Bundeskanzler Alexander Schallenberg
APA/EXPA/Johann Groder
Coronavirus

Schlagabtausch zwischen Kanzler und FPÖ

Einen Schlagabtausch haben sich am Sonntag Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) und FPÖ-Chef Herbert Kickl geliefert. In einem Interview mit der italienischen Tageszeitung „Corriere della Sera“ warf Schallenberg der FPÖ Falschinformation und das Schüren von Ängsten vor. Das sei eine „österreichische Besonderheit in der Pandemie“. Ein Kanzler, der Kritik nicht versteht, solle zurücktreten, konterte Kickl.

„Die österreichische Besonderheit in der Pandemie ist die Anwesenheit einer politischen Kraft im Parlament, die unverantwortlich gegen die Wissenschaft handelt und kollektive Ängste schürt“, sagte Schallenberg im „Corriere della Sera“. „Der größte Unterschied zwischen Österreich und anderen europäischen Ländern besteht darin, dass die dritte Partei in unserem Parlament offen und lautstark gegen die Impfung ist und leugnet, dass sie der einzige Weg aus der Pandemie ist“, so der Bundeskanzler.

Für Kickl zeigt die Kritik an der FPÖ, dass der Kanzler von demokratischen Prozessen nichts halte und die von den Freiheitlichen kritisierten Inhalte schlichtweg nicht verstehe. „Die Freiheitliche Partei ist nicht gegen medizinische Eingriffe jeglicher Art, sondern für die freie Wahl der Entscheidung“, so Kickl in einer Aussendung. „Wer das nicht versteht, sollte schlichtweg zurücktreten.“

Impfpflicht als Ausweg aus Teufelskreis

Auf die Frage nach der Impfpflicht antwortete Schallenberg im „Corriere della Sera“: „Die Zahl der Ansteckungen nimmt exponentiell zu. Ich habe vielleicht zu lange gehofft, dass wir möglichst viele Österreicherinnen und Österreicher davon überzeugen können, sich freiwillig zu impfen. Leider hat es nicht funktioniert, und mit einer Durchimpfungsrate von 66 Prozent in der Gesamtbevölkerung werden wir aus diesem Teufelskreis nicht herauskommen“, warnte Schallenberg.

Die Impfpflicht soll in Österreich am 1. Februar 2022 in Kraft treten. „Zuvor erhalten alle, die nicht geimpft sind, eine Benachrichtigung, in der sie dazu aufgefordert werden. Wer dies bis zu diesem Datum nicht tut, muss eine hohe Geldstrafe zahlen. Aber für mich ist es der letzte Ausweg“, sagte Schallenberg.

Mückstein appelliert: „Vorsichtig sein“

„Der aktuelle Lockdown ist eine Notmaßnahme, um die vierte Coronavirus-Welle zu brechen. Die dadurch erreichte Kontaktreduktion hilft uns aber auch im Kampf gegen die Omikron-Variante“, sagte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und appellierte, „jetzt vorsichtig zu sein und die Schutzmaßnahmen einzuhalten“. Reiserückkehrerinnen und -rückkehrer aus dem südlichen Afrika sollen sich außerdem bei der AGES melden, sich einem PCR-Test unterziehen und sich mindestens fünf Tage in freiwillige Heimquarantäne begeben.

„Eines ist aber klar: Impfen, impfen, impfen bleibt der einzige Weg aus der Pandemie. Nur mit einer hohen Durchimpfungsrate sind wir gut gegen das Coronavirus geschützt“, so Mückstein. „Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin und lassen Sie sich bitte impfen.“ Schallenberg äußerte zugleich die Hoffnung, mit der 2-G-Regel die Skisaison zu retten. „Wir müssen aber auch schauen, was in den Nachbarländern geschieht. Deutschland startet einen Lockdown“, so Schallenberg.

Entwurmungsmittel weiter Streitthema

ÖVP-Klubobmann August Wöginger warf der FPÖ – allen voran Kickl – am Sonntag vor, „ungeniert Werbung“ für das Entwurmungsmittel Ivermectin zu machen, das für eine Covid-19-Behandlung nicht zugelassen sei. „Kickls gefährliches Spiel auf Kosten von Gesundheit und Menschenleben ist schlicht und einfach unfassbar verantwortungslos und für einen gewählten Volksvertreter absolut untragbar“, so Wöginger.

„Der sicherste und effektivste Weg aus der Pandemie ist und bleibt die Impfung“, sagte der ÖVP-Klubchef und warnte vor den „unsinnigen Therapievorschlägen“ Kickls unter Verweis auf zwei CoV-Patienten, die in Oberösterreich nach einer Ivermectin-Selbstbehandlung verstorben seien. Dass das Mittel durch die FPÖ-Darstellung als „angebliches Wundermittel gegen Corona“ für erhöhte Nachfrage sorgt, bekommt laut Wöginger auch der österreichische Zoll zu spüren. Der Schmuggel mit Tabletten des Entwurmungsmittels sei in den vergangenen Wochen stark gestiegen.

„Wir raten der ÖVP und den Grünen, auch kritische Stimmen zu hören, denn nicht anders wird es möglich sein, einerseits die österreichische Gesellschaft wieder zu vereinen und andererseits die Pandemie nachhaltig zu bekämpfen. Gerade angesichts der Omikron-Variante ist es wichtig, abseits der eingetretenen ‚Impfpfade‘ zu denken und forschen“, sagte wiederum FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak.

AK-Präsidentin Anderl: Impfanreize schaffen

Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl zeigte sich in der ORF-„Pressestunde“ am Sonntag vom Pandemiemanagement der Regierung enttäuscht. Diese habe zu spät reagiert und auch zu wenige Maßnahmen für höhere Impfquoten gesetzt. Sie sei zwar gegen Zwang, sagte Anderl und plädierte für mehr Anreize für jene, die aus Angst oder Unschlüssigkeit noch nicht geimpft sind. Als Beispiel nannte sie eine Impfprämie. Wegen der Lage in den Spitälern ist sie aber trotzdem für eine Impfpflicht. „Ich wüsste die Alternative nicht.“

AK-Präsidentin kritisiert CoV-Management

Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl übte in der ORF-„Pressestunde“ am Sonntag harsche Kritik an der CoV-Politik der Regierung. Anstatt auf Strafen zu setzen, hätte es rechtzeitig Überzeugungsarbeit und Anreize zur Impfung geben müssen.

Beim Gesetz für die geplante allgemeine Impfpflicht sei allerdings wichtig, dass dieses auf eine breite Basis gestellt werde, so Anderl. Die Arbeiterkammer werde sich auch genau die Konsequenzen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anschauen. Ungeachtet dessen müsse weiter darauf gesetzt werden, Ungeimpfte zu überzeugen statt zu strafen oder über das Ende von Gratistests zu diskutieren. „Hören wir auf mit der Spaltung in der Gesellschaft“, so ihr Appell.

Anderl stelle auch nur einen „Teil der Corona-Werbetrommel“, kritisierte FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch. Dass Anderl mit ihrer positiven Einstellung zur Impfpflicht 20 bis 25 Prozent mehr Arbeitslose in Kauf nehme, habe sie natürlich nicht erwähnt, so Belakowitsch.

Gipfel zu Lockdown und Impfpflicht

Am Montag findet im Bundeskanzleramt ein runder Tisch mit Schallenberg, Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Mückstein, Arbeiterkammer, ÖGB, Wirtschaftskammer (WKO) und Experten statt. Dabei werde eine Bestandsaufnahme nach einer Woche Lockdown durchgeführt und über das weitere Vorgehen beraten. WKO-Präsident Harald Mahrer forderte in der „Kronen Zeitung“, dass am 13. Dezember auf jeden Fall wieder aufgesperrt werden müsse, und kritisierte das lahme Impftempo.

Am Dienstag geht es mit einem runden Tisch zur Impfpflicht mit Mückstein, Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und fast allen Oppositionsparteien sowie Experten weiter. Die FPÖ nimmt nicht daran teil.