Ein Strand auf der Karibikinsel Barbados
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Nunmehr Republik

Barbados kehrt Queen den Rücken

Es ist das erste Mal seit fast drei Jahrzehnten, dass sich wieder ein Land von der britischen Krone losgesagt hat: In der Nacht auf Dienstag, exakt 55 Jahre nach ihrer Unabhängigkeit, wurde die ehemalige britische Kolonie Barbados zur jüngsten Republik der Welt. Der Schritt könnte Nachahmer finden – spätestens nach Ende der Regentschaft von Queen Elizabeth II.

Im Beisein des britischen Thronfolgers Prinz Charles wurde Richterin Sandra Mason feierlich als erste Präsidentin und neues Staatsoberhaupt von Barbados vereidigt. Kurz nach Mitternacht gab es für Mason Salutschüsse und eine Parade der Staatsbediensteten auf dem Platz der Nationalhelden in der Hauptstadt Bridgetown. Nicht dabei war eine Statue des britischen Admirals Horatio Nelson. Sie war vor einem Jahr von dem zentralen Platz, wo die Helden des Landes geehrt werden sollen, entfernt worden.

Barbados ist nicht die erste ehemalige britische Kolonie in der Karibik, die eine Republik wurde. Guyana unternahm diesen Schritt 1970. Trinidad und Tobago folgte 1976 und Dominica 1978. Alle drei blieben innerhalb des Commonwealth, einer losen Vereinigung unabhängiger Staaten, die als Nachfolge des British Empire gilt – auch Barbados gedenkt, das zu tun. Fernab der Karibik war Mauritius 1992 das letzte Land, das Queen Elizabeth II. als Staatsoberhaupt absetzte.

Prinz Charles und die neue Präsidentin der Republik Barbados Sandra Mason
Reuters/Toby Melville
Prinz Charles war bei der Vereidigung der neuen Präsidentin Sandra Mason anwesend

Im Herbst vorigen Jahres, als die Insel ihren Gang in die Republik verkündet hatte, hieß es aus dem Buckingham Palace lediglich, die Entscheidung sei Sache der Regierung und des Volkes von Barbados, sie komme nicht „aus heiterem Himmel“ und sei schon oft „erörtert und öffentlich diskutiert“ worden. Prinz Charles, der seine 95 Jahre alte Mutter in Barbados vertrat, sagte dort: Auch wenn sich einiges ändere, werde manches gleich bleiben – etwa die „enge und vertrauensvolle Partnerschaft“ und gemeinsame Werte.

„Koloniale Vergangenheit hinter uns lassen“

Seit Dienstag ist nun nicht mehr Elizabeth II. Staatsoberhaupt, sondern die bisherige Generalgouverneurin von Barbados, Sandra Mason. „Es ist an der Zeit, unsere koloniale Vergangenheit vollständig hinter uns zu lassen“, sagte sie. „Die Barbadier wollen ein Staatsoberhaupt aus Barbados. Das ist die ultimative Erklärung des Vertrauens in das, was wir sind und was wir erreichen können.“

Neue Präsidentin der Republik Barbados Sandra Mason und Sängerin Rihanna
Reuters/Toby Melville
Auch Popstar Rihanna (rechts) war bei der Zeremonie dabei

Die 72-jährige Mason ist auf der Tropeninsel aufgewachsen. Sie arbeitete als Lehrerin und für eine Bank, bevor sie Jus studierte. Sie war die erste Frau auf Barbados, die eine Zulassung als Anwältin bekam, 1978 wurde sie Familienrichterin, später rückte sie in den obersten Gerichtshof auf. 2018 wurde sie zur Generalgouverneurin ernannt.

Dass sie ihr Land auch schon als Diplomatin vertreten hat, dürfte ihr jetzt zupasskommen – ihre Aufgabe wird weitgehend symbolisch sein, die Amtsgeschäfte verbleiben bei Premierministerin Mottley. An der Zeremonie nahm auch Popstar Rihanna teil. Mottley verkündete, dass die barbadische Sängerin, die auch Sonderbotschafterin ihres Landes ist, in den Orden der Nationalhelden aufgenommen werde.

Neue Präsidentin der Republik Barbados Sandra Mason
Reuters/Jeff J Mitchell
Statt Queen Elizabeth II. ist nun Sandra Mason das Staatsoberhaupt

Britischste aller Karibikkolonien

Fast 400 Jahre ist es her, dass das erste englische Schiff auf der östlichsten der Karibikinseln ankam, zwischen 1625 und 1966 war sie durchgehend eine britische Kolonie. „Das ist im Vergleich zu allen anderen Inseln eine Ausnahmestellung“, sagte Christian Cwik, Historiker am interamerikanischen Institut der Universität Graz, unlängst gegenüber dem Schweizer Radio und Fernsehen (SRF). „Aufgrund dieser Nähe zu Großbritannien entwickelte sich Barbados auch über die Jahrhunderte hindurch zur wahrscheinlich englischsten und dann später zur britischsten Insel aller britischen ‚West Indies‘. So gesehen ist der Bruch, der hier stattgefunden hat, sehr interessant und auch sehr symbolhaft.“

„Barbados war das erste Laboratorium des englischen Kolonialismus in den Tropen“, sagte Richard Drayton, Professor für imperiale und globale Geschichte am Kings College London, gegenüber CNN. „In Barbados verabschiedeten die Engländer zum ersten Mal Gesetze, die die Rechte von Menschen, die sie ‚Neger‘ nannten, von jenen der anderen unterschied.“ Dieses Modell sei dann auf alle Kolonien in der Karibik übertragen worden.

Der Wunsch, sich als Republik neu zu erfinden, sei auf Barbados seit zumindest zwei Jahrzehnten gereift, sagte Cynthia Barrow-Giles, Professorin für Verfassungsrecht und Politik an der University of the West Indies (UWI) in Cave Hill, Barbados, gegenüber CNN – er spiegle „den Input aus Befragungen der Regierung auf der Insel und innerhalb der Diaspora wider“.

Schwierige Voraussetzungen für Neustart

Allerdings gebe es auch einige Bedenken hinsichtlich der Vorgehensweise – der Schritt erfolge zu schnell, die Bevölkerung sei nicht hinreichend eingebunden worden. Diese Meinung teilt auch Ronnie Yearwood, Dozent für Rechtswissenschaften an der UWI Cave Hill in Barbados. Auch er befürwortet die Ausrufung der Republik, doch die Regierung habe sich nur auf das Ergebnis und nicht auf den Übergangsprozess konzentriert. Ein Referendum wäre aus seiner Sicht notwendig gewesen.

Umso mehr, als das Land derzeit andere Sorgen hat: Unterbrechungen in der Versorgungskette treiben die Preise in dem stark importabhängigen Land in die Höhe. Die Tourismusindustrie, ein wichtiger Teil der Wirtschaft, leidet enorm unter den Reisebeschränkungen wegen der Pandemie. Die Arbeitslosigkeit ist von neun Prozent in den letzten Jahren auf aktuell fast 16 Prozent gestiegen, obwohl die Regierung für Projektfinanzierungen und Schaffung von Arbeitsplätzen viel Geld in die Hand genommen hat.

Grafik zur Queen als Staatsoberhaupt
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

„Letzte Dekolonialisierungswelle“

Nach dem offiziellen Abschied von Barbados ist die Queen künftig weiterhin Staatsoberhaupt von insgesamt 15 Ländern: Neben dem Vereinigten Königreich sind das Australien, Kanada, Neuseeland, Antigua und Barbuda, Belize, Grenada, Jamaika, Papua-Neuguinea, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, die Salomonen, die Bahamas und Tuvalu.

„Die Tatsache, dass Prinz Charles zu diesem für das Land sehr wichtigen Anlass in Barbados sein wird, zeigt, dass es in der königlichen Familie keinen Widerstand gibt und dass der Übergang im Grunde genommen befürwortet wird“, sagte die Verfassungsrechtlerin Barrow-Giles. Nach einer solchen einvernehmlichen Trennung könnten andere Länder dem Beispiel folgen – spätestens nach dem Tod der hochangesehenen Queen und der Thronfolge. Historiker Cwik sieht das ebenso: „In der aktuellen Dekade könnte eine letzte Dekolonialisierungswelle losbrechen. Und Barbados könnte der Stein des Anstoßes dazu sein.“