Medizinisches Personal in einer Impfstraße
APA/AFP/Joe Klamar
Coronavirus

EMA gibt grünes Licht für Impfstoff ab fünf

Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hat grünes Licht für den Einsatz des CoV-Impfstoffs von Biontech und Pfizer bei Kindern im Alter von fünf bis elf Jahren gegeben. Der zuständige EMA-Ausschuss empfahl am Donnerstag eine Erweiterung der Zulassung. Die Zustimmung der EU-Kommission gilt als Formsache.

Ist die Zulassung fix, wird es demnächst auch eine entsprechende Empfehlung des Nationalen Impfgremiums (NIG) in Österreich geben. Die EMA betonte, dass das Vakzin nach Studien sicher und effektiv sei. Bisher seien keine schweren Nebenwirkungen festgestellt worden, allenfalls milde Reaktionen wie Fieber, Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit und Kopfschmerzen.

Die zuständigen Expertinnen und Experten der EMA hatten gut zwei Monate lang die Daten zu Risiken und Effektivität des Impfstoffs bei Fünf- bis Elfjährigen geprüft. An der Zulassungsstudie für den Biontech-Pfizer-Impfstoff nahmen knapp 2.300 Kinder zwischen fünf und elf Jahren teil. Nach Angaben des Herstellers beträgt die Wirksamkeit 90,7 Prozent. „Ein besonders guter Wert“, sagte der Virologe Christoph Steininger gegenüber dem Ö1-Morgenjournal.

NIG wird „Empfehlung im Gremium erörtern“

„Wir werden die Empfehlung im Gremium ganz genau anschauen und erörtern, um dann zeitnah eine Empfehlung auszusprechen“, sagte Maria Paulke-Korinek von der Abteilung für Impfwesen des Gesundheitsministeriums und Mitglied des NIG. Das Gesundheitsministerium rechnet damit, dass erste eigene Kinderimpfstoffdosen gegen das Coronavirus EU-weit gegen Ende des Jahres 2021 zur Verfügung stehen, auch in Österreich. Die ersten Dosen sollen am 20. Dezember an alle EU-Mitgliedsstaaten geliefert werden können, wurde aus Deutschland berichtet.

Übergangslösung dürfte vorerst bleiben

In Europa ist der Impfstoff von Biontech und Pfizer bisher für Menschen ab zwölf Jahren zugelassen. In Österreich – zum Beispiel in Wien, Tirol und Oberösterreich – gibt es bisher nur „Off Label“-Impfungen (die Anwendung von Arzneimitteln außerhalb des Zulassungsbereichs) für Kinder unter zwölf. Kinder erhalten derzeit – als Übergangslösung – ein Drittel einer Erwachsenendosis.

Bis die eigens für Kinder hergestellten Dosen EU-weit verfügbar sein werden, was bis Ende des Jahres dauern wird, dürfte sich das NIG als Übergangslösung für ein Fortsetzen der Impfung mittels Dritteldosis aussprechen. Die Art des Impfstoffs sei dieselbe, nur sei der Impfstoff in einer weniger konzentrierten Impflösung, auch das Lösungsmittel sei anders, so Volker Strenger, Kinder- und Jugendfacharzt an der Med Uni Graz.

Risikobewertungen „anders als bei Erwachsenen“

Generell seinen Risikobewertungen in Sachen CoV-Infektion und Erkrankung bei Kindern „anders als bei Erwachsenen“, so Strenger im Ö1-Morgenjournal. Bei Erwachsenen gehe es darum, mögliche Todesfälle und die Aufnahme in Intensivstationen zu verhindern, bei Kindern gebe es solche Fälle sehr selten. „Kinder erkranken nicht so häufig sehr stark“, dennoch könne es vorkommen.

„Bei einer Impfung, die aus derzeitiger Sicht sehr sicher ist und weniger Impfreaktionen hervorruft als bei Jugendlichen, überwiegt der Benefit“, so Strenger. Bedenken seien jedoch zu verstehen, auch der Gedanke, dass Kinder ohnehin nicht so schwer erkranken könnten, spiele eine Rolle. Doch gab Strenger zu bedenken, dass es „nicht so ist, dass sie gar nicht schwer erkranken können“.

Kinder und Jugendfacharzt Volker Strenger
ORF
Volker Strenger, Kinder- und Jugendfacharzt an der Uni Graz

Hohe Infektionszahlen bei Kindern

Auch verwies er auf die hohen Infektionszahlen bei Ungeimpften, darunter viele Kinder. Wenn man davon ausgehe, dass sich jeder irgendwann infiziert, der nicht geimpft ist, seien zwar in Einzelfällen die Komplikationen nicht so häufig, aber in der Summe würden wohl mehr Komplikationen zu sehen sein, wenn sich mehr Kinder infizieren. „Der Nutzen überwiegt“, so Strenger.

Genau würden die USA beobachtet: Dort seien schon über drei Millionen Fünf- bis Elfjährige geimpft worden. „Auch sehr seltene Nebenwirkungen, etwa die Herzmuskelentzündung, sind noch nicht in einem Ausmaß beobachtet worden, dass das beunruhigend wäre“, so Strenger. Bei Jugendlichen sei das eine sehr seltene Nebenwirkung, bei einer Million Geimpfter gebe es etwa 70 Fälle von sehr leichter Herzmuskelentzündung – bei Kindern sei das aber nicht beobachtet worden.

Kinderarzt Zwiauer: CoV „unkalkulierbares Risiko“

Laut Karl Zwiauer, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde sowie Mitglied des NIG, führt keine Kinderkrankheit zu so vielen Spitals- und Intensivstationsaufenthalten wie Covid-19. Daten der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) zufolge landeten im April in der dritten Pandemiewelle pro Woche ein bis drei Kinder und Jugendliche auf Intensivstationen.

Als Vergleich nannte der Kinderarzt die Masern, an denen eines von 1.000 infizierten Kindern schwer erkranke. „Mit der Impfung haben wir das in den Griff bekommen“, stellte er fest, das gleiche Ergebnis wolle man mit der CoV-Impfung von fünf- bis elfjährigen Kindern erzielen. Denn CoV stelle für Kinder ein „unkalkulierbares Risiko“ dar. Zwiauer wie auch Steininger und Strenger führten im Falle von Kindern auch „Long Covid“ als mögliche Gefahr an.

Wien mit Vorreiterrolle

Wien nahm dabei im November mit dem Start der „Off Label“-Impfungen für Kinder ab fünf eine Vorreiterrolle ein. Seit 15. November konnten die ersten Kinder im Austria Center Vienna immunisiert werden, die ersten Termine waren schnell ausgebucht.

Die Impfstelle Wien hat laut am Mittwoch veröffentlichten Zahlen bisher insgesamt 9.167 Kinder unter zwölf geimpft. Davon stammten die meisten – 7.486 bzw. 81,7 Prozent – aus Wien. 1.612 bzw. 17,6 Prozent reisten aus anderen Bundesländern an, wobei Niederösterreich mit 1.396 bzw. 15,2 Prozent den größten Anteil ausmachte, hieß es aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ).

Start auch in Niederösterreich

Auch in Niederösterreich waren für Donnerstag über 300 Injektionen bei Fünf- bis Elfjährigen geplant, „weitere 10.000 Termine sind schon gebucht“, so Landeshauptmann-Stellverteter Stephan Pernkopf (ÖVP). Zudem wurden im Bundesland zuvor bereits 4.396 Kinder „Off Label“ geimpft. Injektionen für Fünf- bis Elfjährige gibt es bei Kinder- und Hausärzten, in den Impfzentren St. Pölten, Wiener Neustadt und Tulln sowie in Kürze auch in Wieselburg (Bezirk Scheibbs), Mistelbach und Laxenburg (Bezirk Mödling).

In Oberösterreich kann man ebenfalls seit knapp einer Woche Kinder zwischen fünf und elf Jahren für die Impfung vormerken lassen. Bis Mittwoch habe es 2.600 derartige Reservierungen gegeben, hieß es offiziell. Inzwischen sind in Oberösterreich aber auch schon rund 1.600 Kinder geimpft. Nachdem die Empfehlung des NIG kurz bevorstehe, bietet das Land für das Wochenende Kinderimpfungen in „Off Label“-Aktionen an.

In Tirol besteht bereits seit vergangener Woche die Möglichkeit, Kinder zwischen fünf und elf Jahren zu impfen. Bisher wurde 1.120 Kindern eine Impfdosis verabreicht. Geimpft wird in „zahlreichen Impfzentren des Landes“ sowie in einigen Bezirkskrankenhäusern – etwa in Reutte und St. Johann. Auch am kommenden „Impfsonntag“ sowie bei niedergelassenen Ärzten wird das Angebot bestehen. Eine Anmeldung ist bei Kindern jedenfalls notwendig.

Manche Bundesländer in Startlöchern

In der Steiermark ist die Anmeldung von jüngeren Kindern zur CoV-Schutzimpfung seit Dienstag über das Anmeldetool des Landes möglich. Geplant sind vorerst zwei Impftermine am 4. und 5. Dezember in den Impfstraßen in Graz, Premstätten und Leoben. Es können aber durchaus bis dahin Standorte hinzukommen, sagte Harald Eitner, zuständig für die Impfstraßen des Landes Steiermark.

In Vorarlberg gab es bis Mitte der Woche rund 260 Vormerkungen zur Kinderimpfung. Diese können auf dem Impfportal des Landes („Vorarlberg impft“) vorgenommen werden. Nach dem grünen Licht der EMA für die Kinderimpfung wurden vom Land Einladungen an die Vorgemerkten verschickt. Erste Immunisierungen sollen ab Freitag durchgeführt werden, sie werden an zwei Standorten von Kinderärzten verabreicht.

Salzburg will nicht auf NIG warten

In Salzburg stehe man bei den Kinderimpfungen ebenfalls in den „Startlöchern“, sagte eine Sprecherin von Gesundheitsreferent und Landeshauptmann-Stellvertreter Christian Stöckl (ÖVP). Man werde nach der EMA-Entscheidung die Zulassung durch das NIG wahrscheinlich nicht mehr abwarten und schnellstmöglich mit den Impfungen starten. 38.000 Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren gibt es in Salzburg, Zahlen zu Voranmeldungen oder bereits „Off Label“ geimpften Kindern lägen aber nicht vor.

Das Burgenland hat bei der CoV-Impfung für Kinder allerdings noch die Entscheidung der EMA abgewartet, jetzt werde auch mit der Impfung der Jüngsten gestartet, hieß es aus dem Koordinationsstab Coronavirus. Eine Vorregistrierung sei schon möglich und erwünscht. Die Planung laufe bereits, zunächst werde es für Kinder aber keine offenen Impftage, sondern Impfungen mit Terminvergabe geben.

Auch in Kärnten gibt es zurzeit keine Möglichkeit, Vormerkungen für Kinderimpfungen vorzunehmen, so Landessprecher Gerd Kurath zuletzt. Da am 30. November das System der Vormerkungen für Impfungen für Erwachsene auf Terminbuchungen umgestellt werde, „spricht grundsätzlich nichts dagegen, dass dann auch Terminbuchungen für Kinderimpfungen möglich sind“. Er wisse jedoch nicht, inwieweit man sich bereits bei Kinderärztinnen und -ärzten selbst vormerken lassen kann.

Mückstein: „Wirkt und ist sicher“

„Die Daten zeigen, dass die Impfung für Kinder zwischen fünf und elf Jahren wirkt und sicher ist“, sagte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) über Twitter. „Eine wirklich gute Nachricht kommt heute von der EMA“, so auch Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP). „Ein weiterer wichtiger Schritt zur Steigerung der Durchimpfungsrate als einziges Exit-Ticket aus der Pandemie.“ Der stellvertretende NEOS-Klubobmann Gerald Loacker verlangte indes, dass Österreich dann rasch ein umfassendes und niederschwelliges Beratungsangebot ausarbeitet und umsetzt.