Stephen Sondheim
AP/Kirsty Wigglesworth
Stephen Sondheim

Trauer um „Shakespeare der Musicalwelt“

Die Musicalwelt trauert um den Komponisten und Texter Stephen Sondheim: Er ist am Freitag im Alter von 91 Jahren gestorben, wie die „New York Times“ unter Berufung auf Sondheims Anwalt F. Richard Pappas berichtete. Sondheim entkitschte das Musical und brachte die großen Fragen des Lebens auf die Bühne. Musicallegende Andrew Lloyd Webber nannte ihn „den Giganten des Musiktheaters unserer Zeit“, die britische Schauspielerin Imelda Staunton sprach vom „Shakespeare der Musicalwelt“.

Sondheim galt als Broadway-Legende. 1957, also schon mit 27 Jahren, gelang ihm der Durchbruch im Musiktheater, als er die Texte zu Leonard Bernsteins Welterfolg „West Side Story“ schrieb. Im Laufe seiner langen Karriere als Komponist und Texter wirkte er an weiteren Musical-Erfolgen wie „Sweeney Todd“, „Gypsy“ und „Sunday in the Park with George“ mit.

In seiner jahrzehntelangen Karriere gewann Sondheim alle renommierten US-Preise. Für sein Schaffen wurde er mit acht Grammy Awards, ebenso vielen Tony Awards, einem Oscar und dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. 2015 erhielt er vom damaligen Präsidenten Barack Obama die Freiheitsmedaille, die höchste zivile Auszeichnung der Vereinigten Staaten. „Um es einfach zu sagen: Stephen hat das amerikanische Musical neu erfunden“, sagte Obama damals.

Barack Obama verleiht Stephen Sondheim die Freiheitsmedaille
Reuters/Carlos Barria
Obama ehrt Sondheim

Drei Generationen inspiriert

„Es ist schwer, Sondheims Einfluss auf das amerikanische Musiktheater überzubewerten. Er ist der beste Texter des Musiktheaters – Punkt“, sagte Schauspieler Lin-Manuel Miranda einst in der „New York Times“ über Stephen Sondheim. Webber sagte, Sondheim habe nicht nur zwei, sondern drei Generationen inspiriert, sein Beitrag zum Theater werde niemals erreicht werden.

Für den britischen Musicalproduzenten Cameron Mackintosh hat „das Theater eines seiner größten Genies verloren, und die Welt hat einen ihrer größten und originellsten Autoren verloren“. Die Brillanz von Sondheim werde weiterleben, „denn seine legendären Songs und Shows werden für immer aufgeführt werden“.

Große Fragen des Lebens statt Kitsch und Schmalz

Staunton, die Sondheim „den Shakespeare der Musicalwelt“ nannte, sagte: „Seine Geschichten werden so lange leben wie die von Shakespeare, weil er über Menschen spricht, über emotionale Schwierigkeiten, über das Bedürfnis, das wir alle haben, geliebt oder anerkannt zu werden und wahrgenommen zu werden. In vielen Musicals geht es um glückliche Dinge – aber in seinen Musicals geht es um die schwierigen Dinge.“

Tatsächlich attestierten Kritiker ihm, Form und Inhalt des Musiktheaters entscheidend weiterentwickelt zu haben. Bei Sondheim gab es keine schmalzigen und stets gut ausgehenden Liebesgeschichten, sondern es ging um die großen Fragen und positiven wie negativen Emotionen des Lebens.

Der Komponist Stephen Sondheim im April 1984
AP
Sondheim 1984 mit Schauspielern des Musicals „"Pacific Overtures“ in NewsYork

Komponist und Texter

Während sich viele Musiktheaterschaffende entweder auf das Komponieren oder das Texten spezialisieren, zeichnete sich Sondheim in beiden Bereichen aus. Nachdem er sich am Broadway etabliert hatte, übernahm er in der Regel die Verantwortung für Musik und Text in seinen Shows. Und „West Side Story“, „Gypsy“, „Sweeney Todd“ und „Into the Woods“ wurden allesamt auch zu Kinohits. „Seine komplizierten und umwerfend cleveren Songs erweiterten die Grenzen der Kunstform“, schreibt der „Guardian“ in seinem Nachruf.

Trauer um Broadway-Legende Stephen Sondheim

Der Musicalkomponist und Texter Stephen Sondheim ist im Alter von 91 Jahren gestorben. Wie die Zeitung „New York Times“ unter Berufung auf Sondheims Anwalt F. Richard Pappas berichtete, starb er am Freitag in seinem Haus in Roxbury im US-Bundesstaat Connecticut, nachdem er am Vortag noch mit Freunden Thanksgiving gefeiert hatte.

Geboren wurde Sondheim in eine reiche jüdische Familie in New York, er wuchs dann auch zeitweise in Pennsylvania auf. Das Verhältnis zu seinen Eltern, die sich später scheiden ließen, war schwierig. Sondheim freundete sich mit James Hammerstein an und lernte dessen Vater, den Komponisten und Texter Oscar Hammerstein, kennen, der sein Mentor wurde und ihm den Weg in die Branche ebnete.

Publikum im Mittelpunkt

Das Wichtigste waren für Sondheim, der als sehr introvertiert galt, aber stets die Zuschauer. „Ich will, dass die Menschen das mögen, was ich schreibe. Ich bin ein Produkt des Broadway, egal, wie anmaßend jemand das findet, was ich schreibe. Ich schreibe nicht für mich. Ich schreibe, weil ich die Menschen zum Lachen, Weinen und Denken bringen will. Ich will so viel Publikum wie möglich.“

In seinen zweibändigen Memoiren nannte er drei Grundsätze, die ein Texter beachten sollte, um einen „respektablen Text“ zu verfassen. Diese lauteten: „Weniger ist mehr, der Inhalt diktiert die Form, und Gott steckt im Detail.“