Karl Nehammer
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Regierungsumbildung

Rufe der Opposition nach Neuwahlen

Angesichts der neuerlichen und umfassenden Regierungsumbildung im Lager der ÖVP werden die Rufe der Opposition nach baldigen Neuwahlen lauter. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner gab der neuen Regierungsmannschaft unter dem designierten Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) eine Woche Zeit, einen konkreten Fahrplan vorzulegen, wie Österreich aus der vierten CoV-Welle herauskommen könnte.

Eigentlich wären Neuwahlen der logische Weg aufgrund der „suboptimalen Handlungsfähigkeit“ der Regierung, sagte Rendi-Wagner Freitagabend in einer ZIB Spezial. Aufgrund der Pandemie müsse man aber aufpassen, dass sich die Regierung in einem Wahlkampf nicht aus ihrer Regierungsverantwortung und der Verantwortung, die Krise zu managen, nehme. Dennoch setzte die SPÖ-Chefin der Regierung eine Frist.

Wenn Nehammer keinen Fahrplan liefern könne, solle er den Weg für baldige Neuwahlen freimachen, sagte Rendi-Wagner. Die einzige Existenzberechtigung der Regierung sei es, Schaden von der Republik abzuwenden, wenn sie das nicht könne, habe sie auch keine Existenzberechtigung. Dann solle man im Jänner mit den Vorbereitungen für Neuwahlen beginnen, forderte die SPÖ-Chefin. Denn „nicht nur Sebastian Kurz ist gescheitert, sondern die gesamte Regierung“.

Rendi-Wagner zur Reaktion der Opposition

Pamela Rendi-Wagner, Partei- und Klubchefin der SPÖ, ist zu Gast im Studio und spricht über die Regierungsumbildung. Während FPÖ und NEOS Neuwahlen fordern, wären diese aus ihrer Sicht in der aktuellen CoV-Lage nicht empfehlenswert. Falls es jedoch zu Neuwahlen kommen sollte, wären für sie alle Parteien mögliche Koalitionspartner, mit Ausnahme der FPÖ.

„Parteipolitische Verschubmasse“

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried sagte schon zuvor: „Wenn diese Regierung nicht weiter zusammenarbeiten kann und eine Regierungspartei die Koalition beendet, dann ist die SPÖ jedenfalls bereit für Neuwahlen.“ Auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger plädierte für Neuwahlen im kommenden Jahr nach Bewältigung der CoV-Krise.

Eine handlungsfähge Regierung sei leichter über Neuwahlen zu erreichen. Die amtierende Regierung sei nicht stabil. Zudem werde sie nicht in der Lage sein, aktiv die Zukunft zu gestalten. Sie kritisierte eine Regierungsbildung in der jetzigen Situation. Es tue ihr „im Herzen weh“, dass die ÖVP die höchsten Ämter als „parteipolitische Verschubmasse“ behandle. Die Regierung stehe „vor dem Scherbenhaufen im Pandemiemanagement“.

Kickl kündigte Neuwahlantrag an

Für FPÖ-Chef Herbert Kickl führt an Neuwahlen „kein Weg mehr vorbei“. Die ÖVP versuche nun „in einer Art Notoperation, alle türkisen Zellen aus der Volkspartei zu entfernen“, werde aber mit ihrer „breit angelegten Kindesweglegung“ nicht durchkommen. Die FPÖ werde „bei nächster Gelegenheit“ einen Neuwahlantrag einbringen. Kickl appellierte auch an Bundespräsident Alexander Van der Bellen, ÖVP und Grünen Grenzen zu setzen.

Der Politologe Peter Filzmaier rechnete allerdings nicht mit Neuwahlen im kommenden Jahr: „ÖVP und Grüne müssten dafür sein. Beide haben kein Interesse an Neuwahlen“, sagte er in der ZIB Spezial. Freitagabend blieb Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) auf die Frage nach Neuwahlen in der ZIB Spezial vage: „Wahlen sind das Wichtigste in einer repräsentativen Demokratie.“ Wann sie stattfinden sollen, werde immer wieder zu bewerten sein. Er hielte es „für vernünftig“, bis 2024 mit Nationalratswahlen zu warten: „Ich schließe aber gar nichts aus.“

Werner Kogler zur Regierungsumbildung

Am Freitag hat die ÖVP mehrere Ministerien neu besetzt. Die Oppositionsparteien haben sich mit Kritik geäußert, FPÖ und NEOS fordern sogar Neuwahlen. Werner Kogler, Vizekanzler und Parteichef der Grünen, ist zu Gast im Studio und spricht über die Regierungsumbildung und warum Neuwahlen zumindest vorerst keine Option sind.

„Nicht nur auf Machtsphären schauen“

Am Abend wandte sich auch Van der Bellen anlässlich der Regierungsumbildung an die Bevölkerung – mit einer deutlichen Mahnung an die ÖVP. Es gehe nun darum, dass „nicht nur auf Macht- und Einflusssphären geschaut“ werde. Angesichts von zahlreichen Regierungswechseln zeigte er sich bereits routiniert, was Ansprachen an die Bevölkerung und Angelobungen anbelangt. Entsprechend sei er „amüsiert“ über Karikaturen, in denen etwa die Tapetentür in der Hofburg zur Drehtür für Minister oder ein Drive-in für die vielen Angelobungen wurde. „Irgendwie schon schön, dass uns trotz allem der Schmäh nicht ausgeht.“

Hinsichtlich der Regierungsumbildung zeigte er sich aber ernst. Als stimmenstärkste Partei könne die Volkspartei „natürlich selbst entscheiden“, wen sie für das Ministeramt nominiere: „Sie muss sich aber auch bewusst sein, dass es um die Besetzung der höchsten Staatsämter geht, und nicht um Parteilogiken.“ Es müsse auch auf die Menschen im Land und auf deren große und berechtigte Erwartungen geachtet werden.

Rede des Bundespräsidenten

Anlässlich der Rücktrittswelle in der ÖVP und dem Umbau innerhalb des türkisen Regierungsteams spricht Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur Bevölkerung und richtet einen Appell an die Volkspartei.

„Vertrauen ist das wichtigste Kapital“

Van der Bellen schloss sich den Worten der scheidenden deutschen Kanzlerin Angela Merkel bei ihrer Abschiedsrede am Donnerstag an: „Vertrauen ist das wichtigste Kapital in der Politik.“ Nun gehe es darum, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Dafür brauche es faktenbasierte Entscheidungen, nachvollziehbare Kommunikation, Zusammenarbeit und Transparenz.

Der Bundespräsident erwartet von den Personen, die diese Ämter besetzen, Respekt vor der Funktion, den Willen, fachliche Kompetenz und Integrität. Van der Bellen: „Es ist die ureigenste Aufgabe von Entscheidungsträgerinnen und -trägern, das Richtige zu tun, auch wenn es unpopulär scheint.“