Aufgezogene Impfspritzen
APA/Georg Hochmuth
Impfpflicht

Debattenauftakt zu heiklem Thema

Der runde Tisch von Politik und Fachleuten am Dienstag zur geplanten Impfpflicht hat noch keine konkreten Ergebnisse gebracht. Das Treffen solle der Auftakt für eine breite Debatte sein, hieß es von der Regierung. Sie will dieses Mal auch alle politischen Kräfte im Boot haben – außer die FPÖ.

Der Ton war freundlich, die Dankesworte umfänglich: Nach dem runden Tisch von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) am Dienstag betonten beide Seiten die Konstruktivität aller am Gespräch Beteiligten. Vergessen schienen die Querelen und Kommunikationsmängel der vergangenen Wochen. Bei der Impfpflicht scheint die Regierung den Schulterschluss zu suchen.

Mit am runden Tisch saßen neben Fachleuten aus Medizin, Verhaltensökonomie und Justiz auch die Oppositionsparteien SPÖ und NEOS. Auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sprach im Anschluss von einem „sehr guten“ Gespräch.

Es habe bereits am Dienstag viel an Expertise gegeben, man sei sich einig gewesen, dass – obwohl sich niemand die Impfpflicht gewünscht habe – im Moment kein Weg daran vorbeiführe, so Edtstadler. Sie wandte sich in der Pressekonferenz nach dem Treffen zudem direkt an jene, „die da draußen sind und sich noch nicht abgeholt bzw. ausreichend informiert fühlen“. Diesbezüglich habe es auch Versäumnisse gegeben. „Natürlich ist nicht alles ideal gelaufen in der Vergangenheit“, sagte sie.

Runder Tisch zu geplanter Impfpflicht

Am Dienstag fanden im Bundeskanzleramt Beratungen zwischen Regierung, Opposition und Fachleuten zur geplanten CoV-Impfpflicht statt. Konkrete Ergebnisse gab es noch nicht.

Mögliche Altersgrenze von 14 Jahren

Ab Februar soll die allgemeine CoV-Impfplicht in Österreich gelten. Details, etwa über die Höhe und Dauer von Strafen, gab es vorerst noch nicht. Erstmals wurde aber eine mögliche Altersgrenze für die Impfpflicht genannt: Bei den Gesprächen sei wiederholt das Alter von 14 Jahren genannt worden, so Edtstadler. Ab diesem Zeitpunkt werde man in Österreich auch strafmündig. Keine Impfpflicht werde es sehr wahrscheinlich für Volksschulkinder geben.

Noch diese Woche sollen die Verhandlungen weitergehen, auch mit Beteiligung von zivilgesellschaftlichen Akteuren. Kommende Woche soll der entsprechende Gesetzesentwurf dann in Begutachtung gehen – vier Wochen lang, wie Mückstein betonte. Kritik wegen zu kurzer Begutachtungsfristen oder Alleingängen, wie etwa in der Vergangenheit bei CoV-Maßnahmenpaketen, will man nicht mehr riskieren.

Analyse von Claudia Dannhauser (ORF)

Claudia Dannhauser (ORF) analysiert die Pressekonferenz von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) zur geplanten CoV-Impfpflicht

Frontalangriff von Kickl

Genügend Anlass zur Kritik sah dennoch die FPÖ. Am Dienstag trat Parteichef Herbert Kickl bei einer eigenen Pressekonferenz erstmals nach seiner CoV-Erkrankung an die Öffentlichkeit. Die FPÖ war zu den Beratungen im Kanzleramt nicht geladen. „Man will offenbar unter sich sein, keine kritischen Fragen haben und Gegenpositionen hören“, so Kickl. Es sei eine Schande, dass sich die anderen Oppositionsparteien – SPÖ und NEOS – „für dieses Spiel hergeben“, sagte der FPÖ-Chef. Die Coronavirus-Situation sei deswegen so eklatant, „weil wir die dümmste, die verlogenste und die sadistischste Regierung haben, die es in Europa gibt“.

FPÖ-Chef Kickl gegen Impfpflicht

FPÖ-Chef und -Klubobmann Herbert Kickl übte nach seiner CoV-Infektion im Rahmen einer Pressekonferenz Kritik am Pandemiemanagement der Regierung. Er sprach sich zudem gegen die geplante Impfpflicht aus.

Auch wenn zur Impfpflicht noch kein Gesetzesentwurf vorliegt, habe man bereits ein Rechtsgutachten eingeholt. Auch eine Individualbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) gegen den Lockdown sei anhängig, so Kickl. Die Höchstrichter sollten „in die Gänge kommen“. Eine Impfpflicht sei jedenfalls nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen. Die FPÖ sei nicht generell gegen die Impfung, sondern für die Freiheit, diese in Anspruch zu nehmen oder eben nicht. „Wir kämpfen dafür, dass niemandem ein Nachteil erwächst, der die Impfung ablehnt.“

Verhältnismäßigkeit als Gebot

Es scheint also wahrscheinlich, dass die Impfpflicht früher oder später vor dem VfGH landen wird. Fachleute sind allerdings der Ansicht, dass die Impfpflicht halten kann. „Es ist nun einmal so, dass unter Verfassungsjuristinnen und Verfassungsjuristen in Österreich Einigkeit besteht, dass eine Impfpflicht als letztes Mittel zulässig ist, um die Pandemie in den Griff zu bekommen“, so Karl Stöger vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Uni Wien am Dienstag. Auch er war an den Gesprächen beteiligt.

Die Impfpflicht sei „natürlich ein Eingriff in die Grund- und Menschenrechte“, so Stöger. „Das soll man gar nicht kleinreden, und genau deswegen ist es sehr, sehr wichtig, dass ein Gesetzesvorschlag, der jetzt erarbeitet werden soll, darauf achtet, dass das Ganze verhältnismäßig ist und nicht weiter geht, als das notwendig ist, aber doch so weit, dass es uns gelingt, die Situation nachhaltig zu entschärfen.“

Die Verhältnismäßigkeit hängt von verschiedenen Faktoren ab, etwa von der Strafhöhe. Die SPÖ sprach sich hier für eine soziale Staffelung aus. Dazu sagte der Verfassungsjurist Heinz Mayer am Dienstag im Ö1-Mittagsjournal, man müsse eine Strafe im Einzelfall bemessen, „nach dem Einkommen des Betreffenden, nach dem Ausmaß wie das öffentliche Interesse verletzt wurde und letztlich auch nach der Schuld des Betreffenden und dann gibt es Straferschwerungs- und Strafmilderungsgründe. Das muss ja alles berücksichtigt werden“, so Mayer.

„Warten Sie nicht ab“

Die Frage, ob die Impfplicht auch eingeführt wird, wenn bis Februar die Impfrate noch deutlich steigen sollte, wurde am Dienstag ebenso wenig beantwortet. Mückstein richtete nur erneut einen Appell an bisher ungeimpfte Menschen: „Bitte warten Sie nicht ab, bis das Gesetz in Kraft tritt!“ Es zähle gerade jetzt jede Impfung, um die vierte Welle zu brechen, besonders jede Boosterimpfung. Das sehe man am Beispiel Israel.