Architekt Günther Feuerstein ist tot

Der Architekt Günther Feuerstein ist am Samstag im Alter von 96 Jahren gestorben. Das teilte seine Familie gestern der APA mit. Laut den Angaben verschied der „Katalysator der Wiener Nachkriegsszene in der Architektur“, wie der 1925 in Wien geborene Feuerstein einmal bezeichnet worden war, zu Hause im Beisein seiner Angehörigen. Er habe sich von einer vor drei Wochen erfolgten Operation nicht mehr erholt, hieß es in der Mitteilung.

Feuerstein arbeitete bis zuletzt „aktiv als Architekturtheoretiker“ und veröffentlichte noch im Herbst sein letztes Buch. „Spektakulär waren die Klubseminare über ‚Zeitgenössische Architektur‘ in den 60er Jahren“, ließ die Familie gestern wissen.

Er wirkte als Professor an mehreren österreichischen Universitäten, zu seinen Studenten zählten neben Wolf Prix und Helmuth Swiczinsky mit Coop Himmelb(l)au, Laurids Ortner von Haus-Rucker-Co (später O&O Baukunst) auch Wegbegleiter wie Walter Pichler und Raimund Abraham.

Ehrendoktortitel der TU Innsbruck

Für seinen unermüdlichen wissenschaftlichen Einsatz erhielt er zuletzt den Ehrendoktortitel der TU Innsbruck und für sein Wirken in der Architekturszene und für sein Lebenswerk den Hans Hollein Kunstpreis für Architektur 2021.

An der Technischen Universität (TU) Wien wirkte Feuerstein als Assistent von Karl Schwanzer am Institut für Gebäudelehre und Entwerfen (1961–68) und als Lektor für Gegenwartsarchitektur (1966–96). Zudem war er Ordinarius für „Umraumgestaltung“ an der Hochschule für Gestaltung in Linz (1973–96). Dabei versuchte Feuerstein im Zeitalter des Funktionalismus, der Fantasie und der Welt der Gefühle zu ihrem Recht zu verhelfen.

Die Arbeit an der TU war vor allem geprägt durch seine Zusammenarbeit mit den Experimentalgruppen Coop Himmelb(l)au und Haus-Rucker-Co. Den intellektuellen Freiraum, den die konservativen Hochschulen der 60er Jahre noch vermissen ließen, schuf er sich in außeruniversitären Aktivitäten. In „Klubseminaren“ und Veranstaltungen zum „experimentellen Entwerfen“ wurden auch Gesellschaftskritik geübt und Aktionen geplant.

Eigenes Atelier in Wien ab 1962

1962 gründete Feuerstein sein eigenes Atelier in Wien. Zu seinen bekanntesten Bauprojekten zählen die Wohnsiedlung Hörsching bei Linz (1967–79), die Wohngruppe Hirschstetten in Wien-Donaustadt (1985–87) und ab 1988 die Revitalisierung des Wiener Augartens.

In seiner publizistischen und wissenschaftlichen Tätigkeit beschäftigte er sich mit Randgebieten der Architektur. „Visionäre Architektur – Wien 1958–1988“ (1988), „Androgynus – das Mann-Weibliche in Kunst und Architektur“ (1996) sowie als zweiter Band „Androgyne Architektur – coincidentia oppositorum“ (1998) sind Titel seiner Bücher.

1996 erschien „Visionäre Architektur in Österreich in den 60er und 70er Jahren“, der Katalog zur gleichnamigen Wanderausstellung, mit der Feuerstein im Österreich-Pavillon der Architekturbiennale Venedig vertreten war. 2002 erschien „Biomorphic Architecture – Menschengestalten und Tiergestalten in der Architektur“. Im ORF wurde anlässlich seines 75. Geburtstags im Jahr 2000 auch der Film „Expandierte Architektur“ von Doris Fercher präsentiert.