„Im Zentrum“ zur Neuaufstellung der ÖVP
ORF
„Turbulente Tage“

ÖVP und Grüne betonen Arbeitswillen

Der Umbau des ÖVP-Regierungsteams im Gefolge der ÖVP-Korruptionsaffären schlägt weiter Wellen. Zweifel am Fortbestand der Koalition gibt es bei ÖVP und Grünen aber nicht, wie ÖVP-Klubobmann August Wöginger und Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer am Sonntag in „Im Zentrum“ sagten. Von der Opposition hagelte es Kritik – auch Rufe nach Neuwahlen wurden laut.

Die Grünen hätten bereits in der Vergangenheit „gut mit Karl Nehammer zusammengearbeitet“, sagte Maurer eingangs über den designierten neuen ÖVP-Bundeskanzler. Dass es – etwa in Asylfragen – unterschiedliche Positionen bei Grünen und ÖVP gebe, „war von Beginn an klar“, das sei aber nicht von Personen abhängig. „Wir befinden uns am Höhepunkt einer vierten Welle, und die Menschen erwarten sich zu Recht von uns, dass wir arbeiten“, sagte die Klubobfrau der Grünen und verwies zudem auf die Herausforderungen der Klimakrise.

„Neuwahlen kann es jetzt nicht geben“, so Maurer. Dass derzeit über Neuwahlen diskutiert werde, könne sie zwar nachvollziehen. Die Grünen würden solche aber weder anstreben, noch halte sie diese aktuell für richtig. Versprechen und garantieren könne man aber – wie die letzten beiden Jahre gezeigt hätten – nichts, so die Grüne. Maurer gestand ein, dass die öffentlich ausgetragene Uneinigkeit zwischen den Koalitionspartnern „nicht vertrauensbildend“ war. Die Grünen nannte sie aber den „stabilisierenden Faktor“ in der Regierung.

„Im Zentrum“: Kurz geht, Krisen bleiben – was bringt der große Umbau?

Die ÖVP stellt sich nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz als Parteichef und Klubobmann neu auf. Mit Karl Nehammer gibt es den dritten Kanzler innerhalb weniger Wochen. Die Opposition drängt auf eine baldige Nationalratswahl.

Wöginger mit Vorschusslorbeeren für Nehammer

Die ÖVP habe „turbulente Tage“ hinter sich, sagte Wöginger, der zugleich positiv hervorhob, dass es der Volkspartei binnen 24 Stunden gelungen sei, ein neues Team aufzustellen. Dass der Parteiobmann – in Form von Kurz – zurücktrete, sei immerhin nicht alltäglich. Jetzt gehe es darum, dass wir „zusammen weiterarbeiten“, schloss er sich Maurer an. Kurz’ Nachfolger Nehammer bezeichnete Wöginger als „absoluten Politprofi“.

Angesprochen auf die Worte von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, wonach es bei der Regierungsumbildung „um die Besetzung der höchsten Staatsämter geht und nicht um Parteilogiken“, meinte Wöginger, dass es überhaupt nicht notwendig gewesen wäre, das gesamte Team auszutauschen, da man in letzter Zeit gut gearbeitet habe.

Meinl-Reisinger: „Vertrauen in Politik hat gelitten“

„Es geht darum, dass Vertrauen und Verlässlichkeit in Politik gelitten hat“, kritisierte hingegen NEOS-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger. Die NEOS-Chefin, die die „Partnerschaft“ zwischen Grünen und ÖVP als „sehr brüchig“ beschrieb, stellte zudem das Thema Neuwahl in den Raum.

Meinl-Reisinger merkte überdies an, dass sie angesichts dessen, dass wichtige Regierungsämter „als Verschubmasse“ behandelt worden seien, „Schmerz“ verspürt habe. Mit Heinz Faßmann – der von der ÖVP als Bildungsminister ersetzt wird – wurde laut der NEOS-Chefin ein „wichtiger Spieler“ aus parteitaktischen Gründen „aus der Situation“ genommen.

SPÖ und FPÖ bei Neuwahl uneins

Scharfe Kritik an der ÖVP äußerte auch SPÖ-Klubobfrau-Stellvertreter Jörg Leichtfried: „Wir haben erlebt, wie das türkise System in der ÖVP zerbröselt ist“, was „leider gerade in der vierten Welle dazu geführt hat, dass eine Parteikrise zu einer Regierungskrise und dann zu einer Staatskrise geworden ist“, so Leichtfried. „Unter normalen Umständen sollte die Regierung beiseitetreten.“

Den richtigen Zeitpunkt für Neuwahlen sieht die SPÖ coronavirusbedingt aktuell nicht: Der Zugang der SPÖ sei es, dass nun alles getan werden müsse, um die „vierte Welle zu brechen“, sagte Leichtfried. Neuwahlen halte die Partei ihm zufolge erst dann für angebracht, wenn wieder mehr Normalität einkehrt. Wie Meinl-Reisinger klagte auch er über das fehlende Vertrauen in die Politik.

„Grundsätzlich glaube ich, dass wir und momentan in einer Situation befinden, wo wir maximales Chaos haben“, kritisierte FPÖ-Bundesparteiobmann-Stellvertreterin Marlene Svazek. „Wenn jetzt geredet wird, wir brauchen im Lockdown keine Neuwahlen, dann müssen wir schon sagen, dass es ja auch Fristenläufe gibt.“ Für Svazek gebe es keine „falsche Zeit“ für Neuwahlen.

Platter zuversichtlich

Der Umbau des ÖVP-Regierungsteams war zuvor bereits Thema in der „Pressestunde“ mit dem Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), der sich sicher zeigte, dass die Koalition halten werde. Platter gab sich in der ORF-„Pressestunde“ zuversichtlich, dass die ÖVP-Grünen-Koalition auf Bundesebene trotz der Turbulenzen in der ÖVP halten wird.

Stabilität der Regierung

Platter verwies auf die Aussagen von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), dass er den designierten Kanzler Karl Nehammer gut kenne. Das sei ein „klares Signal“.

Für eine Neuwahl sah er keinen Anlass. „Ich kenne wenige, die dafür sind.“ Die Menschen wollten keine Wahlen, denn das bedeute Verunsicherung. „Wir stehen den Wählern im Wort“, so Platter. Dass die Landeshauptleute in der ÖVP die Macht übernommen hätten, stellte er in Abrede.

Dass die Landeshauptleute mitreden, sei in einem föderalistischen System „selbstverständlich“. Laut Platter war das auch unter dem unter Druck der Korruptionsermittlungen zurückgetretenen Ex-Kanzler Kurz nicht anders. Dieser hatte sich bei Übernahme der ÖVP-Obmannschaft freie Hand in vielen Dingen, etwa bei der Erstellung von Wahllisten ausbedungen. Platter relativierte das nun stark. Die Statuten seien das eine, die Realität das andere. Unter keinem Obmann habe es eine so enge Abstimmung mit den Ländern gegeben wie unter Kurz, so Platter.

„Einer, auf den wir uns verlassen können“

Platter zeigte zugleich Verständnis für die Entscheidung von Kurz und dankte diesem. „Er hat eine unglaubliche Strahlkraft gehabt.“ Aber Nehammer habe eine Breite und sei ein „beinharter Arbeiter“, der tatsächlich Entscheidungen treffe. Der designierte Bundeskanzler Karl Nehammer stehe für Leistung und Sicherheit, habe aber auch die Sensibilität für andere Bereiche. „Nehammer ist einer, auf den wir uns verlassen können. Er ist verlässlich und hört zu.“

Auch die Nachfolge und die weiteren Personaländerungen in der ÖVP-Regierungsriege seien nun gemeinsam mit dem neuen Obmann Nehammer gefällt worden. Dass der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer am Freitag die Wahl im Bundesparteivorstand vorzeitig den Medien verkündete und damit die Pressekonferenz von Nehammer abschoss, sei ein Missverständnis gewesen, sagte Platter. Schützenhöfer habe nicht gewusst, dass er live auf Sendung gewesen sei. Er habe Nehammers Auftritt nicht sabotieren wollen und niemandem schaden wollen.

Umbildung der Regierung und Einfluss der Länder

Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) betonte in der ORF-„Pressestunde“ seine Unterstützung für den neuen ÖVP-Chef und designierten Bundeskanzler Karl Nehammer. Die Neubesetzungen in der Regierungsbank sind ihm zufolge nicht von den ÖVP-geführten Bundesländern ausgegangen, sondern wurden von Nehammer vorgeschlagen. Die Länder erteilten jedoch ihre Zustimmung.

„Das muss uns erst wer nachmachen“

Vom Abgang von Kurz wurde Platter laut eigenen Angaben überrascht. „Ich habe es vorher nicht gewusst.“ Deswegen sei aber auch rasches Handeln gefragt gewesen. Binnen 24 Stunden habe man die ganzen Entscheidungen getroffen. „Das muss uns erst einmal jemand nachmachen“, meinte Platter.