Testsamples in Belgien
Reuters/Yves Herman
Neue CoV-Variante

Erster Fall in Europa bestätigt

Belgien hat einen ersten Fall mit der neuen, zunächst im südlichen Afrika festgestellten Coronavirus-Variante B.1.1.529 registriert. Damit wurde bestätigt, dass die von Experten als möglicherweise gefährlicher eingeschätzte Variante bereits nach Europa gelangt ist. Sowohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als auch die EU-Gesundheitsbehörde ECDC kündigten für Freitagnachmittag eine Einschätzung an. Viele Länder, darunter auch Österreich, verhängten am Freitag Einreisestopps für mehrere Staaten im südlichen Afrika.

Der belgische Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke gab bekannt, dass B.1.1.529 bei einer Sequenzierung registriert wurde. Es sei Vorsicht erforderlich, aber keine Panik, sagte Vandenbroucke. Der belgische Sender RTBF berichtete, dass die Variante bei einer jungen Frau entdeckt worden war. Sie habe laut Universität Leuven elf Tage nach ihrer Rückkehr aus Ägypten über die Türkei Symptome entwickelt und sich nicht in den nun als Virusvariantengebiete eingestuften Ländern im Süden Afrikas aufgehalten.

Die ECDC erklärte am Freitag, man beobachte die sich entwickelnde Situation genau. Man werde im Laufe des Tages ein „Threat Assessment Brief“ zu der Variante herausgeben, schrieb die in Stockholm ansässige Behörde auf Twitter. Diese kurze Bewertung, die in ihrem Format jener der umfassenderen CoV-Risikoeinschätzungen der Organisation ähnle, werde voraussichtlich im Laufe des Nachmittags veröffentlicht, sagte eine ECDC-Sprecherin auf Anfrage der dpa.

WHO will Einstufung bekanntgeben

Auch ein Expertengremium der WHO berät am Freitag über die Einstufung von B.1.1.529. Es gehe dabei unter anderem um die Frage, ob die Mutante als „besorgniserregende Variante“ („Variant of Concern“) oder als „Variante von Interesse“ („Variant of Interest“) klassifiziert werden soll, hieß es von der Behörde. Aktuell ist sie als „Variant Under Monitoring“ eingestuft, steht also unter Beobachtung. Nach den Beratungen sollen Medien und Regierungen über das Ergebnis und mögliche Maßnahmen informiert werden.

Die WHO empfehle den Ländern, „weiterhin eine risikobasierte und wissenschaftliche Herangehensweise bei der Verhängung von Reisebeschränkungen anzuwenden“, sagte WHO-Sprecher Christian Lindmeier am Freitag in Genf. „Vor der Verhängung von Reisebeschränkungen wird gewarnt“, fügte er hinzu. Lindmeier betonte, bekannte Mittel wie Masken, Handhygiene, Frischluft und das Vermeiden von Menschenmengen seien auch gegen B.1.1.529 wirksam.

Verhalten von Variante noch nicht klar

Ob B.1.1.529 ansteckender oder aggressiver ist als bisherige Varianten, wird sich laut WHO erst in einigen Wochen herausstellen. Die im südlichen Afrika aufgetretene Variante sei bisher weniger als hundertmal genetisch sequenziert worden. Laut der Definition der WHO sind „besorgniserregende Varianten“ leichter übertragbar oder führen zu schwereren Verläufen. Außerdem können sie die Wirksamkeit von Impfstoffen, Medikamenten, Virustests und Maßnahmen herabsetzen.

Der Covid-19-Beauftragte der WHO, David Nabarro, sagte am Freitag gegenüber der BBC, dass es seiner Meinung nach wirklich angebracht sei, sich Sorgen zu machen. „Ich erkläre ihnen, warum: Das Virus sieht aus, als hätte es mehr Kapazitäten, sich unseren Abwehrkräften zu widersetzen, die wir mit der Impfung aufgebaut haben.“

Österreich verhängt Einreisestopp

Schon vor der nun geplanten WHO-Einstufung gaben etliche Länder Sicherheitsvorkehrungen bekannt. Für Österreich gilt ab Mitternacht ein Einreisestopp. Die Einreiseverordnung werde entsprechend angepasst und die Länder Südafrika, Lesotho, Botsuana, Simbabwe, Mosambik, Namibia und Eswatini als Virusvariantengebiete eingestuft, hieß es am Freitag aus dem Gesundheitsministerium. Einreisen aus diesen Ländern sind daher grundsätzlich untersagt, hieß es in einer Aussendung.

Hinweis für Reiserückkehrer

Für Reiserückkehrer aus Südafrika, Lesotho, Botsuana, Simbabwe, Mosambik, Namibia oer Eswatini wurde eine Hotline (01/2675032) eingerichtet. Dort gibt es Informationen über eine behördliche PCR-Testung, um die Proben direkt auf Virusvarianten zu analysieren. Das Gesundheitsministerium ruft dazu auf, sich freiwillig in Quarantäne zu begeben.

Österreichische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen sind zur Einreise berechtigt, haben aber besonders strenge Quarantäneregeln (zehntägige Quarantäne, PCR-Test bei der Einreise, Registrierung) einzuhalten, so das Ministerium weiter. Zusätzlich wird ein Landeverbot für Flüge aus diesen sieben afrikanischen Ländern verhängt. Die Verordnung tritt bereits um Mitternacht in Kraft, so das Ministerium.

Außenministerium bietet Hilfe bei Rückreise an

Etwa 170 Österreicher und Österreicherinnen sind nach Angaben des Außenministeriums derzeit als Reisende in den sieben afrikanischen Ländern registriert. Sie würden nunmehr SMS und Email erhalten, mit der Aufforderung sich zu melden, wenn sie Hilfe bräuchten, sagte eine Sprecherin von Außenminister Michael Linhart am Freitag gegenüber der APA. Den registrierten Reisenden werde dringend die Heimreise angeraten.

Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) sagte, die neue Variante gebe Anlass zur Sorge: „Wir reagieren rasch und konsequent.“ Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) sagte, Österreich reagiere unmittelbar auf die aktuellen Entwicklungen. Auf Twitter erklärte Mückstein, dass bisher bei keiner der österreichischen Monitoringstellen – auch nicht bei der Abwasserüberwachung – Hinweise auf die neue Variante aufgetaucht seien.

Grafik zu den neuen Virusvariantengebieten im südlichen Afrika
Grafik: APA/ORF.at

EU-Staaten wollen Passagierflüge aussetzen

Die EU-Staaten wollen alle Passagierflüge aus sieben Ländern im südlichen Afrika aussetzen. Davon betroffen sind Botsuana, Swasiland, Lesotho, Mosambik, Namibia, Südafrika und Simbabwe, wie die dpa in Brüssel nach einer Sondersitzung der EU-Staaten am Freitag aus Diplomatenkreisen erfuhr. Die Vereinbarung ist für die EU-Staaten nicht bindend, den Angaben zufolge wurde sie jedoch von allen Ländern unterstützt.

Die slowenische EU-Ratspräsidentschaft teilte Freitagabend mit, das zuständige Gremium der EU-Staaten habe sich darauf verständigt, die entsprechende Notbremse auszulösen und Einschränkungen für alle Reisen aus dem südlichen Afrika in die EU zu verhängen. Die Ratspräsidentschaft rief die EU-Staaten dazu auf, für Rückkehrer aus dieser Region strenge Test- und Quarantänevorschriften zu verhängen.

D: Aufforderung zu freiwilliger Quarantäne

Neben Österreich gaben zuvor auch die deutsche und die italienische Regierung am Freitagvormittag bekannt, den Reiseverkehr aus Südafrika einzuschränken, Malta, Tschechien und Frankreich schlossen sich an. Der geschäftsführende Gesundheitsminister Deutschlands, Jens Spahn (CDU), forderte zudem Rückkehrende aus Südafrika auf, sich freiwillig in Quarantäne zu begeben und einen PCR-Test zu machen. Er könne die bereits eingereisten Menschen nur zu diesem Schritt auffordern, eine rechtliche Handhabe gebe es nicht, so Spahn.

Südafrika erachtet EU-Reaktion als „unberechtigt“

Nach Ansicht des südafrikanischen Gesundheitsministers sind die Reaktionen der EU „unberechtigt“. Bisher sei es unklar, ob die Variante B.1.1.529 ansteckender sei als andere Varianten, sagte Joe Phaahla am Freitagabend während einer virtuellen Pressekonferenz. Maßnahmen wie Einreiseverbote würden völlig gegen existierende Normen und Standards der WHO verstoßen, so Phaahla. Man habe mit den Mitteilungen am Donnerstag lediglich Erkenntnisse südafrikanischer Wissenschaftler schnellstmöglich teilen wollen.

Doch nicht nur in Europa wurde verschärft. Die japanische Regierung beschloss ebenfalls am Freitag eine Verschärfung der Grenzkontrollen für Einreisende aus Südafrika und fünf weiteren afrikanischen Ländern, wie die Nachrichtenagentur Jiji meldet. In Indien sollen ebenfalls Reisende aus Südafrika und anderen Ländern konsequent getestet und geprüft werden, teilte das indische Gesundheitsministerium mit.

Reisebeschränkungen in Israel und Großbritannien

Auch die britische Regierung beschränkte am Donnerstag den Flugverkehr aus mehreren Ländern der Region. Zudem gilt für Ankommende eine strenge Pflicht zur Hotelquarantäne. Betroffen von der neuen Regel seien Südafrika, Namibia, Lesotho, Botsuana, Eswatini und Simbabwe, teilte der britische Gesundheitsminister Sajid Javid mit.

Auch Israel verhängte sofortige Reisebeschränkungen für mehrere afrikanische Länder. Südafrika, Lesotho, Botsuana, Simbabwe, Mosambik, Namibia und Eswatini seien nach einer Sonderberatung als „rote Länder“ eingestuft worden, teilte das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett mit. In Israel wurde nach offiziellen Angaben von Freitag eine Person identifiziert, die sich mit der neuen Variante des Coronavirus infiziert hat. Zwei weitere Personen seien Verdachtsfälle, die noch auf ihre Testergebnisse warteten, teilte das Gesundheitsministerium am Freitag mit. Sie befänden sich in Quarantäne.

Teststraße in Südafrika
Reuters/Siphiwe Sibeko
Die neue Variante wurde in Südafrika erstmals festgestellt

Fälle zuvor in Südafrika, Botsuana, Hongkong und Israel

Zuvor wurden Fälle der neuen Variante in Südafrika, Botsuana und Hongkong festgestellt. Die Zahl der täglich gemeldeten Infektionen in Südafrika stieg in dieser Woche auf mehr als 1.200. Anfang des Monats waren es noch rund 100 Neuansteckungen. Laut Experten breitet sich die neue Variante vor allem unter jungen Menschen aus. Nach Angaben des südafrikanischen Instituts für Infektionskrankheiten (NICD) stieg die Zahl der Fälle, bei denen die Variante nachgewiesen wurde, in drei Provinzen des Landes besonders stark an – darunter Gauteng, wo sich die Städte Johannesburg und Pretoria befinden. An einer Hochschule in Pretoria sei kürzlich ein Cluster festgestellt worden.

CoV-Variante „vielleicht ansteckender“

Eine im südlichen Afrika aufgetretene neue Variante des Coronavirus sorgt international für Beunruhigung. Experten vermuten, dass die Variante „vielleicht ansteckender“ sein könnte.

Südafrikas Gesundheitsminister Joe Phaahla sagte, die neue Variante bestätige die „Tatsache, dass dieser unsichtbare Feind sehr unvorhersehbar ist“. Er rief die Südafrikaner auf, Masken zu tragen, Abstand zu halten und sich insbesondere impfen zu lassen. „Wir haben auch das zusätzliche Mittel der Impfungen, das uns helfen wird, schwere Erkrankungen zu vermeiden, einschließlich der Gefahr, dass wir in Klinik enden oder sogar dem Virus zum Opfer fallen“, sagte er.

Passagiere am Ben Gurion Flugahfen in Israel
APA/AFP/Jack Guez
Menschen müssen sich bei Einreise aus den südafrikanischen Ländern nach Österreich registrieren und zehn Tage in Quarantäne

Fauci schließt Reisebeschränkungen nicht aus

Der US-Immunologe Anthony Fauci schloss eine Einschränkung von Reisen aus dem südlichen Afrika in die USA nicht aus. „Das ist sicherlich etwas, worüber man nachdenkt und worauf man sich vorbereitet“, sagte der Berater des Präsidenten am Freitag dem Sender CNN. Er betonte jedoch, dass aktuell noch nicht genug Informationen vorlägen. Auch dazu, ob die neue Variante die Wirksamkeit der Impfstoffe mindere, könne er noch nichts sagen.

„Man ist bereit, alles zu tun, was man tun muss, um die amerikanische Öffentlichkeit zu schützen“, sagte Fauci. Für alle Entscheidungen müsse es aber eine wissenschaftliche Grundlage geben. US-Wissenschaftler wollten sich noch am Freitag detailliert mit Wissenschaftlern aus Südafrika austauschen, um mehr Informationen zu bekommen, sagte Fauci. Im Moment gebe es keine Anzeichen dafür, dass B.1.1.529 bereits in den USA sei. Ausschließen könne man das aber natürlich nicht.