Schuldzuweisungen nach Tod von Geflüchteten im Ärmelkanal

Nach dem Tod von Dutzenden Menschen im Ärmelkanal geben einander britische und französische Stellen die Schuld an der Katastrophe. Der britische Premierminister Boris Johnson mahnte zwar eine Zusammenarbeit an, zugleich forderte er aber Frankreich zu schärferen Kontrollen auf.

Der Vorfall zeige, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichten, um Geflüchtete von der gefährlichen Überfahrt abzuhalten. Hingegen warf die Bürgermeisterin der französischen Küstenstadt Calais, Natacha Bouchart, Johnson Feigheit vor. Der Premier übernehme keine Verantwortung, sagte Bouchart.

27 Menschen gestorben

Beim Untergang eines Bootes mit Geflüchteten auf dem Weg nach Großbritannien starben gestern 27 Menschen. Das französische Innenministerium korrigierte die Zahl der Todesopfer heute Früh nach unten, zuvor war man von 31 Toten ausgegangen. Darunter befanden sich fünf Frauen und ein kleines Mädchen, teilte Frankreichs Innenminister Gerald Darmanin gestern Abend in Calais mit.

Zwei weitere Menschen, die sich auf dem Boot befanden, seien gerettet worden. Vier Schlepper, die möglicherweise an der gescheiterten Überfahrt von Frankreich aus beteiligt waren, seien festgenommen worden.

Macron und Johnson beraten

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beriet mit Johnson über weitere Schritte zur Verhinderung solcher Tragödien. Beide hätten sich auf verstärkte Anstrengungen verständigt, Schleuserbanden zu stoppen, die das Leben von Menschen in Gefahr bringen, teilte die britische Seite nach dem Telefonat gestern am späten Abend mit.

Zugleich betonten Macron und Johnson die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit mit Belgien, den Niederlanden und anderen Partnern auf dem Kontinent. Macron äußerte nach Angaben des Elysee-Palasts in Paris die Erwartung, dass die Briten zu Zusammenarbeit bereit seien und das Flüchtlingsdrama nicht zu politischen Zwecken instrumentalisierten. Es müsse in einem Geist der Kooperation und unter Achtung der Menschenwürde gehandelt werden.

Über 7.000 aus Seenot Gerettete

Vor einigen Tagen war bekanntgeworden, dass die Polizei 15 mutmaßliche Schlepper aus dem Irak, Rumänien, Pakistan und Vietnam in Gewahrsam genommen hat. Sie sollen monatlich etwa 250 Menschen in Booten nach Großbritannien gebracht haben. Für die Überfahrt hätten sie 6.000 Euro pro Person erhalten und insgesamt drei Millionen Euro Gewinn gemacht.

Nach Angaben der zuständigen Präfektur gab es seit Jahresbeginn 31.500 Versuche von Flüchtlingen, über den Ärmelkanal von Frankreich nach Großbritannien zu kommen. Etwa 7.800 Menschen wurden aus Seenot gerettet. Insgesamt sind 2021 bisher mindestens 34 Menschen gestorben oder gelten als vermisst. Nach britischen Angaben sind seit Jahresbeginn etwa 22.000 Migranten über den Ärmelkanal nach Großbritannien gekommen.