Ein Mädchen bekommt ein Pflaster nach der Impfung
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Kinder und CoV

Appelle zu offenen Schulen und Impfung

Nach der europäischen Zulassung eines CoV-Vakzins für Kinder ab fünf Jahren haben sich am Donnerstag die Aufrufe zur Impfung gehäuft. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) sprach sich ebenso dafür aus wie das Nationale Impfgremium (NIG). Die Länder appellierten unterdessen dafür, die Schulen weiter offenzuhalten.

Statt „Off Label“-Impfungen, also ohne offizielle Zulassung, können nun bald Kinder ab fünf Jahren mit dem Impfstoff von Biontech und Pfizer geimpft werden. Österreich habe bereits die derzeit maximal verfügbare Menge bestellt, eine erste Tranche mit 258.000 Dosen werde gegen Ende des Jahres in Österreich eintreffen, so Mückstein am Donnerstag. Diese enthalten denselben Impfstoff, würden aber speziell abgefüllt. Rund 600.000 Kinder kämen nun für die CoV-Impfung infrage. Bis zur Auslieferung folge man weiterhin der Empfehlung, dass Kinder ein Drittel einer Erwachsenendosis erhalten.

Es werde eigene Kinderimpfstraßen geben, so Mückstein weiter. Auch Informationsmaterial werde man herausgeben. „Zeitnah“ könne mit den Kinderimpfungen in ganz Österreich begonnen werden. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) habe ein besonders gründliches Zulassungsverfahren absolviert, die Impfung für Kinder sei sicher.

Schwerer Verlauf möglich

Dem pflichtete auch die Leiterin des NIG, Ursula Wiedermann-Schmidt, in der ZIB2 am Donnerstag bei. Das Gremium empfehle die Impfung für alle Kinder ab fünf Jahren. Besonderes Augenmerk lege man auf jene Kinder, die selbst Risikoerkrankungen hätten wie Tumore, Immunsuppression, Lungen- oder Herzerkrankungen und Trisomie 21. Ebenso sei die Impfung für Kinder aus Familien wichtig, in denen Mitglieder gesundheitlich beeinträchtigt seien, so Wiedermann-Schmidt.

Expertinnen über Kinder in der Pandemie

Bildungspsychologin Christiane Spiel spricht über die Auswirkungen des Lockdowns auf Kinder und Jugendliche. Impfstoffspezialistin Ursula Wiedermann-Schmidt erklärt, wie die Impfzulassung für Kinder die Situation verändern kann.

Für alle Kinder gelte aber: Ein schwerer Krankheitsverlauf sei prinzipiell bei jedem Kind möglich und man wisse nicht, welches Kind betroffen sein werde. Die besonders aggressive Delta-Variante habe gezeigt, dass die Infektionszahlen auch bei Kindern steigen, und so auch das Risiko für schwere Verläufe bei ihnen zunehme.

Sorge vor „Long Covid“

In den USA und Israel habe man bereits anhand der Daten von über drei Millionen geimpften Kindern gesehen, dass es keine schweren oder neuen Nebenwirkungen gebe, allenfalls milde Reaktionen wie Fieber, Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit oder Kopfschmerzen. Für genesene Kinder empfahl Wiedermann-Schmidt eine Impfung nach mindestens einem Monat Wartezeit.

Mückstein hatte sich am Donnerstag erleichtert über die EMA-Zulassung gezeigt: „Es gibt sie noch, die guten Nachrichten.“ Er warnte nicht nur vor schweren Verläufen bei Kindern, sondern auch vor der Gefahr durch „Long Covid“. Er rief alle Eltern dazu auf, sich bei den Kinderärzten zu informieren und Kinder „gegen dieses heimtückische Virus zu schützen“.

Unterstützung beim Impfen und der Aufklärung könnte es direkt in der Schule geben. ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann bot am Freitag den Ländern bei der Impfung von jüngeren Kindern die Unterstützung der rund 640 Bundesschulärztinnen und Bundesschulärzte an. In einem Brief an die Landeshauptleute verwies er auf die rechtliche Möglichkeit, die Schulärzte auch abseits ihrer Tätigkeit an Schulen für die Beratung und Durchführung von Impfungen einzusetzen. Die Bildungsdirektionen könnten auch bei der Abwicklung helfen.

Impfpflicht für Kinder noch unklar

Bisher war der Impfstoff von Biontech und Pfizer in Europa ab zwölf Jahren zugelassen, verimpft wurde dennoch, aber eben ohne offizielle Zulassung. Die finale Entscheidung muss noch von der Europäischen Kommission gefällt werden. Das gilt aber als Formsache. Bald könnte ein zweiter Impfstoff für Kinder folgen. Die EMA-Experten prüfen zur Zeit einen Antrag des US-Herstellers Moderna.

Am Freitag sprach sich auch die Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) in einer Aussendung „nach Sichtung der bisher vorliegenden Unterlagen für die Covide-19-Impfung auch in der Altersgruppe fünf bis elf Jahre aus“. Diese gelte insbesondere „bei entsprechender Risikokonstellation“. Impfungen in dieser Altersgruppe sollten jedoch freiwillig bleiben, und ungeimpfte Kinder sollten in der Teilnahme am öffentlichen Leben nicht benachteiligt werden, so das Gremium.

Grünes Licht für Kinderimpfung

Die Europäische Arzneimittelbehörde und das Nationale Impfgremium empfehlen das Vakzin von Biontech und Pfizer für Kinder ab fünf Jahren. Kinder erhalten ein Drittel einer Erwachsenendosis, 258.000 Impfstoffe sollen bis Jahresende geliefert werden.

Ob die Schutzimpfung für Kinder auch unter die geplante Impfpflicht ab Februar fällt, beantwortete Mückstein auch auf mehrfache Nachfrage nicht. Das müsse breit mit Experten besprochen werden. Für die FPÖ stellte die Impfung für Kinder einen neuen „Tabubruch“ dar. FPÖ-Chef Herbert Kickl forderte Mückstein in einer Aussendung auf, klarzustellen, ob die Impfpflicht auch für Kinder gelte. Der stellvertretende NEOS-Klubobmann Gerald Loacker verlangte, dass Österreich rasch ein umfassendes und niederschwelliges Beratungsangebot ausarbeitet und umsetzt.

Einigkeit über offene Schulen

Begrüßt wurde die Kinderimpfung am Donnerstag auch von der heimischen Ampelkommission. Eine Schließung des Bildungsbereiches sollte nach Angaben der Kommission „die Ultima Ratio“ sein. Dieser Ansicht waren am Donnerstag auch die Bildungslandesreferentinnen und -referenten. Bei einer Sitzung mit Faßmann habe es von den Teilnehmenden ein Bekenntnis zur offenen Schule gegeben.

„Schülerinnen und Schüler haben sich in der Pandemie solidarisch gezeigt. Sie mussten in den letzten 20 Monaten auf viel verzichten. In der jetzigen Phase der Pandemie haben sie ein Recht auf so viel Normalität und Unterstützung wie möglich. Ich bin froh, dass wir uns darüber einig sind“, so Faßmann via Aussendung.

Im Gespräch mit der APA bezog auch Tirols Bildungslandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) zum Thema Stellung. „Wir halten daran fest, vom flächendeckenden Distance-Learning Abstand zu nehmen.“ Zuvor hatte Palfrader argumentiert, dass man durch das regelmäßige Testen an den Schulen ein Kontrollinstrument habe, was das Infektionsgeschehen betreffe. Sie hoffe zudem, dass die neu eingeführte Regelung, wonach ab dem zweiten Infektionsfall die ganze Klasse für fünf Tage ins Distance-Learning müsse, greifen werde.

Schulbetrieb trotz Lockdowns

Trotz Lockdowns bleiben die Schulen in Österreich offen. Eltern können entscheiden, ob sie ihre Kinder in die Schule schicken oder nicht. Das Bildungsministerium setzt auf breite Testungen in den Schulen, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten.

Ob man den Winter ohne Schulschließungen überstehen werde, könne sie aber nicht vorhersagen. Gegen eine Schließung der Schulen zum jetzigen Zeitpunkt sprachen sich auch Palfraders Kolleginnen aus Niederösterreich und Salzburg, Christiane Teschl-Hofmeister und Daniela Gutschi (beide ÖVP), aus. Eine erneute Schulschließung gefährde die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen weiter.

Psychische Gesundheit im Fokus

Vehement gegen Schulschließungen positionierten sich auch das ÖGKJP-Präsidium und deren Präsidentin Kathrin Sevecke. Studien hätten „eindeutig belegt, dass die Pandemie die psychische Gesundheit junger Menschen deutlich beeinträchtigt“, unterstrichen die Experten in einer Aussendung. Man sollte, so die ÖGKJP, „aus den bisherigen Fehlern gelernt haben“. Eine erneute Schulschließung würde aus Expertensicht „mit Sicherheit die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen weiter gefährden“. Zudem bestehe die Gefahr, dass emotional belastete junge Menschen, die noch nicht klinisch gefährdet sind, nun Symptome einer psychischen Erkrankung entwickeln.

Ebenfalls in der ZIB2 sagte die Bildungspsychologin Christiane Spiel, der Verlauf der Pandemie habe große Unterschiede bei den Schülerinnen und Schülern gebracht. Eine Gruppe komme besser zurecht. Andere hätten zu Hause hingegen keine Hilfe, Sprachprobleme oder engen Wohnraum. Sie seien oft „aus dem Lernen herausgefallen“. Sie zurückzuholen, stelle auch eine volkswirtschaftliche Herausforderung dar. Man könne es sich nicht leisten, „dass wir diese Kinder verlieren“, so Spiel.

Lehrkräfte mit hartem Urteil über System

Auch eine Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer sprach sich gegen weitere Schulschließungen aus. Das zeigt eine aktuelle Studie der Universität Wien. 60 Prozent bevorzugten die derzeitige Regelung mit offenen Schulen und Aufhebung der Präsenzpflicht, 37 Prozent plädierten dagegen für neuerliche Schließungen. Gleichzeitig bewerteten die Pädagogen das Schulsystem deutlich negativer als noch vor den Lockdowns.

Unter der Leitung von Susanne Schwab und Katharina-Theresa Lindner läuft derzeit die dritte Erhebungsphase einer Studie zum Thema „Inklusive Bildung während Covid-19“. Im Zuge dessen werden Lehrpersonen zu Erfahrungen und Einstellungen hinsichtlich der aktuellen bildungspolitischen Maßnahmen sowie ihres Arbeitsalltags befragt.

Als Grund für die Ablehnung von Schulschließungen nannten die Lehrkräfte vor allem das gemeinsame Arbeiten, die sozialen Interaktionsmöglichkeiten und das „Nicht-verloren-Gehen“ der Schülerinnen und Schüler. Eindeutig ist das Urteil der Pädagoginnen und Pädagogen über die Arbeitsbelastungen: 87,5 Prozent berichteten über einen (deutlich) erhöhten Arbeitsaufwand im Vergleich zu der Zeit vor Covid-19. 48 Prozent fühlten sich in der aktuellen beruflichen Situation stark belastet.