Alexander Schallenberg und Gernot Blümel
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Nach Kurz-Rückzug

Auch Schallenberg und Blümel treten zurück

Nach dem Rückzug von ÖVP-Chef Sebastian Kurz aus der Politik haben am Donnerstagabend auch Bundeskanzler Alexander Schallenberg und Finanzminister Gernot Blümel den Rücktritt von ihren Ämtern erklärt. Die ÖVP muss nun klären, wer ihnen nachfolgt – Spekulationen darüber gibt es bereits. Dabei fällt immer wieder der Name Karl Nehammer.

„Ich habe mich dazu entschieden, die Politik zu verlassen“, sagte Blümel auf Facebook in einem Videostatement. Er tue das vor allem für seine Familie, die aufgrund seiner politischen Tätigkeit immer wieder mit Morddrohungen konfrontiert gewesen sei. Immer wieder habe er darüber mit seiner Frau gesprochen, aber nie eine endgültige Entscheidung getroffen.

Die Geburt seines zweiten Kindes habe zu seinem Nachdenkprozess beigetragen, doch den Anstoß für seinen „endgültigen Beschluss“ habe der nunmehrige Rücktritt von Kurz gegeben, so dessen langjähriger Weggefährte. „Es war mir eine Ehre“, so sein Abschiedssatz.

„Regierungschef und Parteiobmann rasch vereinen“

Zuvor hatte Schallenberg in einer schriftlichen Stellungnahme mitgeteilt, das Amt des Bundeskanzlers zur Verfügung zu stellen – „sobald parteiintern die entsprechenden Weichenstellungen vorgenommen sind“. „Es ist nicht meine Absicht und war nie mein Ziel, die Funktion des Bundesparteiobmanns der Neuen Volkspartei zu übernehmen. Ich bin der festen Ansicht, dass beide Ämter – Regierungschef und Bundesparteiobmann der stimmenstärksten Partei Österreichs – rasch wieder in einer Hand vereint sein sollten“, so Schallenberg.

Er habe sich „in einer sehr herausfordernden Phase für die Bundesregierung und die Neue Volkspartei bereit erklärt“, das Amt des Kanzlers zu übernehmen. Der frühere Außenminister war erst am 11. Oktober von Bundespräsident Alexander Van der Bellen als Kanzler angelobt worden – nachdem Kurz im Zusammenhang mit Korruptionsermittlungen gegen ihn und sein Umfeld als Regierungschef zurückgetreten war.

Nachfolge noch offen

Wie geht es in der ÖVP nach dem Kurz-Rücktritt weiter? Unter anderen wurde schon Innenminister Karl Nehammer für das Kanzleramt und die ÖVP-Spitze ins Spiel gebracht, doch das wurde bisher weder bestätigt noch dementiert.

Damit dürfte Schallenberg der kürzestdienende Kanzler in der Geschichte der Zweiten Republik werden. Ob er wieder ins Außenministerium zurückkehren möchte, teilte er nicht mit. Aber auch er zollte Kurz für die Entscheidung, auch alle anderen politischen Posten (Klubobmann, Parteiobmann) abzugeben, „großen Respekt“.

Nehammer als möglicher Nachfolger

Das Kanzleramt könnte unbestätigten Informationen zufolge Nehammer übernehmen. Vizekanzler Werner Kogler von den mitregierenden Grünen betonte in einer Stellungnahme am Donnerstag jedenfalls, ihn verbinde mit Nehammer eine gute Gesprächs- und Arbeitsbasis. Der „Kurier“ nannte als möglichen Nachfolger für Nehammer als Innenminister Andreas Pilsl, derzeit Landespolizeidirektor in Oberösterreich.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP)
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Gerüchteweise könnte Innenminister Karl Nehammer einen Karrieresprung an die ÖVP-Spitze und ins Kanzleramt machen

Spekulationen gab es auch darüber, dass Nehammer das Amt des ÖVP-Chefs übernehmen könnte. Ein wichtiges Indiz dafür ist, dass Johanna Mikl-Leitner, die Chefin der mächtigsten Landespartei, hinter dem Niederösterreicher steht – der zudem aus dem ÖAAB kommt, und somit stark in der Partei verankert ist – mehr dazu in noe.ORF.at. Ebenfalls als ÖVP-Chefin im Gespräch soll aber auch Europa- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler sein. Der Bundesparteivorstand berät am Freitag, wer die Parteispitze, aber auch das Amt des Bundeskanzlers übernehmen soll.

Bereits zu Mittag hatte Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) im ORF-Interview gesagt, er wolle Schallenberg zwar nicht vorgreifen, er nehme aber nicht an, dass dieser auch ÖVP-Chef werden wolle. Die Volkspartei verfüge über ein „großes personelles Reservoir“, so Stelzer auf die Frage, ob Nehammer ein etwaiger Kandidat sei: „Jetzt gilt es, rasch und gründlich zu sondieren“ – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Für den Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner gilt es jetzt, „nach vorne zu schauen. Wichtig ist jetzt, dass wir mitten in der Pandemie weiterhin eine stabile Bundesregierung haben“, sagte Wallner – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Es gehe jetzt um die Gesamtsicht, sagte der steirische Landeshauptmann Schützenhöfer (ÖVP). „Wer wird Parteiobmann, wer wird möglicherweise Spitzenkandidat, wer bleibt oder wird Bundeskanzler, das ist alles in Besprechung, und mehr kann ich dazu nicht sagen“ – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Blümel geht auch als Wiener ÖVP-Chef

Blümel, gegen den die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in der Causa Casinos ermittelt, geht auch als Wiener Landesparteichef. Wie der „Kurier“ berichtete, wird der Nationalratsabgeordnete Karl Mahrer vorerst die Landespartei anführen. Alle anderen Spitzenfunktionäre, darunter Klubchef Markus Wölbitsch und Geschäftsführerin Bernadette Arnoldner, bleiben im Amt. Bestellt wird Mahrer vom Landesparteipräsidium am Freitagnachmittag – mehr dazu in wien.ORF.at.

Politologe Filzmaier zu Vorwürfen gegen Kurz

Politikwissenschaftler Peter Filzmaier erläutert die Ermittlungen gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz.

Weitere Wackelkandidaten

In Medienberichten wurden zudem Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck als Ablösekandidatinnen genannt. Edtstadler könnte Innenministerin werden, ihr Ressort dafür Schallenberg übernehmen, wurde ebenso spekuliert. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner soll Kandidatin für Köstingers Agenden sein, für Blümels Bereich wurde – wie schon öfters – Nationalbank-Vizegouverneur Gottfried Haber genannt.

Kurz hatte, bevor er 2017 Parteichef wurde, einem langen Defilee von wechselnden Bundesparteiobmännern ein Ende gesetzt. 2017 und 2019 führte Kurz die ÖVP bei Wahlen an die Spitze und sich selbst ins Kanzleramt. Falls es nun Neuwahlen geben würde, würde die ÖVP allerdings stark verlieren. Von einst 37,5 Prozent würde sie laut Umfragen auf um die 20 Prozent abstürzen. Neuwahlen dürften daher nicht auf dem Plan der ÖVP stehen. Ein fliegender Wechsel auf der Regierungsbank wäre allerdings unter Mitwirkung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen möglich.

Reaktionen der Grünen

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) erklärt in einer ersten persönlichen Reaktion, dass er großen Respekt vor der Entscheidung von Sebastian Kurz habe.

„Wir Grüne sorgen für Stabilität“

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) unterstrich, dass sein Regierungsteam „mit Sicherheit das gleiche bleiben“ werde. Daran sehe man „wieder einmal, dass wir Grüne für Stabilität, mit anderen zusammen, in diesem Land sorgen“. Kogler dankte auch Blümel auf Twitter für die „gute und immer ergebnisorientierte Zusammenarbeit, zuletzt bei den langen und intensiven Verhandlungen zur Ökosozialen Steuerreform“. Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer verwies auf den Koalitionsvertrag mit dem Koalitionspartner. Man habe auch mit Schallenberg gut zusammengearbeitet, nun müsse man aber die Entscheidung von der ÖVP abwarten.