Ghislaine Maxwell
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Causa Epstein

Prozess gegen Ghislaine Maxwell startet

Knapp eineinhalb Jahre nach ihrer Verhaftung startet am Montag der mit Spannung erwartete Prozess gegen die mutmaßliche Sexualstraftäterin Ghislaine Maxwell in New York. Bei dem Verfahren gegen die Ex-Partnerin des verstorbenen Multimillionärs Jeffrey Epstein will die Staatsanwaltschaft die Jury davon überzeugen, dass Maxwell eine zentrale Rolle beim Missbrauch von Minderjährigen hatte.

In der Anklageschrift heißt es, die 59-Jährige habe den Missbrauch durch Epstein erleichtert, „indem sie mit Opfern über sexuelle Themen sprach, sie ermutigte, Epstein zu massieren, und sich vor einem Opfer auszog“. Sie sei zudem bei „bestimmten sexuellen Begegnungen zwischen minderjährigen Opfern und Epstein anwesend“ gewesen.

Maxwell bestreitet illegales Handeln. Ihre Verteidigung dürfte versuchen, ihre Mandantin von Epstein zu wegzurücken. In dem Prozess, der schätzungsweise sechs Wochen dauern wird, stützt sich die Staatsanwaltschaft auf vier Hauptzeuginnen. Die zu verhandelnden Fälle reichen von 1994 bis 2004, die mutmaßlichen Verbrechen sollen in Epsteins Anwesen in New York, Florida, Santa Fe und London stattgefunden haben.

Bestens vernetzter Multimillionär

Zu einem Prozess gegen den bestens vernetzten Multimillionär – und Bekannten unter anderen von Bill Clinton, Donald Trump, Bill Gates und dem britischen Prinzen Andrew – kam es nie, weil Epstein 2019 tot in seiner Gefängniszelle gefunden wurde. Gerichtsmediziner kamen zu dem Schluss, dass er Suizid begangen hatte. Maxwell ist in sechs Punkten angeklagt, ihr drohen im Falle einer Verurteilung viele Jahre Haft.

Nach Epsteins Tod war Maxwell untergetaucht, über ihren Aufenthaltsort gab es Spekulationen. Erst Monate später wurde sie verhaftet, in einem kleinen Ort im nordöstlichen US-Bundesstaat New Hampshire. Am Ende einer Sackgasse mitten in der Natur soll die 58-Jährige Medienberichten zufolge im Dezember für eine Million Dollar in bar (rund 880.000 Euro) und geschützt durch eine Tarnfirma das Anwesen „Tuckedaway“ (versteckt) gekauft haben.

Mysteriöser Tod des Vaters

Maxwell gilt als wichtige Protagonistin im Epstein-Skandal und ist eine schillernde Figur – allein schon durch ihre Familiengeschichte. Sie war das neunte Kind des britischen Medienzaren Robert Maxwell und der französischstämmigen Holocaust-Forscherin Elisabeth Meynard.

Vater Maxwell verschwand 1991 von der Jacht, die er nach seiner Tochter benannt hatte, der „Lady Ghislaine“. Das Schiff wurde vor den Kanaren entdeckt, die Leiche Maxwells später im Meer. Um die Todesursache ranken sich seither zahllose Gerüchte.

Nach seinem Tod wurde bekannt: Robert Maxwell hatte viel Geld aus der Pensionskasse seiner Verlage gestohlen, um einen Bankrott seines Imperiums abzuwenden. Die Familie dementierte strikt, dass es sich um Suizid handeln könnte. Ghislaine Maxwell selbst glaubte an Mord, konnte aber keine Beweise liefern.

Ghislaine Maxwell mit Jeffrey Epstein auf einem Plakat der Staatsanwaltschaft
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Maxwell und Epstein (hier auf einem Plakat der Staatsanwaltschaft) verkörperten damals Erfolg und Reichtum

Mit Epstein liiert

Geboren in Frankreich und aufgewachsen in der Nähe des englischen Oxford, siedelte Ghislaine Maxwell nach dem Tod ihres Vaters in die USA über. In New York arbeitete sie für ein Wohnungsunternehmen und lernte auf einer Party den Investmentbanker Epstein kennen. Einige Jahre waren sie liiert, später sprach er von seiner „besten Freundin“.

Maxwells beste Kontakte zur britischen High Society stehen nun auch im Mittelpunkt des Verfahrens. Sie hatte Epstein mit Prinz Andrew bekannt gemacht, dem nun ebenso eine Verwicklung in den Missbrauchsskandal vorgeworfen wird. Eine Frau behauptet, dass er sie als Minderjährige missbraucht habe. Mit einem BBC-Interview wollte der 60-Jährige sich zur Wehr setzen, doch das Gespräch geriet zum PR-Debakel. Prinz Andrew wurde als unglaubwürdig und wenig einfühlsam wahrgenommen. Seither zieht sich der Herzog von York zurück.

Prince Andrew, Ghislaine Maxwell und Jeffrey Epstein
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Beste Kontakte: Prinz Andrew (2. v. l.), Maxwell (4. v. l.) und Epstein (5. v. l.) in Ascot im Jahr 2000

Andrew will von den Machenschaften seines Freundes Epstein nichts mitbekommen haben. Auch die Bekanntschaft zu der Frau, die ihn beschuldigt, stritt er ab, obwohl ein gemeinsames Foto zusammen mit Maxwell existiert. Prinz Andrew hatte Maxwell und Epstein des Öfteren auf verschiedenen Anwesen des US-Milliardärs besucht. Der Missbrauch der Dutzenden Frauen und Mädchen fand laut Anklageschrift hauptsächlich in Epsteins Häusern in New York, Palm Beach und Santa Fe sowie in Maxwells Wohnsitz in London statt.

Organisation eines Systems

Auch auf dem Gebiet der Amerikanischen Jungferninseln soll Epstein auf seinen zwei Privatinseln Dutzende minderjährige Mädchen vergewaltigt und gefangen gehalten haben. Laut Generalstaatsanwältin Denise George habe er dort ein „umfassendes System des Menschenhandels und des sexuellen Missbrauchs junger Frauen“ betrieben. Ihren Angaben zufolge wurden Mädchen im Alter zwischen elf und 17 Jahren mit dem Schiff, Hubschrauber und Flugzeug zu Epsteins Luxusanwesen Little Saint James auf den Jungferninseln gebracht. Epstein hatte laut George auch eine Datenbank angelegt, um die Verfügbarkeit und die Bewegungen von Frauen und Mädchen nachverfolgen zu können.

Bei vielen Fällen soll Maxwell Epsteins Komplizin gewesen sein. Sie soll Beziehungen zu den mutmaßlichen Opfern aufgebaut und ihr Vertrauen erschlichen haben. Maxwell soll laut Anklage die Frauen und Mädchen überzeugt haben, Epstein nackt zu massieren, woraufhin sie von dem Millionär missbraucht wurden. Zudem wird ihr vorgeworfen, die Reise von Minderjährigen zu Häusern Epsteins organisiert zu haben.