Olaf Scholz (SPD-Kanzlerkandidat)
Reuters/TT News Agency
Deutsche „Ampelkoalition“ vor letzten Hürden

Spekulation über SPD-Ministerentscheidung

Kommende Woche soll Olaf Scholz in Deutschland zum Kanzler einer Regierung aus SPD, Grünen und FDP gewählt werden. Nachdem die SPD am Samstag den Koalitionsvertrag angenommen hat, fehlt nun noch der Segen von FDP und Grünen. Offen sind auch noch einige Personalentscheidungen: Die SPD hält die Namen ihrer Ministerinnen und Minister noch geheim – spekuliert wird freilich schon, vor allem über die Besetzung des Gesundheitsministeriums.

Auf einem Parteitag entschied die SPD mit einer Mehrheit von 98,8 Prozent, dass sie die geplante Koalition mit Grünen und FDP eingehen will. Die Delegierten stimmten über den Koalitionsvertrag der „Ampelparteien“ ab, der viel Klimaschutz, einen Umbau der Wirtschaft, aber auch Verbesserungen etwa für Geringverdiener, Mieter und Familien verspricht.

Am Sonntag stimmt dann ein FDP-Parteitag ab, die Grünen befragen derzeit ihre Mitglieder. Das Ergebnis der Urabstimmung soll am Montag verkündet werden. Dann könnte der Koalitionsvertrag am Dienstag unterschrieben werden, am Mittwoch könnte Scholz im Bundestag zum Kanzler gewählt und sein Kabinett vereidigt werden. Damit endet nach 16 Jahren die Ära von Angela Merkel (CDU), die bei der Bundestagswahl am 26. September nicht wieder kandidiert hatte.

SPD-Ministerfrage wird wahrscheinlich erst Montag geklärt

Anders als FDP und Grüne hat die SPD noch nicht bekanntgegeben, wen sie als Minister stellt. Klar ist, dass sie neben dem Kanzleramt die Ministerien für Arbeit und Soziales, Bauen, Gesundheit, Inneres, Verteidigung sowie wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung übernimmt. Außerdem stellt sie den Kanzleramtsminister. Es wird damit gerechnet, dass die Namen der Minister erst am Montag verkündet werden.

Die spannendste noch offene Frage ist, wen die SPD zum neuen Gesundheitsminister macht? In der Bevölkerung hat der Bundestagsabgeordnete und Epidemiologe Karl Lauterbach die Sympathien auf seiner Seite. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov sprechen sich 45 Prozent für den 58-Jährigen aus. 33 Prozent wünschen sich einen anderen Politiker oder eine andere Politikerin auf dem so wichtigen Posten für den Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie. Die andere Befragten machten keine Angaben.

SPD entscheidet über Koalitionsvertrag

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde mit höchsten militärischen Ehren aus ihrem Amt verabschiedet – kommende Woche soll die neue Regierung angelobt werden. Davor müssen alle „Ampelparteien“ dem Koalitionsvertrag zustimmen. Den Beginn macht die SPD am Sonderparteitag. Aus Berlin berichtet ORF-Korrespondentin Verena Gleitsmann.

„#wirwollenkarl“ – Twitter-Trend für Lauterbach

Der Epidemiologe Lauterbach hat seit Beginn der CoV-Pandemie durch zahlreiche Fernsehauftritte einen großen Bekanntheitsgrad erlangt, in sozialen Netzwerken hat sich „#wirwollenkarl“ schon seit Wochen als Hashtag bei Diskussionen über die Gesundheitspolitik Deutschlands etabliert. Sein Verhältnis zu Scholz gilt andererseits als nicht besonders eng, auch in der Bundestagsfraktion ist er nicht unumstritten. Zum anderen muss ein Minister nicht nur Fachkompetenz in einem bestimmten Teilgebiet, sondern auch Managementqualitäten mitbringen, die Lauterbach bisher mangels Amtes nicht unter Beweis gestellt hat.

Eine weitere mögliche Kandidatin ist Petra Köpping: Die 63-Jährige ist seit zwei Jahren sächsische Landesministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt und damit auch für den Bereich Gesundheit zuständig. Ihr größtes Manko dürfte sein, dass Sachsen in der Pandemie ein besonders schlechtes Bild abgibt. Weiters für die Spitze des Bundesministeriums gehandelt wird Sabine Dittmar. Die 57-jährige Schweinfurterin arbeitete 15 Jahre lang als Hausärztin und ist seit 2018 gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Fachkompetenz kann sie also bieten, ein Amt in der Exekutive hatte sie allerdings noch nicht inne.

Je länger das Warten auf die SPD-Personalentscheidungen dauert, umso mehr werden auch weniger plausible Kandidaten für die Nachfolge von Jens Spahn (CDU) genannt. Etwa Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher oder die ehemalige SPD-Vorsitzende und Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, die seit August 2020 Präsidentin der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation ist.

Hält sich Scholz an die versprochene Frauenquote?

Weitere spannende Frage bei der Besetzung der letzten Kabinettsposten: Hält Scholz sein Versprechen ein, dass seiner Regierung mindestens so viele Frauen wie Männer angehören werden? Von den 16 Bundesministern sind bereits zusammen neun von den Grünen und der FDP benannt – darunter vier Frauen und fünf Männer. Mit Scholz als Kanzler sind es sechs Männer. Um das Versprechen des künftigen Regierungschefs zu erfüllen, müsste die SPD mindestens fünf Bundesministerinnen benennen. Für die Männer blieben dann nur noch zwei Ministerposten übrig. Dann würden der Bundesregierung unter dem Strich neun Frauen und acht Männer angehören.

Ministerriege von FDP und Grünen schon komplett

Die Personalentscheidungen von FDP und Grünen wurde bereits bekanntgegeben: Christian Lindner soll Finanzminister werden, der bisherige Erste Parlamentarische Geschäftsführer Marco Buschmann Justizminister. Zudem soll die Parlamentarische Geschäftsführerin Bettina Stark-Watzinger das Ministerium für Bildung und Forschung übernehmen, FDP-Generalsekretär Volker Wissing soll Minister für Verkehr und Digitales werden.

Auf grüner Seite soll der frühere Parteivorsitzende Cem Özdemir Minister für Landwirtschaft und Ernährung werden. Er wäre der erste Bundesminister mit türkischen Wurzeln. Grünen-Chef Robert Habeck soll Vizekanzler sowie Klima- und Energieminister werden, Kochefin Annalena Baerbock wie erwartet Außenministerin. Das Umweltministerium soll die frühere Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke übernehmen. Die rheinland-pfälzische Klimaministerin Anne Spiegel soll Familienministerin werden – ein Amt, das sie zuvor auf Landesebene ebenfalls schon innehatte. Die aktuelle Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth soll Staatsministerin für Kultur und Medien werden.