Angelobung im Zug der Regierungsumbildung
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Neue ÖVP-Minister

Nehammer als Kanzler angelobt

Die neuen Mitglieder des ÖVP-Regierungsteams, allen voran Karl Nehammer als Bundeskanzler, sind Montagmittag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Hofburg angelobt worden. Vonseiten der ÖVP wurden insgesamt sechs Positionen neu besetzt. Neuer Innenminister wurde der Niederösterreicher Gerhard Karner, Finanzminister der bisherige Staatssekretär Magnus Brunner.

Kurzzeitkanzler Alexander Schallenberg wechselte ins Außenministerium zurück. Der steirische Unirektor Martin Polaschek löst Bildungsminister Heinz Faßmann ab. Die Bundeschefin der Jungen ÖVP, Claudia Plakolm, wird Staatssekretärin im Bundeskanzleramt. Sie übernimmt von Familienministerin Susanne Raab die Jugendagenden. Nach der Angelobung folgen am Nachmittag die Übergaben in den jeweiligen Ministerien.

Den scheidenden ÖVP-Regierungsmitgliedern Gernot Blümel, Heinz Faßmann und Michael Linhart dankte Van der Bellen. Van der Bellen gab den Regierungsmitgliedern einen Auftrag für die Coronavirus-Krise mit auf den Weg: Die Regierung müsse „der Bevölkerung reinen Wein einschenken“, faktenbasierte Entscheidungen treffen und darüber in nachvollziehbarer, gemeinsamer Kommunikation informieren.

Angelobung im Zug der Regierungsumbildung
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Van der Bellen und das neu angelobte ÖVP-Team – in deren Mitte als Dritter von rechts der grüne Vizekanzler Werner Kogler

Van der Bellen und der 64. Amtseid

„Unverzüglich und gemeinsam“ müsse die Regierung die „große Aufgabe“ der entschlossenen Bekämpfung der Pandemie samt ihren sozialen, wirtschaftlichen und menschlichen Folgen angehen, mahnte Van der Bellen in einer kurzen Ansprache. In dieser Pandemie wisse man nicht, wie es weitergeht, verwies er auf die neue Omikron-Variante. Deshalb dürfe man „keine falschen Erwartungen wecken und nichts versprechen, was sich später als nicht einhaltbar herausstellt“. In Angelobungen hat der Bundespräsident viel Übung: Seit seinem Amtsantritt im Jänner 2017 nahm er bis Montag bereits 58-mal den Amtseid ab, am Montag folgten Nummer 59 bis 64.

Angelobung im Zug der Regierungsumbildung
APA/Roland Schlager
Van der Bellen, Karner, Kogler, Altkanzler Schallenberg und Kanzler Nehammer

Nehammer: Es gibt sehr viel zu tun

Nach der Ernennung ging Nehammer direkt ins Kanzleramt, wo er das Haus von Schallenberg übernahm. Nehammer bedankte sich bei Schallenberg und nannte ihn ein Vorbild. Schallenberg habe in einer schwierigen Zeit das Amt des Bundeskanzlers übernommen. Schallenberg sei sofort bereit gewesen, den Menschen und der Republik dadurch zu helfen. Nehammer dankte auch Van der Bellen und Kogler – Van der Bellen für die rasch möglich gewordene Angelobung und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) für den Vertrauensvorschuss in der Regierung.

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Grafik zur türkis-grünen Regierung
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/BKA/Tatic/Uni Graz
Grafik zur türkis-grünen Regierung
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/BKA/Tatic/Uni Graz

Das Amt wolle er mit „großer Ernsthaftigkeit und Respekt“ angehen. Es gebe sehr viel zu tun. Das Virus belaste die Menschen, und die Grenze der Zumutbarkeit sei bei vielen Menschen überschritten, so Nehammer. Es brauche Dialogbereitschaft und Respekt. Es sei dringend geboten, auf die Mensch zuzugehen, ihre Sorgen ernst zunehmen und nach Lösungen zu suchen. „Die Spaltung schadet uns allen.“ Er wolle die Spaltung zurückzudrängen, so Nehammer.

Gleichzeit müsse auch alles getan werden, um den eigentlichen Feind der Freiheit zu bekämpfen und so weit in die Schranken zu weisen, „dass es uns die Freiheit nicht mehr nehmen kann – das Coronavirus“, so Nehammer. Er werde sich mit Experten und den Vertretern der Opposition treffen, um die Entscheidung für Mittwoch – es geht um das Ende des Lockdowns für Geimpfe und Genesene – gut vorzubereiten.

Er werde jetzt keine Serieninterviews geben, so Nehammer in Richtung Medien, er wies dabei auf sein umfangreiches Arbeitspensum in Sachen Pandemie hin. Begleitet wurde die Regierungsumbildung von einer ziemlich lauten Demonstration von CoV-Maßnahmengegnern auf dem Ballhausplatz, die auch in den Innenräumen deutlich zu hören war.

Angelobung im Zug der Regierungsumbildung
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Der neue Innenminister Gerhard Karner bei der Unterschrift für seine Ernennung

Schallenberg: Ehre, diesem Land dienen zu dürfen

Schallenberg betonte in einem kurzen Statement, dass er das Kanzleramt nicht angestrebt, aber sich zur Verfügung gestellt habe, als es notwendig gewesen sei. Die Menschen hätten das Recht, dass die Regierung funktioniere, egal, was für Turbulenzen es gerade gebe. Er habe das Amt nach bestem Wissen und Gewissen erfüllt. Er habe das im Sinne der Demokratie gemacht, um das Schiff in einer turbulenten Zeit in ruhige Fahrwasser zu bringen.

Nun sei er froh, dass Nehammer dieses gut funktionierende Haus übernehme. Er sei der richtige Mann dafür. „Du hast ein Gespür dafür, was ein Team ist“, so Schallenberg. „Ich weiß, die Zeiten sind angespannt. Aber wird sollten uns bewusst sein, in was für einem wunderschönen Land wir leben. (…) Es war mir eine Ehre, diesem Land dienen zu dürfen.“ Er bedankte sich auch bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Kanzleramt und auch bei Kogler für die gute Zusammenarbeit. Die Regierung habe in der Zeit schwierige Entscheidungen treffen müssen. Als Beispiele nannte Schallenberg etwa den Lockdown und die Impfpflicht.

Filzmaier: „Was zählt, ist das CoV-Management“

Politologe Peter Filzmaier sagte im Ö1-Morgenjournal am Montag, es werde schwierig, sich abgesehen von der Pandemie noch anderen politischen Themen zu widmen. „Das Einzige, was zählt, ist das Coronavirus-Management“, so Filzmaier. Daran, dass man beispielsweise auch beim Budget schnell zu einem Ergebnis komme, sei nicht zu glauben. Die Vorwürfe, die alte Regierung (mit wechselnden Mitgliedern) habe von Welle zwei bis vier Fehler gemacht, gebe es nicht zu Unrecht. „Es hier besser zu machen wäre die einzige reale Chance für diese Regierung“, so Filzmaier. Ob das gelingt, bleibe abzuwarten.

Der Politologe warnte außerdem, dass sich Fehler im CoV-Management wiederholen könnten, und sprach die oberösterreichische Landtagswahl Ende September dieses Jahres an. Viel zu sehr habe man sich von politischen Interessen leiten lassen, so Filzmaier. Wenig später zeigten 7-Tage-Inzidenz und Intensivbettenbelegung, dass man eines Besseren beraten gewesen wäre.

Nun, so Filzmaier, stehe man 2023 erneut vor Landtagswahlen – und zwar in Niederösterreich, Kärnten, Tirol und Salzburg. „Und es wird schon wieder politisch, auch parteipolitisch, gedacht“, sagte der Politologe im Ö1-Morgenjournal. Dass einzelne Bundesländer auch innerhalb der ÖVP unterschiedliche Interessen verfolgen – der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) fordert etwa ein Ende des Lockdowns am 13. Dezember, während sich sein steirisches Pendant Hermann Schützenhöfer (ÖVP) vorsichtiger zeigt –, sei der Pandemiebekämpfung nicht förderlich.

Auf Bundesebene dürfe es jedenfalls nicht mehr passieren, so Filzmaier, dass „Kanzler und Gesundheitsminister sich auf öffentlicher Medienbühne widersprechen“, wie es zuletzt bei Schallenberg und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) der Fall war. Filzmaier traut Nehammer und den Grünen aber eine bessere Gesprächsbasis zu.

Angelobung im Zug der Regierungsumbildung
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Der neue Bildungsminister Martin Polaschek mit Bundespräsident Van der Bellen

Öffentliche Ermahnung der ÖVP

Van der Bellen hatten sich Freitagabend mit einer TV-Ansprache an die Bevölkerung gewandt und dabei der ÖVP die Leviten gelesen. Er forderte die ÖVP dazu auf, das verlorene Vertrauen wieder zurückzugewinnen und sich darauf zu besinnen, dass es „um die Besetzung der höchsten Staatsämter geht und nicht um Parteilogiken“. Es dürfe nicht „nur auf Macht- und Einflusssphären geschaut“ werden, sondern auf die Menschen im Land und auf deren berechtigte Erwartungen.

Traditionell kommt es bei Wechseln in der Regierungsriege auch nachgeordnet – etwa in den Kabinetten und bei den Sprechern – zu einem Sesselrücken. Nehammer hatte bereits gesagt, dass der Kurz-Vertraute Bernhard Bonelli, der unter Schallenberg Kabinettschef im Kanzleramt geblieben war, ausgetauscht wird.

Sebastian Kurz und Karl Nehammer
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Bei der letzten Angelobung gratulierte Kurz noch Nehammer zum Ministeramt, diesmal ist dieser in der Rolle des Kanzlers

Bonellis Vize Markus Gstöttner wird Kabinettschef von Nehammer. Neue Vize soll Vera Regensburger, derzeit Leiterin der ÖVP-Akademie, werden. Kristina Rausch, langjährige Social-Media-Verantwortliche des Vorgängers von Schallenberg als Kanzler, Sebastian Kurz (ÖVP), wechselt von der Parteizentrale ins Kanzleramt und wird dort für die strategische Kommunikation zuständig sein, hieß es am Montag zur APA.

Änderungen auch bei Pressesprechern

Auch bei den Pressesprechern im ÖVP-Regierungsteam gibt es Änderungen, wie die Partei am Montag in einer Aussendung mitteilte: Daniel Kosak wechselt von Tourismusministerin Elisabeth Köstinger ins Kanzleramt, zweiter Kanzlersprecher ist Viktor Niedermayr, bisher bei Verfassungsministerin Karoline Edtstadler. Für internationale Anliegen bleibt Etienne Berchtold als Pressesprecher im Kanzleramt.

Rupert Reif, vormals Pressesprecher von Kurz, ist künftig für die Pressearbeit des neuen Finanzministers Brunner zuständig, gemeinsam mit dessen bisherigem Sprecher Michael Ulrich. Vincenz Kriegs-Au wechselt vom Finanzministerium als zweiter Sprecher neben Michael Strasser zu Tourismusministerin Köstinger.

Die Pressesprecher des neuen Innenministers Karner sind Christoph Reiser und Markus Haindl, die auch unter Nehammer schon im Innenministerium werkten. Die Pressearbeit des neuen Bildungsministers Polaschek betreuen Andreas Jilly und Debora Knob. Claudia Türtscher übersiedelt mit ihrem Chef Schallenberg wieder vom Kanzleramt zurück ins Außenministerium. Michaela Spettel wechselt vom Außenministerium zur neuen Jugendstaatssekretärin Plakolm.