochen. Die Regierung prüft derzeit auch eine Impfpflicht zur dritten Dosis für das Gesundheitspersonal.

Impfpflicht für alle „eine extreme Option“

Seit Mai gilt in Italien allerdings bereits eine Impfpflicht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen und in Seniorenheimen, die bisher zwei Dosen erhalten haben. Die Dauer des „Grünen Passes“ soll für geimpfte Personen ab Anfang Dezember von zwölf auf neun Monate verkürzt werden, erwägt die Regierung. Damit sollen die Bürgerinnen und Bürger zur dritten Dosis motiviert werden.

Der Koordinator des wissenschaftlich-technischen Ausschusses, Franco Locatelli, der das Gesundheitsministerium berät, sagte, dass das Thema der Impfpflicht offen sei. „Italien hat eine der günstigsten Situationen in ganz Europa, aber die Ansteckungszahlen erfordern Aufmerksamkeit und müssen mit allen notwendigen Sicherheitsvorkehrungen bewertet werden“, so Locatelli. Daher sollten unter den Maßnahmen, die umgesetzt werden könnten, „Formen der obligatorischen Impfung für bestimmte Berufsgruppen“ sein. Die Impfpflicht für alle bezeichnete Locatelli als „eine extreme Option“.

Britischer Gesundheitsminister Sajid Javid
Reuters/Henry Nicholls
Der britische Gesundheitsminister Sajid Javid will von einer Impfpflicht nichts wissen

Großbritannien: Menschen „ermutigen“

Die britische Regierung unter dem Konservativen Boris Johnson lehnt eine allgemeine CoV-Impfpflicht ab. Sich impfen zu lassen sei eine persönliche Entscheidung, sagte Gesundheitsminister Sajid Javid am Sonntag der BBC. „Es liegt an Österreich und anderen Ländern zu entscheiden, was sie tun müssen. Wir haben das Glück, dass es in diesem Land viel weniger Menschen gibt, die bei Impfungen zögern, als andernorts“, so der britische Gesundheitsminister.

„Falls Leute etwas zurückhaltend sind, sollten wir mit ihnen zusammenarbeiten und sie ermutigen“, sagte Javid. Seit Mitte November muss das Personal in britischen Pflegeheimen vollständig geimpft sein, für Frühling hat die Regierung zudem eine Impfpflicht für Beschäftigte des englischen Gesundheitsdiensts NHS angekündigt.

Ungeimpfte dürfen dann keinen Kontakt mit Patienten mehr haben, daher droht vielen Menschen die Entlassung. „Was eine Impfpflicht für die allgemeine Bevölkerung angeht, so glaube ich nicht, dass wir das jemals in Betracht ziehen würden“, sagte Javid.