Menschen in einer Einkaufsstraße
APA/Roland Schlager
Öffnungszeiten

Pandemie lässt an altem Tabu rütteln

Der erneute Lockdown setzt dem Handel zu. Um zumindest einen Teil der Umsatzeinbußen zu kompensieren, waren Rufe nach einer außertourlichen Sonntagsöffnung laut geworden, der 19. Dezember wurde schließlich zum Einkaufstag erklärt. Die Debatte über die Sonn- und Feiertagsöffnung ist damit aber nicht zu Ende – im Gegenteil: Die Coronavirus-Pandemie hat das Thema wieder aktuell werden lassen.

Die Sonntagsöffnung ist in Österreich nicht grundsätzlich verboten, aber eine Art Tabu, über das seit Jahren regelmäßig heftig debattiert wird. In der gegenwärtigen Ausnahmesituation einigten sich am Dienstag die Wirtschaftskammer (WKO) und die Gewerkschaft GPA auf das, wie es in einer Presseaussendung hieß, „gemeinsame Ziel“, die Geschäfte am vierten Adventsonntag offen halten zu dürfen. Wer möchte, darf, muss aber nicht, dasselbe gilt für „arbeiten oder nicht“, es gibt einen Zuschlag.

Als Devise hatte die Wirtschaftskammer ausgegeben, einen Teil des Weihnachtsgeschäfts zu „retten“, und den Umsatzverlust für den Handel durch den Lockdown unter Berufung auf Zahlen der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) auf mehr als drei Mrd. Euro beziffert. „Mit dieser Sonderlösung könnte es gelingen, den wirtschaftlichen Schaden für den österreichischen Handel einzugrenzen“, hieß es in der Aussendung. Die GPA hielt dazu auf ihrer Website fest: Es handle sich um eine „einmalige Sonntagsöffnung“ in einer Ausnahmesituation, einer generellen Sonntagöffnung erteilte sie „strikt“ eine Absage.

Manche fühlen sich benachteiligt

In der Wirtschaft generell sorgte das Thema am Mittwoch weiter für Unmut, einzelne Handelsbetriebe wollen die Möglichkeiten bzw. Öffnungszeiten unterschiedlich ausschöpfen. Nachdem erst die Österreichische Hoteliervereinigung (ÖHV) gegen eine Ungleichbehandlung protestiert hatte, meldeten sich auch die Freizeit- und Sportbetriebe zu Wort.

Abverkauf in einem Shop
ORF.at/Roland Winkler
Umsatzeinbußen: Werben um Kundschaft mit Krisenrabatten

Eine Benachteiligung dieser Sparte gegenüber anderen Branchen in der Öffnungsphase müsse „diesmal unbedingt verhindert werden", wurde Astrid Legner, Fachverbandsobfrau in der WKO, am Mittwoch zitiert. Eine Verlängerung des Lockdowns wäre für viele Betriebe wirtschaftlich nicht mehr zu stemmen.

Ein Deja-vu

Ein Deja-vu aus dem Vorjahr: der Vorwurf einer Ungleichbehandlung an die Adresse großer Supermarktketten, die auch während des mittlerweile vierten Lockdowns ohne Einschränkungen offen halten dürfen und nicht nur Lebensmittel verkaufen, sondern auch „Ware des nicht täglichen Bedarfs“, von Spielsachen bis zur Blumenerde, wie es hieß.

Weihnachtseinkäufe
ORF.at/Roland Winkler
Eine Ausnahme in der Ausnahmesituation: Der 19. Dezember, der vierte Adventsonntag, wird ein Einkaufstag

Unterschiedliche Öffnungszeiten bei großen Ketten

Stichwort Supermärkte: Diese wollen den erlaubten Rahmen zur Öffnung unterschiedlich nutzen. Die Österreich-Tochter des deutschen Diskonters Lidl kündigte am Mittwoch per Aussendung, an, im Advent auf längere Öffnungszeiten zu verzichten. Am 8. Dezember, „Österreichs stärkstem ‚Shopping-Feiertag‘“, werde erst um 10.00 Uhr geöffnet und um 18.00 Uhr wieder geschlossen, zu Weihnachten sei um 13.00 Uhr Schluss, zu Silvester um 15.00 Uhr.

„Goldener Sonntag“

Einkaufssonntage vor Weihnachten waren als „Silberner“ und „Goldener Sonntag“ bis in die frühen 1960er Jahre durchaus üblich. Als Ersatz wurden damals die langen Einkaufssamstage eingeführt.

„Unsere Kolleginnen und Kollegen haben in den vergangenen, schwierigen Monaten Großartiges geleistet. Deshalb schöpfen wir die Möglichkeiten zu verlängerten Öffnungszeiten nicht aus“, hieß es am Mittwoch von Lidl. Billa, Billa Plus (früher Merkur) und Penny, alle zum deutschen REWE-Konzern gehörend, kündigten am Mittwoch an, die Filialen am 8. Dezember (mit Ausnahmen) geschlossen zu halten, für Penny laut Aussendung zum ersten Mal.

Als Grund wurde auch hier genannt: „als Dankeschön für den großartigen Teameinsatz während der Corona-Pandemie“. Gleichzeitig werde begrüßt, dass andere Handelsbetriebe aus dem Segment Non-Food, die „im Lockdown zum wiederholten Male erhebliche Umsatzeinbußen hinnehmen“ müssten, am 19. Dezember offen halten dürfen.

Spar und Hofer öffnen am 8. Dezember, bei ADEG entschieden die selbstständigen Kaufleute, ob sie offen haben oder nicht, hieß es am Mittwoch nach einem Rundruf der APA. Der Tiroler Lebensmittelhändler MPreis, der auch in Vorarlberg, Salzburg, Kärnten, Oberösterreich und Südtirol vertreten ist, lässt nur die Märkte in Einkaufszentren und Bahnhöfen offen, in denen eine Betriebspflicht besteht.

Lockdown als „Tal der Tränen“

Der letzte Einkaufssamstag vor dem Lockdown hatte laut Handelsverband Österreich eine um etwa zehn Prozent höhere Kundenfrequenz und ein Umsatzplus von rund 15 Prozent (im Vergleich zu 2019, vor der Pandemie) gebracht. Das betraf Einkaufsstraßen gleichermaßen wie Shopping- und Fachmarktzentren. Allerdings, so hieß es von dem Verband vor zehn Tagen, könne der letzte offene Einkaufssamstag „in keiner Weise das Tal der Tränen wettmachen, das jetzt auf den Handel zukommt“.

Geschlossene Bar in Wien
APA/Helmut Fohringer
Non-Food-Segment, Gastronomie: Bis auf Weiteres geschlossen und mit unklarer Umsatzperspektive

Wer wann wo aufsperren darf – und wann nicht

Wer wann offen haben darf, ist für den Handel im Öffnungszeitengesetz (ÖZG) 2003 geregelt. Dort heißt es unter Paragraf 4, 1-3: „Verkaufsstellen“ dürften grundsätzlich und, „soweit sich nicht nach den folgenden Bestimmungen anderes ergibt“, montags bis freitags zwischen 6.00 und 21.00, samstags von 6.00 bis 18.00 Uhr offen sein, Bäckereien eine halbe Stunde früher.

Die wöchentliche Gesamtöffnungszeit darf allerdings 72 Stunden nicht überschreiten. Darüber hinaus und an Feiertagen und Wochenenden geöffnet sein darf, wenn (Paragraf 4a und 5, 2) etwa ein besonderer regionaler Bedarf besteht, zum Beispiel in Tourismusorten. Geregelt wird das per Verordnung.

Nur mit Ausnahmen

Rufe nach einer permanent möglichen Sonntagsöffnung im Handel, wie sie bisher nur in erwähnten Ausnahmefällen erlaubt ist, sind nicht neu. Lange hatte sich etwa der Wiener Einkauftszentrumsbetreiber Richard Lugner (Lugner City) dafür eingesetzt, auch wieder für den 19. Dezember. Sonderregeln gibt es auch schon nach aktueller Gesetzeslage für Tankstellen samt Shops, Geschäfte in Bahnhöfen und auf Flughäfen und Märkte. Hier gelten aber wiederum Einschränkungen die Verkaufsfläche und das Sortiment betreffend.