Sebastian Kurz bei der Pressekonferenz
ORF.at/Lukas Krummholz
Kurz-Rückzug

Opposition zwischen Kritik und Gratulation

Die Opposition sieht den Abgang von Ex-Kanzler Sebastian Kurz als ÖVP-Chef und ÖVP-Klubobmann als notwendigen Schritt, kritisiert aber auch die Regierung. Der Rückzug von Kurz aus der Politik sei eine Fortsetzung der „türkis-grünen Chaostage“, hieß es von der SPÖ. Der Druck sei für Kurz einfach zu groß geworden, so die FPÖ. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger gratulierte indes Kurz via Twitter. Lob und Dank kamen aus der ÖVP.

Kritisch äußerte sich die SPÖ: Nach den unfassbaren Korruptionsskandalen der letzten Monate und dem desaströsen CoV-Management sei der Druck auf Ex-Kanzler Kurz innerhalb der ÖVP zu groß geworden, so SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch in einer Aussendung. „Kurz hinterlässt nach Jahren der gesellschaftlichen Spaltung, der Selbstinszenierung und des politischen Versagens im Pandemiemanagement einen riesigen Scherbenhaufen“, so Deutsch weiter.

Mit dem Rücktritt von Kurz als Parteiobmann würden die „türkis-grünen Chaostage“ fortgesetzt. Mit dem Rückzug von Kurz aus allen politischen Funktionen müsse die Aufklärungsarbeit über die Skandale und Affären der letzten Jahre rund um das „Projekt Ballhausplatz“, die Schredderaffäre, den Casinos-Skandal und den türkisfarbenen Postenschacher bei ÖBAG und Co. „nun zügig voranschreiten“, so Deutsch.

Kickl: Jetzt ist er weg

„Dieser Schritt war erwartbar, er war eine Frage der Zeit“, so SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner in einem Statement gegenüber der APA. „Offenbar ist der Druck jetzt so groß geworden, dass er die Konsequenz selbst gezogen hat.“ Die Entscheidung sei „selbstverständlich zur Kenntnis zu nehmen“, so die SPÖ-Obfrau. Die Frage sei nun jedoch, wie es mit der Bundesregierung und der türkis-grünen Koalition weitergehe, „die in den letzten Wochen nicht wirklich Handlungsfähigkeit an den Tag gelegt hat“.

Opposition zu Kurz’ Rücktritt

FPÖ-Chef Herbert Kickl sieht sich nach dem Rücktritt von ÖVP-Chef Sebastian Kurz bestätigt. Auch die SPÖ geht von ÖVP-internem Druck auf Kurz aus, NEOS zeigt sich etwas milder.

Der burgenländische Landeshauptmann und SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil sieht jetzt den Zeitpunkt für Neuwahlen gekommen – mehr dazu in burgenland.ORF.at. Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sieht das anders: Neuwahlen in der Pandemie seien keine gute Idee – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

FPÖ-Obmann Herbert Kickl sah sich bestätigt. „Ich habe am Beginn des Jahres gesagt, Kurz muss weg, jetzt ist er weg“, sagte er in einer Pressekonferenz vor der schon offiziellen Bestätigung des Rückzugs. Der Druck sei für Kurz einfach zu groß geworden, nicht zuletzt jener vonseiten der ÖVP-Länderchefs. Kurz habe ja sehr viele Fronten offen.

Meinl-Reisinger: Dank für seine Arbeit

NEOS-Obfrau Beate Meinl-Reisinger gab sich hingegen milder. „Ich wünsche Dir @sebastiankurz aufrichtig alles Gute“, schrieb Meinl-Reisinger im Kurznachrichtendienst Twitter. „Bei allem, was wir in der Politik unterschiedlich gesehen haben, was letztlich auch bleibt, ist der Mensch, und dem gebührt auch Dank für seine Arbeit!“

Als „längst überfälligen Schritt“ bezeichnete NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos den Rückzug. Die Vorwürfe seien erdrückend. Jetzt gelte es, die schweren Korruptionsvorwürfe gegen Kurz und weitere Personen des türkisen Systems aufzuklären. Nur einen Spieler auszuwechseln werde nicht ausreichen, so Hoyos in Richtung ÖVP.

ÖVP streut Kurz Rosen

Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) dankte Kurz für dessen politische Arbeit. Er habe Respekt, wie Kurz diesen Schritt gemacht habe. Der Tag habe vielleicht überrascht, aber der Rückzug sei menschlich verständlich. Es habe kein Drängen gegeben, es sei Kurz’ persönliche Entscheidung gewesen, so Stelzer auf eine entsprechende Frage – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Reaktionen aus den Ländern

Die Landeshauptleute von ÖVP-geführten Ländern, Hermann Schützenhöfer, Wilfried Haslauer und Thomas Stelzer, nehmen zum Rückzug von Sebastian Kurz Stellung. Auch der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) meldet sich zu Wort.

Überrascht gab sich der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP). Nun müsse man rasch für klare Verhältnisse in der ÖVP sorgen – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Für den steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) war der Rückzug hingegen „erwartbar“ – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sprach Kurz seinen Dank aus – mehr dazu in tirol.ORF.at. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sprach von einer „richtigen Entscheidung, um in der ÖVP wieder geordnete Verhältnisse herzustellen“ – mehr dazu in noe.ORF.at.

Sobotka: Österreich besser gemacht

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer meinte, dass die persönlichen Umstände und auch die Geburt des Sohnes zum Entschluss von Kurz und dessen Familie beigetragen haben. ÖVP-Seniorenbund-Obfrau Ingrid Korosec sagte, sie finde es „schade“, dass das Talent Kurz der Politik verloren gehe. „Die Seniorinnen und Senioren verlieren einen echten Freund, der stets ein offenes Ohr für die Anliegen und Bedürfnisse der älteren Menschen gehabt hat.“ Für Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat Kurz als „Brückenbauer“ und durch seine Art, Politik zu leben, „Österreich besser gemacht“.

Die Junge ÖVP (JVP) dankte ihrem ehemaligen Vorsitzenden ebenfalls und lobte dessen Tätigkeit. Kurz habe immer ein Ohr für die Anliegen von Jungen gehabt. Auch der ÖVP-Arbeitnehmerbund (ÖAAB) streute Kurz Rosen: Mit ihm verliere Österreich einen Politiker mit Weitblick, so ÖAAB-Bundesobmann und stellvertretender ÖVP-Klubobmann August Wöginger. „Der ÖAAB zollt diesem großen Österreicher allen Respekt vor seiner Courage und seiner Arbeit für Österreich“, hieß es von der ÖAAB-Spitze in einer Aussendung. Der katholische Familienverband dankte Kurz in einer Aussendung für familienpolitisches Engagement. Der ÖVP-Bauernbund versteht Kurz’ Entscheidung, bedauert sie aber.

Mitterlehner: Auf Dauer keine glaubwürdige Politik

Bildungsminister Heinz Faßmann bezeichnete Kurz’ Schritt als nachvollziehbar und dankte ihm für die „lange, erfolgreiche und gute Zusammenarbeit“.

Weniger freundlich beurteilte Reinhold Mitterlehner, der von Kurz demontierte Amtsvorgänger an der ÖVP-Spitze, den Abgang. „Ich erkenne darin einen logischen Schritt. Kurz hat nach reiflicher Überlegung zur Kenntnis nehmen müssen, dass er mittelfristig die ÖVP in keine Wahl führen kann. Und er hat zur Kenntnis nehmen müssen, dass er mit jedem Tag länger im Amt der Partei schadet“, meinte dieser gegenüber der „Tiroler Tageszeitung“. Und: „Wenn Anspruch und Wirklichkeit so auseinanderdriften wie eben unter der türkisen Kurz-ÖVP, ist auf Dauer keine glaubwürdige Politik umzusetzen.“