Ai Weiwei fühlt sich wohl unter der Erde

Als Konsequenz aus der politischen Verfolgung seiner Familie hat der chinesischen Künstlers Ai Weiwei eine Vorliebe für geschützte Räume entwickelt.

„Ich fühle mich unter der Erde wohler, deswegen ist mein Atelier in Berlin auch unter der Erde“, sagte der 64-Jährige gestern Abend in der deutschen Hauptstadt. Jenseits der Gesellschaft gelebt zu haben habe der Familie in China auch einen Moment der Sicherheit gegeben.

Künstler Ai Weiwei
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Das Atelier Ais erstreckt sich über ein riesiges Areal in den Kellergewölben einer alten Brauerei im Stadtteil Prenzlauer Berg. In Berlin stellte Ai im Gespräch mit Schriftsteller Daniel Kehlmann seine Autobiografie „1000 Jahre Freud und Leid“ vor. Für das weltweit in 14 Sprachen erschienene Buch war der Abend die einzige öffentliche Veranstaltung in Europa.

„Ein Geist des reinen Überlebens“

Ai sprach von einer sehr dramatischen Zeit, in der Kultur, Kunst und Literatur noch wichtiger geworden seien. „Eine Sache, die totalitäre Systeme zerstören, sind menschliche Beziehungen. Man kann niemandem trauen.“ Es gebe Misstrauen zwischen Eltern und Kindern, Lehrern und Schülern, Mann und Frau, „weil alles berichtet werden könnte“.

So entwickle sich „ein Geist des reinen Überlebens“, der Menschen verändere. Solche Dinge passierten in China heute noch immer. „Menschen verlieren ihre Unschuld“, sagte der in China ebenfalls lange Zeit verfolgte Künstler.

„Lernen, die Verantwortung zu übernehmen“

Seine regelmäßig scharfe Kritik an Rassismus in Deutschland wollte Ai, der inzwischen in Großbritannien lebt und sich auch in Portugal aufhält, an diesem Abend nicht wiederholen. „Ich liebe die Deutschen, deswegen habe ich mein Studio hier“, sagte er, „aber ich bin auch ein kritischer Mensch mit einem großen Mundwerk.“

Ai machte sich gegen die Flüchtlingspolitik an den europäischen Grenzen stark. Er könne nicht glauben, dass das ein Teil von Europa sei, wenn Menschen in ihrem Leid alleingelassen würden. „Dafür gibt es keine Entschuldigung“, sagte der Künstler.

Es gehe nicht darum, alle Menschen aufzunehmen, sondern die dramatischen Ursachen zu bekämpfen und nicht auch noch Waffen in Krisengebiete zu liefern. Die Umweltprobleme würden noch deutlich mehr Flüchtlinge bringen. „Wir müssen lernen, die Verantwortung zu übernehmen.“