Autowerksarbeiter beim Zusammenbauen eines Autos
AP/CTK/Josef Vostarek
Autokonzerne

Rekordgewinne mit Schönheitsfehlern

Lieferengpässen und Chipmangel zum Trotz haben die 16 weltgrößten Autohersteller im dritten Quartal mehr Gewinn erzielt als je zuvor. Das zeigt eine am Montag veröffentlichte Analyse des Beratungsunternehmens EY. Grund zum Feiern hat die Autoindustrie aber nicht. Produktion und Absatz gingen zurück, die Zulieferer geraten zunehmend ins Straucheln.

Den Anstieg des operativen Gewinns von über elf Prozent auf fast 23,1 Milliarden Euro zwischen Juli und September bezeichnete EY als „neues Rekordniveau“. Zugleich ging aber auch der Absatz der großen Autokonzerne um 16 Prozent zurück. Ihr Gesamtumsatz schrumpfte laut EY um 1,6 Prozent auf 371 Milliarden Euro.

Bei den großen Produzenten wirkte sich das bisher noch nicht auf die wirtschaftliche Situation aus. Der Großteil der von EY untersuchten Firmen konnte den Börsenwert seit Jahresbeginn steigern – um 41 Prozent auf insgesamt 1,8 Billionen Euro. Mit verantwortlich für die hohen Gewinne ist auch die Preisgestaltung.

Mehr teure Autos, aber weniger Absatz

„Eine derartig gute Preisdurchsetzung hat die Branche schon sehr lange nicht erlebt“, sagte EY-Experte Constantin Gall. Denn die knappen Chips würden vor allem in „hochpreisige und margenstarke Fahrzeuge eingebaut“. Zudem übersteige die Nachfrage das Angebot, und es gebe daher kaum Rabattaktionen der Hersteller. Gall erwartet auch in den kommenden Monaten, dass die Preise hoch bleiben.

Weltweit geht aber der Absatz zurück – vor allem in China zuletzt um 26 Prozent. Dieser Rückgang spiegelt sich auch in den sinkenden Exportzahlen der deutschen Autohersteller wider. Im dritten Quartal wurden um mehr als 17 Prozent weniger Pkws aus Deutschland exportiert, hieß es vom deutschen Statistischen Bundesamt am Montag. Die Importe fielen um fast 30 Prozent. Der Rückgang ist vor allem bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zu verzeichnen. Bei E-Autos gab es Zuwächse.

Neue Autos auf einem großen Parkplatz
APA/AFP/Michal Cizek
Aufgrund von fehlenden Komponenten wie Halbleitern gingen Produktion und Absatz bei vielen Autoherstellern zurück

Wachstum ab Mitte 2022 erwartet

Der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research (CAR) rechnet für das gesamte Jahr mit einem Absatzrückgang von acht Prozent im Vergleich zum ohnehin schwachen Jahr 2020 auf dem deutschen Markt. Er rechnet erst in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres mit einem stärkeren Wachstum.

Experten erwarten, dass sich bis Jahresende die Chipkrise noch stärker auf die Hersteller auswirken wird. Auch die Pandemie spielt weiterhin eine Rolle. „Die stark steigenden Infektionszahlen in einigen Ländern und harte Gegenmaßnahmen könnten erneut zu größeren Verwerfungen, weiteren Produktionsausfällen und Logistikstörungen führen“, analysierte EY.

Zulieferer in Schwierigkeiten

Die Zulieferbetriebe in der Autoindustrie kämpfen schon jetzt. Nur noch knapp ein Viertel sei finanziell solide aufgestellt, zeigt eine Untersuchung der Unternehmensberatung PwC unter 494 Zulieferern in 35 Ländern. Im Sommer hätten Autohersteller und Zulieferer noch von Nachholeffekten und der steigenden Nachfrage nach E-Autos profitiert, sagte PwC-Branchenexperte Thomas Steinberger. Von Autoherstellern seien aus Sorge um die Lieferketten die Bestellungen hochgefahren worden. „Diese werden jedoch aktuell nicht abgerufen, da die Autohersteller aufgrund des Chipmangels nur verzögert Fahrzeuge ausliefern können.“

Erst am Montag vermeldete der weltgrößte Hersteller Toyota, dass aufgrund des Chipmangels und anderer fehlender Komponenten im Oktober rund ein Viertel weniger produziert wurde. Die Zulieferer bleiben mit überhöhten Lagerbeständen zurück bei steigenden Rohstoff- und Energiepreisen. Steinberger erwartet „weitere und härtere Restrukturierungsmaßnahmen“, sollte sich die Lage nicht bald entspannen. Diese existenziellen Schwierigkeiten könnten sich wiederum auf die Autohersteller auswirken – „letztlich sitzen Hersteller und Zulieferer im selben Boot, die Hersteller sind auf solvente Zulieferunternehmen angewiesen“, ist EY-Experte Peter Fuß überzeugt.

„Derzeit fahren alle auf Sicht“

Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht rechnet im Interview mit der dpa mit einer nachhaltigen Veränderung der Industrie, sollten der Chipmangel und die damit verbundenen Produktionsstopps andauern: „Die Fahrzeughersteller werden künftig selbst Rohstoffe und Schlüsselkomponenten direkt beim jeweiligen Lieferanten einkaufen und sich nicht mehr allein auf die großen Zulieferer als Systemlieferanten verlassen.“

Auch Branchenexperte Gall von EY spricht die Beziehungen zwischen Herstellern und Zulieferern an und plädiert für verlässliche Partnerschaften. Diese müssten künftig wichtiger sein, als „das letzte Quäntchen an Kostenoptimierung herauszuholen“. Auf kurze Sicht gebe es etwa aufgrund langfristiger Verträge aber wenig Spielraum: „Derzeit fahren alle auf Sicht.“