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Prognose

Bis zu 400.000 in Kurzarbeit erwartet

In den aktuellen Arbeitsmarktdaten spiegelt sich der aktuelle Lockdown – noch – nicht wider. Daraus dürfe man aber keine falschen Schlüsse ziehen, sagte ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Kocher und der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), Gabriel Felbermayr, erwarten in den nächsten Wochen bis zu 400.000 Menschen in Kurzarbeit.

Derzeit sind knapp 78.000 zur Kurzarbeit angemeldet. Die Kurzarbeit kann aber bis zu zwei Wochen rückwirkend beantragt werden. Kocher rechnet damit, dass der Großteil das Modell der CoV-Kurzarbeit in Anspruch nehmen wird. Die Kurzarbeit werde „nach derzeitigen Einschätzungen nicht auf 500.000 Anmeldungen steigen, sondern sich etwa in ähnlichem Ausmaß wie im letzten Winter bewegen“, sagte der Arbeitsminister.

„Nicht vorstellen“ könne er sich, dass es schon für Mitarbeiter im ersten Monat die Möglichkeit der Kurzarbeit gibt, was vor allem von Betrieben mit vielen Saisonmitarbeitern gefordert worden war. Kocher: „Dann hätten wir ein massives Missbrauchsproblem.“

Grafik zur Kurzarbeit
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Arbeitsministerium

Bis zu 30.000 Arbeitslose mehr erwartet

Auf die aktuellen Arbeitslosenzahlen wirkt sich der aktuelle CoV-Lockdown ebenfalls noch nicht stark aus. Derzeit sind laut Arbeitsministerium 277.508 Personen arbeitslos gemeldet, ein Anstieg von 5.652 Arbeitslosen im Vergleich zur Vorwoche. Zusätzlich befinden sich derzeit 73.160 Personen in AMS-Schulungen.

Felbermayr erwartet bis Weihnachten einen Zuwachs von 20.000 bis 30.000 Arbeitslosen. Laut Kocher ist in den kommenden Wochen aber auch ein Anstieg der Arbeitslosigkeit aufgrund saisonaler Effekte zu erwarten. Dieser Trend werde nun durch den Lockdown verstärkt.

Kocher: „Aber die Arbeitslosigkeit wird aller Voraussicht nach klar unter dem Niveau vom Winter 2020/2021 bleiben.“ Ein völliges Aussetzen der Sanktionen des Arbeitsmarktservice (AMS) kann sich Kocher „nicht vorstellen“. Dafür gebe es auch zu viele offene Stellen. Aber das AMS werde in Lockdown-Zeiten weniger Sanktionen verhängen.

Arbeitsminister Martin Kocher und WIFO-Direktor Gabriel Felbermayr während einer Pressekonferenz.
APA/Herbert Neubauer

Kocher sagte, er hoffe, dass die Kurzarbeit „weiter die Wahl der Betriebe ist“, um einen stärkeren Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian appellierte am Dienstag an die Arbeitgeber, von der staatlich gestützten Kurzarbeit Gebrauch zu machen und kein Personal abzubauen: „Die Sozialpartner arbeiten auf Hochtouren gemeinsam mit der Bundesregierung daran, dieses Kriseninstrument, das mehr als 1,3 Millionen Arbeitsplätze gerettet hat, erneut weiterzuentwickeln.“

„Nicht notwendigerweise 2-G“ am Arbeitsplatz

Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit hängt auch mit der weiteren CoV-Lage und der Entwicklung des Lockdowns zusammen. Felbermayr: „Die beste Konjunkturpolitik derzeit besteht darin, das Infektionsgeschehen in den Griff zu bekommen.“ Die Dauer des Lockdowns spiele dabei eine essenzielle Rolle. Zudem müsse nun sofort dafür gearbeitet werden, die Impflücke zu füllen und die österreichweite PCR-Test-Infrastruktur aufzubauen.

Mit Blick auf die für Februar geplante Impfpflicht und die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt meinte Kocher, dass nun zunächst eine breite Diskussion über die konkrete Ausgestaltung notwendig sei. Am Arbeitsplatz müsse „nicht notwendigerweise 2-G“ herrschen, das sei aber von der Gesamtregelung abhängig, die noch auszuarbeiten sei.

Lockdown kostet mindestens 800 Mio. Euro pro Woche

Schon die vor dem bundesweiten Lockdown eingeführte 2-G-Regel habe im WIFO-Wirtschaftsindikator Spuren hinterlassen, sagte Felbermayr. Dieser liege derzeit 1,6 Prozent unter dem Schnitt von 2019. Noch teurer ist der Lockdown. Felbermayr: „Wir gehen davon aus, dass eine Woche Lockdown 800 Millionen Euro an Wertschöpfung kostet.“ Je näher Weihnachten rückt, desto eher könne dieser Wert auf 1,2 Mrd. pro Woche steigen. Felbermayr: „Das Ende des Jammertals liegt an der Entwicklung in Krankenhäusern.“

Im vergangenen Jahr habe es bis März gedauert, bis es zu einer Aufhellung der Konjunktur kam, sagte der Ökonom. Felbermayr rechnet nicht mehr damit, dass Österreich im kommenden Jahr ein Wirtschaftswachstum von fünf Prozent erreichen wird. Es werde sich im Bereich von vier Prozent einpendeln. Er hofft auf Lerneffekte aus den vorangegangenen Lockdowns, dass es nun schneller gehe: „Aber die Aussichten für die nächsten Wochen, wahrscheinlich Monate sind nicht gut.“

Forderungen von Gewerkschaft und Arbeiterkammer

Der Chef der Bau-Holz-Gewerkschaft und SPÖ-Politiker Josef Muchitsch warnte, dass „sich das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit weiter verschärfen wird“. Daher gehöre auch die „Aktion 40.000“ umgesetzt, „Beschäftigungsmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose im öffentlichen Dienst, in Bund, Ländern und Gemeinden sowie bei Hilfsorganisationen“.

Zudem werde die Gewerkschaft darauf beharren, „dass die Notstandshilfe weiterhin in Höhe des Arbeitslosengeldes ausbezahlt wird“. Dasselbe forderte Arbeiterkammer-Chefin Renate Anderl, da vom neuerlichen Lockdown vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Non-Food-Handel, in der Gastronomie, im Tourismus, in den Kultureinrichtungen und in der Veranstaltungsbranche schwer getroffen seien. Anderl erneuerte auch die Forderung nach einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes.