Mann in Impfzentrum
AP/Vadim Ghirda
„Breite Basis“ für Gesetz

Pfad zur Impfpflicht wird konkreter

Die Regierung hat den Zeitplan für ihr Gesetz zur ab Februar 2022 geplanten Coronavirus-Impfpflicht vorgelegt: In der Woche ab 6. Dezember soll der Entwurf vorliegen, das soll eine „ordentliche Begutachtung von mindestens vier Wochen“ ermöglichen. Das Gesetz könne dann nach Beschluss von Nationalrat und Bundesrat mit Anfang Februar in Kraft treten, so das Gesundheitsministerium am Samstag in einer Mitteilung. Zusätzlich sollen Experten schon vorab eingebunden werden.

Österreich sei eines der ersten Länder, das konkret in die Umsetzung einer derzeit in vielen europäischen Ländern diskutierten allgemeinen Coronavirus-Impfpflicht gehe. „Dies ist eine weitreichende Maßnahme, und daher ist es uns enorm wichtig, dieses Gesetz auf eine breite Basis zu stellen und möglichst viele unterschiedliche Stakeholder in den Prozess einzubinden“, so Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne).

Zum Auftakt laden er und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) am 30. November zu einem runden Tisch mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Verfassungsrecht, Gesundheit, dem Verfassungsdienst, der Bioethikkommission sowie Vertreterinnen und Vertretern von SPÖ und NEOS. In den kommenden Wochen sollen dann weitere Gespräche mit Expertinnen und Experten etwa aus dem medizinischen Bereich, mit Interessenvertretungen wie den Sozialpartnern und mit zivilgesellschaftlichen Organisationen folgen.

Anreizsystem „reicht nicht aus“

Die Anreizsysteme für die Covid-19-Schutzimpfung würden zwar Wirkung zeigen, so Mückstein. Mittlerweile seien 70 Prozent der Gesamtbevölkerung zumindest teilweise immunisiert und zwei Drittel hätten einen ausreichenden Impfschutz, um vor schweren Verläufen geschützt zu sein. „Aus epidemiologischer Sicht wissen wir aber: Das reicht nicht aus. Wir müssen alles tun, um uns bestmöglich vor bevorstehenden Infektionswellen zu schützen.“

Für die angekündigte Impfpflicht sei jedenfalls eine solide gesetzliche Grundlage notwendig, betonte Edtstadler. „Die Einführung der allgemeinen Impfpflicht greift natürlich in Grundrechte ein, ist aber ein notwendiger und gerechtfertigter Schritt angesichts der dramatischen Situation.“

FPÖ empört

Für Empörung sorgte die angekündigte Vorgangsweise bei der FPÖ, die vom Gesundheitsministerium nicht unter den Teilnehmern des runden Tischs genannt wurde. Die FPÖ sei die einzige Kraft, die diesem gravierenden Eingriff in die Grundrechte der Menschen entgegentrete und werde deshalb von der Regierung bei dieser seit Jahrzehnten schwerwiegendsten Gesetzesänderung gleich von Beginn an ignoriert – „das ist nicht nur ein Zeichen von Feigheit, sondern auch zutiefst undemokratisch“. Unterdessen würden immer mehr Menschen gegen den „Impfzwang“ auf die Straße gehen. „Diesen Umstand wird die Regierung schon bald nicht mehr länger ignorieren können, denn die Proteste werden größer und lauter werden.“

Schlagabtausch mit FPÖ

Die FPÖ werde abseits des runden Tischs selbstverständlich in den Prozess eingebunden, hieß es gegenüber der APA aus den Büros von Mückstein und Edtstadler mit Verweis auf die Begutachtung im Parlament und weitere parlamentarische Instrumente. Am Dienstag wolle man mit Experten ernsthaft und konstruktiv die noch zahlreichen offenen Fragen besprechen.

Die FPÖ habe allerdings wiederholt klargemacht, alles gegen die Einführung der Impfpflicht zu tun. „Das lässt nicht auf einen konstruktiven Beitrag schließen. Sollte sich hieran etwas geändert haben, stehe ich jederzeit für Gespräche zur Verfügung.“ Für plattitüdenhaftes Wiederholen vorgefertigter Meinungen bis hin zu Verschwörungserzählungen sei aber im Rahmen von Gesprächen mit Experten „angesichts der prekären Lage in den Spitälern keine Zeit“.

„Eine der gefährlichsten Verschwörungstheorien aktuell ist jene, dass die Impfung der Gamechanger ist“, entgegnete dem wiederum FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz. Die FPÖ hätte beim runden Tisch viele berechtigte Fragen rund um den „Impfzwang“ gehabt, die Hunderttausende Österreicher interessiert hätten. „Aber offenbar lädt sich Mückstein nur unkritische Geister und Ja-Sager ein, die der Regierung beim Impfzwang in vorauseilendem Gehorsam auf die Schulter klopfen.“

Katzian noch zurückhaltend

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sagte gegenüber Ö1, die allgemeine Impfpflicht werde angesichts der zu niedrigen Impfquoten in Österreich die einzige Möglichkeit sein, „die Pandemie zu bekämpfen und diesen Teufelskreis an Lockdowns zu durchbrechen“: „Wir müssen weg aus diesem ewigen Bedrohungsszenario mit Lockdown mit all seinen Folgen.“ Wichtig sei dabei freilich eine breite Einbindung der Parlamentsparteien, Sozialpartner und Experten. Es gebe noch viele offene Fragen.

ÖGB-Chef Wolfgang Katzian wollte unterdessen am Samstag in der „Kleinen Zeitung“ noch nicht sagen, ob er die geplante Impfpflicht befürworten wird. Momentan gebe es nur das Schlagwort. „Es sind alle Fragen offen. Kein Mensch weiß, was Impfpflicht genau heißt.“

Der Lockdown und die Impfpflicht seien als politische Entscheidung zu akzeptieren, sagte indes IV-Präsident Georg Knill im „Kurier“ (Samstag-Ausgabe). Die Impfung sei eine Lösung für die Pandemie. „Das muss man jetzt stark kampagnisieren“, sagt Knill. Die Industrie plädiert dafür, neben persönlichen und gesundheitlichen Aspekten auch soziale und wirtschaftliche in der Diskussion über eine Impfpflicht zu berücksichtigen.

Spekulationen über Details

Die „Salzburger Nachrichten“ zitieren wiederum aus derzeit kursierenden Arbeitspapieren zur geplanten Impfpflicht. Demnach ist eine Übergangsfrist von noch nicht näher bestimmter Dauer vorgesehen, auch ein Ablaufdatum soll es aller Voraussicht nach geben. Außerdem soll es voraussichtlich Ausnahmen etwa für jene geben, die laut Amtsarzt aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können, sowie teilweise für Schwangere und für Minderjährige, wobei die Altersgrenze laut Bericht noch offen ist.

Grundsätzlich solle die Impfpflicht für alle gelten, die in Österreich ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Dabei soll dezidiert festgehalten werden, dass die Impfpflicht nicht mit Zwang durchgesetzt wird, also niemand zwangsweise zur Impfung vorgeführt werden soll. Stattdessen sind Verwaltungsstrafen vorgesehen. Im Gesundheitsministerium wollte man den Bericht am Samstag gegenüber der APA inhaltlich nicht kommentieren, die Arbeitsprozesse würden jedenfalls noch laufen.