Christkindlmarkt ohne Besucher am Residenzplatz in Salzburg
ORF.at/Georg Hummer
Fachleute bremsen

Zweifel an raschem Lockdown-Ende

Nur wenige Tage nach Beginn des österreichweiten Lockdowns werden zunehmend Zweifel an einem baldigen Ende der Maßnahmen laut. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) beharrte am Mittwoch zwar auf dem angekündigten Lockdown-Ende nach höchstens 20 Tagen. Fachleute sehen unterdessen leicht sinkende Zahlen – das bedeute aber nicht automatisch, dass alle Maßnahmen aufgehoben werden könnten.

Mückstein hielt im Pressefoyer nach dem Ministerrat zwar am ursprünglichen Enddatum des Lockdowns fest – einen Zielwert bei den Neuinfektionen, den man zur Aufhebung des Lockdowns erreichen muss, wollte er allerdings nicht nennen. Er verwies lediglich darauf, dass laut Experten eine Kontaktreduktion um 30 Prozent erreicht werden müsse, damit die Positiv-Testungen zurückgehen.

Tatsächlich dürften sich die Maßnahmen in den Zahlen niederschlagen: Für den Komplexitätsforscher Peter Klimek etwa könnte ein „vorläufiger Höhepunkt“ bald erreicht sein, wie er gegenüber ORF.at sagte. Die Indikatoren, die man momentan habe, würden darauf hindeuten – dazu zählten etwa die weniger steile Wachstumsrate und ein Niveau der täglichen Neuinfektionen, das ungefähr jenem der Vorwoche entspreche.

Auch Simulationsforscher Niki Popper sieht zwar einen möglichen Abwärtstrend bei den neuen positiven Fällen: „Wir sehen jetzt in den Modellen, dass die Zahl der Positiv-Testungen bald zurückgehen sollte. Jetzt hoffen wir, dass das auch in der Realität so kommt, aber wir werden es in den nächsten Tagen sehen.“ Doch auf den Intensivstationen werde sich der Lockdown erst zeitverzögert widerspiegeln, so der Experte – mehr dazu in noe.ORF.at.

Intensivbetten „am Anschlag oder darüber hinaus“

Für Klimek stellt sich unterdessen die Frage, wohin man mit den Zahlen wolle – für ihn sieht es momentan so aus, dass die Intensivstationen „bis zum Jahresende“ am „Anschlag oder darüber hinaus“ seien werden. Deshalb brauche es eine „nachhaltige Senkung“, so der Experte. Man müsse sich daher überlegen, wie es bei einer Evaluierung des Lockdowns weitergehe. Vermutlich werde es „auch für Geimpfte kein Weitermachen wie im Sommer“ geben.

Intesivstation in einem Krankenhaus in Salzburg
APA/Barbara Gindl
In den Krankenhäusern ist demnächst wohl noch kein Aufatmen zu erwarten

Maßnahmen wie 2-G und 2-G Plus könnten damit weiter auf der Tagesordnung stehen – wenngleich es vorstellbar sei, dass man „punktuell, regional“ aus dem Lockdown herauskomme, so Klimek. Eine weitere Verschärfung der Maßnahmen halte er momentan nicht für nötig, um ein Abflachen der Infektionskurve zu erreichen. Die Situation wäre jetzt jedenfalls eine andere, würden die Zahlen weiterhin ungebremst steigen – auch wenn sich bei der „wesentlichen Problematik“ im Prinzip „nicht viel getan“ habe.

Gewisse Unsicherheit bei Zahlenlage

Der Komplexitätsforscher verwies auf eine mögliche weitere Hürde: Momentan sei nicht klar, wie verlässlich die Indikatoren sind, die den Expertinnen und Experten zur Verfügung stehen. Die Probleme in den Meldesystemen der letzten Tage könnten auch zu einem „künstlichen Abflachen“ geführt haben, Nachmeldungen und Änderungen beim Contact-Tracing könnten die Abflachung stärker wirken lassen, „als sie tatsächlich ist“. Das werde sich wohl erst in naher Zukunft klären.

Angesichts der Lage in den Spitälern rechnet unterdessen Christoph Steininger, Virologe an der MedUni Wien, nicht damit, dass der Lockdown für Geimpfte wie geplant mit dem 12. Dezember endet. Daran glaube er „ebenso wenig wie an das Christkind“, so der Mitbegründer der „Alles gurgelt“-PCR-Tests im „Kurier“ (Mittwoch-Ausgabe). Schon bald werde man die „kritische Grenze von 600 Intensivbetten erreichen“, so Steininger. In den kommenden zwei Wochen würden die Zahlen weiter steigen.

Mückstein hält an Lockdown-Ende fest

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) hält am geplanten Ende des bundesweiten Lockdowns am 13. Dezember fest. Danach könne es laut Mückstein allerdings in einzelnen Bundesländern und für Ungeimpfte weiterhin Ausgangsbeschränkungen geben.

Momentan werde der Lockdown einfach zu „wenig radikal gelebt, damit innerhalb von drei Wochen große positive Effekte auf den Intensivstation erzielt werden können“. Daher sei er „wenig optimistisch“, dass es Mitte Dezember wieder ein normales Leben zumindest für Geimpfte geben wird. „Das wird kaum möglich sein“, sagte der Virologe.

Mobilitätsreduktion bemerkbar

Erste Auswirkungen des Lockdowns und der bereits zuvor getroffenen Maßnahmen sieht das CoV-Prognosekonsortium: In der laufenden Kalenderwoche „ist ein Höhepunkt der vierten Epidemiewelle (…) wahrscheinlich“. Auch Abwasseranalysen und Mobilitätsdaten würden auf eine Stagnation des Infektionsgeschehens hindeuten, heißt es dort.

Auch das Prognosekonsortium gibt allerdings zu bedenken: „Aufgrund der hohen Belastung bzw. teilweiser Überlastung von Testinfrastruktur, Meldesystem und Kontaktpersonenverfolgung sind die aktuell gemeldeten Inzidenzen jedoch mit Unsicherheit behaftet. Entsprechend muss diese Prognose im Falle erheblicher Nachmeldungen in den nächsten Tagen neu evaluiert werden.“

Was die Auslastung der Krankenhäuser anlangt, verweisen die Expertinnen und Experten auf den „Zeitverzug zwischen Infektionserwerb und Hospitalisierung“. Aufgrund dessen sei „in den nächsten 14 Tagen noch nicht mit einer Entspannung in den Spitälern zu rechnen und ein weiterer Anstieg des ICU-Belags wahrscheinlich“.

Dieser könnte dann in der ersten Dezember-Woche „abflachen bzw. leicht zurückgehen“, deutete das Prognosekonsortium an, warnte jedoch zugleich vor vorzeitigem Aufatmen auf Seiten der Verantwortungsträger: Die mögliche Abflachung erfolge „auf sehr hohem, teilweise systemkritischem Belagsniveau von über 600 belegten Intensivbetten“.

„Kein Enddatum“ des Lockdowns für Ungeimpfte

Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) sagte schon am Dienstag bei der Beantwortung einer Dringlichen Anfrage der SPÖ im Bundesrat, dass es beim aktuellen Lockdown „kein Enddatum für Ungeimpfte“ gibt. Jeder habe es aber selbst in der Hand, sich impfen zu lassen. Einmal mehr sagte Schallenberg, dass die Maßnahme eine „Zumutung“ für die Geimpften sei, da diese sich noch einmal beschränken müssten.

Kanzler und Gesundheitsminister im Bundesrat

Viele Fragen zum CoV-Management der Regierung wollte am Mittwoch die SPÖ beantwortet haben: Sie zitierte Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) in die Länderkammer des Parlaments, den Bundesrat.

Die geplante Impfpflicht verteidigte der Kanzler ebenfalls. Die bisherigen Maßnahmen hätten nicht ausgereicht, um die Impfbereitschaft im nötigen Ausmaß zu erhöhen. Lange Zeit sei Konsens gewesen, keine Impfpflicht einzuführen und auf Überzeugung zu setzen. „Jetzt müssen wir aber der Realität ins Auge sehen.“ Dass die Impfquote in Österreich vergleichsweise niedrig sei, sei einem „besonderen Umstand“ geschuldet, denn hierzulande gebe es „viel zu viele politische Kräfte, die öffentlich gegen die Impfung ankämpfen und die Menschen verunsichern. Das ist verantwortungslos“, so Schallenberg in Richtung der FPÖ.