Cannabis Pflanze
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Cannabislegalisierung

Nachbarländer gehen in die Offensive

In einigen europäischen Staaten zeichnet sich derzeit eine Freigabe von Cannabis ab. Auch in Deutschland, Italien und der Schweiz wird trotz Warnungen debattiert. Das Ziel ist klar: Der Schwarzmarkt soll ausgetrocknet werden, zudem winken dem Fiskus Zusatzeinnahmen. Doch werden auch eindringliche Warnungen laut.

In den USA ist es mittlerweile in 19 Bundesstaaten erlaubt, Marihuana zu kaufen und zu konsumieren. Die großen Marihuana-Unternehmen gingen an die Börse und machen dort Gewinne und Verluste, genau wie andere Unternehmen auch. In Colorado ist Marihuana seit 2014 legal. Im Vorjahr nahm der Bundesstaat laut Medienberichten 387 Millionen Dollar (344 Mio. Euro) an Steuern und Gebühren daraus ein.

Auch Kanada erlaubte 2018 den Konsum von Cannabis, bis zu 30 Gramm und vier Pflanzen darf eine volljährige Person besitzen. Der Umsatz in der Branche wird heuer rund vier Milliarden US-Dollar betragen, so das Analyseunternehmen BDS – ein Markt, in den viele auch nicht branchenverwandte Firmen einsteigen wollen. So verkündete der Fahrdienstleister Uber am Montag, er werde künftig in Ontario auch Marihuana-Lieferungen übernehmen. Dazu soll Uber Eats Produkte der Firma Tokyo Smoke an die Kundschaft liefern.

Deutsche „Ampelkoalition“ will Freigabe

Auch in Europa verstärkt sich – vielen gesundheitlichen Warnungen zum Trotz – derzeit der Trend zur Legalisierung und Entkriminalisierung. In den vergangenen Jahren hatten sich einige Staaten eher vorsichtig an die Entkriminalisierung bzw. den Konsum für medizinische Zwecke herangewagt.

So ist in Tschechien seit 2010 ist der Konsum von Cannabis und der Besitz zum Eigenbedarf erlaubt. In Belgien wird seit 2003 der Besitz von Cannabis zum persönlichen Gebrauch nicht mehr strafrechtlich verfolgt. In Spanien gilt der Konsum kleinerer Mengen als Ordnungswidrigkeit, in Portugal Besitz und Konsum. In den Niederlanden sind weder Besitz, Anbau noch Verkauf von Cannabis legal, auch hier wird der persönliche Gebrauch aber nicht verfolgt. Weil Konsum und Kiffertourismus ausuferten, gibt es nun in den Niederlanden Pilotprojekte, den Anbau in staatliche Hände zu legen.

Manche Länder rund um Österreich wollen nun aber weitergehen. In Deutschland stehen die Zeichen derzeit auf Freigabe: Die künftigen Koalitionspartner SPD, Grüne und FDP dürften eine „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ anpeilen, wie es in einem geleakten Arbeitspapier heißt. Dadurch könnten die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet werden. Nach vier Jahren solle das entsprechende Cannabisgesetz auf „gesellschaftliche Auswirkungen“ überprüft werden.

Ob es tatsächlich dazu kommt, wird sich erst in einem Koalitionsvertrag zeigen. Dieser soll in der Adventzeit auf den Tisch kommen. Derzeit ist Cannabis in Deutschland für medizinische Zwecke erlaubt und darf von Ärztinnen und Ärzten verschrieben werden, etwa zur Schmerzlinderungen bei Schwerkranken.

Sorge vor mehr Sucht und mehr Kriminalität

Viel Kritik an der möglichen Freigabe für die Massen wurde schon vorab laut. CDU und CSU sprachen sich gegen die Legalisierung aus. Es gebe genug negative Beispiele wie die Niederlande, wo die Clankriminalität in Verbindung mit dem Cannabishandel explodiert sei, so etwa Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Der CSU-Generalsekretär Markus Blume nannte die mögliche Legalisierung ein „gefährliches Experiment“. Die Wirkung als Einstiegsdroge werde verharmlost. Bayern lehnt auch jegliche Cannabislegalisierung ab.

Auch deutsche Fachleute warnten vor dem Schritt. Der Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters, Rainer Thomasius, sagte, eine Legalisierung würde psychische Störungen und gesundheitliche Probleme vor allem bei Jugendlichen verschärfen. „Länder wie die USA, Kanada und Portugal, die Cannabis legalisiert haben, zeigen, dass der Konsum im Zusammenhang mit der Legalisierung um etwa 30 Prozent steigt und die damit verbundenen psychischen Störungen um etwa 25 Prozent höher liegen als in Staaten ohne Legalisierung“, so Thomasius der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

Die Drogenbeauftragte der scheidenden Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU), sagte. „Zugunsten eines vermeintlichen Zeitgeistes die Gesundheit der Bevölkerung zu riskieren kann und sollte nicht Ziel der neuen Bundesregierung sein.“ Regelmäßiger Konsum könne zu schweren psychischen Störungen führen – insbesondere bei Jugendlichen, die sich noch in der körperlichen Entwicklung befänden. „Kiffen ab 18 ist alles andere als harmlos und gibt außerdem keine Antwort auf die Frage nach besserem Jugendschutz“, sagte Ludwig.

Gegenargumente von Polizei und Gewerbetreibenden

Doch es gibt auch gewichtige Stimmen, die sich für die Freigabe in Deutschland aussprechen. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) etwa sprach sich für ein Ende des Verbots aus. „Wir als Verband wollen die Konsumierenden von Cannabis entkriminalisieren“, sagte der kommissarische BDK-Vorsitzende Dirk Peglow der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag-Ausgabe). Der Besitz eines Joints solle nur noch mit einem Bußgeld bestraft werden.

Begriffsklärung

Cannabis: Cannabis heißt die Sorte der Hanfgewächse
Marihuana: getrocknete, harzhaltige Blüten und Blätter der weiblichen Hanfpflanze
Haschisch: gepresstes Harz der Pflanze, mit höherem Wirkstoffgehalt als Marihuana

Eine Legalisierung würde dem deutschen Fiskus einer Studie zufolge jedenfalls 4,7 Milliarden Euro bringen. Die Summe setze sich aus zusätzlichen Steuereinnahmen, Sozialversicherungsbeiträgen und Einsparungen bei Strafverfolgung und Justiz zusammen, errechnete der Wettbewerbsökonom Justus Haucap in einer vom Deutschen Hanfverband vorgestellten Studie. Demzufolge würde allein eine Cannabissteuer 1,8 Milliarden Euro bringen. Hinzu kämen dann noch Körperschafts-, Gewerbe- und Umsatzsteuern, Sozialbeiträge und Lohnsteuer sowie rund 27.000 neue Arbeitsplätze.

Italien will abstimmen

Auch in Italien gibt es derzeit Initiativen zur Legalisierung des privaten Konsums. Im Rahmen einer Referendumskampagne zur Legalisierung des Cannabisanbaus wurden bis Ende September 500.000 digitale Unterschriften gesammelt. Die Volksbefragung könnte im Frühjahr stattfinden. Die Ausgaben für den Konsum verbotener Substanzen in Italien bezifferten die Initiatoren der Referendumskampagne auf jährlich 16,2 Milliarden Euro, die direkt dem organisierten Verbrechen zufließen würden. Davon stammten 6,3 Milliarden Euro (39 Prozent der Gesamtsumme) aus dem Schwarzmarkt der Cannabinoide.

Pilotprojekte in der Schweiz

In der Schweiz wird Cannabis ab nächstem Jahr in Pilotprojekten legal verkauft. Schon vor einem Jahr wurde das Betäubungsmittelgesetz angepasst. Nun beginnen bald in mehreren Großstädten Pilotprojekte, bei denen Cannabis zu Genusszwecken verkauft wird. Parallel will das Parlament das Verbot von Cannabis aufheben und arbeitet daran, Anbau, Handel und Konsum neu zu regeln. So können sich etwa Apotheken und Clubs bei der Stadt Zürich melden, die an dem Pilotversuch „Züri Can – Cannabis mit Verantwortung“ teilnehmen wollen. Die Stadt Basel will mit dem Verkauf in Apotheken Mitte nächsten Jahres beginnen. Das Projekt ist dort auf drei Jahre angelegt. Alle Projekte sollen wissenschaftlich begleitet werden.

Besucher beim CannaTrade 2021
APA/AFP/Stefan Wermuth
Auf der heurigen Cannabismesse in Bern: Die Schweiz bereitet sich auf eine kontrollierte Freigabe vor

In der Schweiz konsumieren rund 300.000 Personen regelmäßig Cannabis. Trotz Verbots nimmt der Konsum nicht ab, der Schwarzmarkt floriert, und es gibt keine Qualitätskontrolle und folglich auch keinen Konsumentenschutz. Nur eine sinnvolle gesetzliche Regelung wird diesen allgemein bekannten Problemen begegnen können, lautet inzwischen der politische Tenor.

Kein Tabu mehr in Europa

Auch Luxemburg stellte kürzlich seine Pläne vor, den Anbau von Cannabis in kleinerem Maßstab für den Eigenbedarf zu erlauben. Demzufolge sind künftig daheim und pro Haushalt bis zu vier Cannabispflanzen erlaubt. Der Besitz und der Konsum von Cannabis in der Öffentlichkeit bleiben aber weiterhin verboten.

Malta plant ebenso, den privaten Cannabiskonsum zu legalisieren. Ziel ist es, der Mafia eine wichtige Einnahmequelle zu entziehen, hieß es von der Regierung. Hauptgrund der Legalisierung des Konsums und des Besitzes geringer Mengen sei es dagegen nicht, „die Kultur oder den Konsum von Cannabis zu fördern“, sondern den Schaden zu verringern, der durch Drogenhandel verursacht werde. Laut dem Gesetzesentwurf bleibt der Cannabishandel eine schwere Straftat. Der begrenzte persönliche Konsum durch Erwachsene soll dagegen vollständig legalisiert werden.

Keine Änderung in Österreich

In Österreich ist keine Änderung in Sicht. Das vorerst letzte Mal, als das Thema debattiert wurde, war vor rund drei Jahren. Damals wollte das Gesundheitsministerium per Erlass CBD-Produkte in Nahrungsmitteln und Kosmetika verbieten. Das Cannabinoid CBD wird aus der Hanfpflanze gewonnen, genau wie das Cannabinoid THC. Es wirkt aber nicht psychoaktiv und hat laut Urteil des Europäischen Gerichtshofs offenbar keine psychotropen Wirkungen oder schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Für die EU-Kommission aber ist CBD ein Suchtstoff. In Österreich sind nun Kauf, Besitz und Konsum von CBD erlaubt, solange der THC-Wert unter dem Grenzwert von 0,3 Prozent liegt.

Das Thema Cannabis ist politisch in Österreich kein Thema, das Wort kommt im Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen nicht vor. Die Grünen zeigten sich wiederholt aufgeschlossen für eine Legalisierung, zuletzt im Wahlkampf in Oberösterreich. Die ÖVP lehnt eine Freigabe strikt ab, sie spricht sich auch gegen die Verschreibung für medizinische Zwecke aus.