Karoline Edtstadler (ÖVP) und Wolfgang Mückstein (Grüne) bei der Pressekonferenz zur Impfpflicht
APA/Roland Schlager
Impfpflicht

Weitere Gespräche sollen Details klären

Am Dienstag ist im Bundeskanzleramt ein runder Tisch zur Impfpflicht über die Bühne gegangen – als Auftakt einer breiteren Diskussion, so die Regierung. Sie geht fix von der Einführung der Impfpflicht – möglicherweise für Personen ab 14 Jahren – im Februar aus. Details sollen bei weiteren Treffen besprochen werden, diese Woche soll es noch zwei Runden geben.

Es habe einen konstruktiven ersten Austausch am runden Tisch gegeben, so Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) am Dienstag unisono. Sie hatten zuvor ins Bundeskanzleramt geladen, mit dabei waren Fachleute aus Medizin, Verhaltensökonomie und Justiz sowie die Chefinnen der Oppositionsparteien SPÖ und NEOS, Pamela Rendi-Wagner und Beate Meinl-Reisinger.

Man habe sehr viel an Expertise erhalten, so Edtstadler nach dem Gespräch bei einer Pressekonferenz. Man habe sich die Impfpflicht nicht gewünscht, doch nun sei diese nötig. „Die Impfpflicht kann dann gerechtfertigt sein, wenn das übergeordnete Ziel, der allgemeine Gesundheitsschutz, damit erreicht werden kann“, so die Verfassungsministerin.

Edtstadler entschuldigte sich zudem bei jenen, „die da draußen sind und sich noch nicht abgeholt bzw. ausreichend informiert fühlen“. Diesbezüglich habe es auch Versäumnisse gegeben. „Natürlich ist nicht alles ideal gelaufen in der Vergangenheit.“ Die Impfung sei aber der „einzige Exit“ aus der Pandemie. Derzeit gebe es bei der Impfpflicht noch viele offene Fragen, medizinisch und juristisch. Das Treffen am Dienstag sei daher nur ein Auftakt gewesen.

Angepeiltes Startdatum bleibt

Auch Mückstein lobte den „fruchtvollen Austausch“ am Dienstag. Die Zahl der Impfungen sei zuletzt mit 107.000 Dosen am Tag gestiegen. „Aber aus epidemiologischer Sicht reicht das nicht.“ Es brauche die Einführung der Impfpflicht, auch wenn diese Entscheidung niemandem leichtgefallen sei. Österreich gehe hier voran angesichts der Tatsache, dass die Pflicht auch in vielen anderen Ländern schon diskutiert werde.

Mückstein betonte, es werde für das entsprechende Gesetz eine „ordentliche Begutachtung“ von vier Wochen geben. Nach dem Beschluss durch National- und Bundesrat werde es Anfang Februar in Kraft treten.

Runder Tisch zu geplanter Impfpflicht

Am Dienstag fanden im Bundeskanzleramt Beratungen zwischen Regierung, Opposition und Fachleuten zur geplanten CoV-Impfpflicht statt. Konkrete Ergebnisse gab es noch nicht.

Altersgrenze von 14 Jahren möglich

Auf Details gingen die beiden Regierungsmitglieder kaum ein. Vieles sei noch zu besprechen, etwa die Höhe der Strafen, ob man für einen Verstoß mehrfach bestraft werden könne und ob man sich etwa auch durch eine Impfung einer Sanktion entziehen könne. Wahrscheinlich werde die Impfpflicht nicht für Volksschulkinder gelten, so Edtstadler. Möglich sei etwa eine Altersgrenze von 14 Jahren.

Mückstein richtete noch eine Bitte an bisher ungeimpfte Menschen: „Bitte warten Sie nicht ab, bis das Gesetz in Kraft tritt!“ Es zähle gerade jetzt jede Impfung, um die vierte Welle zu brechen, besonders jede Boosterimpfung. Das sehe man am Beispiel Israel.

Analyse von Claudia Dannhauser (ORF)

Claudia Dannhauser (ORF) analysiert die Pressekonferenz von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) zur geplanten CoV-Impfpflicht.

SPÖ für Staffelung bei Strafen

Vor Beginn der Gespräche hatten sich schon Rendi-Wagner, Infektiologe Christoph Wenisch und Medizinrechtsexperte Karl Stöger explizit für die Impfpflicht ausgesprochen. Eine hohe Durchimpfungsrate sei der einzige Weg, um den „Teufelskreis an Lockdowns zu durchbrechen“, so Rendi-Wagner. Die Impfpflicht sei notwendig, weil es die Regierung nicht geschafft habe, die Impfrate zu erhöhen. Wenn die Pflicht im Februar in Kraft trete, „haben wir gute Chancen, den nächsten Herbst ohne Lockdown zu schaffen“, so Rendi-Wagner.

Daher brauche es einen „raschen Fahrplan“. Zu einer etwaigen Strafhöhe wollte die SPÖ-Chefin nichts sagen, denn das solle in der Runde diskutiert werden. Sanktionen müsse es aber geben. Geht es nach der SPÖ, müssten diese „sozial“ gestaffelt sein. Angesprochen auf kritische Stimmen in der eigenen Partei meinte Rendi-Wagner, dass sie diese nicht vernehme, vielmehr sei es in der SPÖ „einhellige Meinung“, dass diese Pflicht derzeit notwendig sei, um weitere Lockdowns zu vermeiden.

Wie Rendi-Wagner auch bezeichnete Meinl-Reisinger die erste Diskussionsrunde als „konstruktiv und intensiv“. Ihr sei wichtig, „dass wir alle gemeinsam daran arbeiten, dass wir alle unsere Freiheit wieder zurückbekommen – und kein Lockdown mehr notwendig ist“, so Meinl-Reisinger.

Stöger: „Letztes Mittel“

Wenisch sprach sich gegen eine Orientierung an der bis 1981 geltenden Impfpflicht für Pocken aus. Diese sei eine andere Art der Impfung gewesen – mit einer höheren und nachhaltigeren Wirkung. Gegen CoV müsse man dagegen immer wieder impfen, auch sei der Schutz vor einer Übertragung nicht vollständig gegeben. Im Endeffekt müsse man sich daran orientieren, wie viele Patienten in Intensiv- bzw. Normalstationen man aushalten wolle. Ziel müsse es sein, dass es von der Belastung in den Spitälern her wie die Grippe werde. Diese höhere Belastung für ein, zwei Monate im Winter halte man aus.

Stöger sagte, man sei sich unter den Verfassungsjuristen einig, dass die Impfpflicht „als letztes Mittel“ zulässig ist, auch wenn man den Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte nicht kleinreden solle. Die Pflicht solle so weit gehen wie notwendig, aber eben auch nicht weniger weit. Eine Impfpflicht für Kinder unter zwölf Jahren wäre seiner Ansicht nach derzeit „nicht unproblematisch“. Die Zulassung für den entsprechenden Impfstoff sei erst vor Kurzem erfolgt, es fehlten im Unterschied etwa zu älteren Kindern und Jugendlichen daher noch die Erfahrungswerte.

Kickl will rechtlich gegen Pflicht vorgehen

Nicht eingeladen zu den Verhandlungen am Dienstag war die FPÖ, die eine Impfpflicht kategorisch ablehnt. Parteichef Herbert Kickl kritisierte erwartungsgemäß bei einer eigenen Pressekonferenz die Regierung. „Man will offenbar unter sich sein, keine kritischen Fragen haben und Gegenpositionen hören.“

Es sei eine Schande, dass sich die anderen Oppositionsparteien – SPÖ und NEOS – „für dieses Spiel hergeben“, sagte der FPÖ-Chef. Die Coronavirus-Situation sei deswegen so eklatant, „weil wir die dümmste, die verlogenste und die sadistischste Regierung haben, die es in Europa gibt“.

Auch wenn zur Impfpflicht noch kein Gesetzesentwurf vorliegt, habe man bereits ein Rechtsgutachten eingeholt. Auch eine Individualbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) gegen den Lockdown sei anhängig, so Kickl. Die Höchstrichter sollten „in die Gänge kommen“. Eine Impfpflicht sei jedenfalls nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen.

Zudem kündigte Kickl eine neue Protestkundgebung am 11. Dezember an. Die FPÖ sei nicht generell gegen die Impfung, sondern für die Freiheit, diese in Anspruch zu nehmen oder eben nicht. „Wir kämpfen dafür, dass niemandem ein Nachteil erwächst, der die Impfung ablehnt.“

FPÖ-Chef Kickl gegen Impfpflicht

FPÖ-Chef und -Klubobmann Herbert Kickl übte nach seiner CoV-Infektion im Rahmen einer Pressekonferenz Kritik am Pandemiemanagement der Regierung. Er sprach sich zudem gegen die geplante Impfpflicht aus.

Kickl hatte sich erstmals seit seiner CoV-Infektion und Quarantäne wieder in der Öffentlichkeit gezeigt. Er sei „motiviert und voller Tatendrang“, es gehe ihm gut. Er sei ein „fieberfreier Infizierter mit milden Symptomen“ gewesen. Ob er auch mit dem Entwurmungsmittel Ivermectin, das nicht zur Covid-19-Behandlung geeignet ist, behandelt wurde, wollte er nicht sagen – es gebe ein ganzes „Arsenal“ von Medikamenten, sagte er. Einiges davon habe er nicht gebraucht.

Vorarlberg: Lehrer drohen mit Kündigung

Nicht nur die FPÖ stellte sich am Dienstag gegen die geplante Impfplicht. Auch 150 Lehrpersonen in Vorarlberg sprachen sich dagegen aus, im Fall der Pflicht wollen sie sogar kündigen. Das wird zumindest in einem anonym verfassten Schreiben, das der Bildungsdirektion noch zugeschickt werden soll, behauptet.

Doch auch bei Kündigung dürften die Lehrpersonen nicht der Impfpflicht entgehen. Diese soll bekanntlich für alle erwachsenen Menschen in Österreich gelten – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.