Kraftwerk in Österreich
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Begutachtung

Kritik an CO2-Plänen der Steuerreform

Die teils neu bestellte Regierung hat nicht nur in der Pandemiebekämpfung große Brocken vor sich. Auch das Prestigeprojekt Steuerreform wartet auf Umsetzung. Am Ende der Begutachtungsfrist häufen sich vor allem bei einem Punkt die kritischen Stimmen: bei der CO2-Bepreisung. Die meisten halten sie für zu niedrig.

Gegen Ende der Begutachtung des „Ökosozialen Steuerreformgesetzes 2022 Teil I“ kamen rund 200 Stellungnahmen zusammen. Um sie muss sich nun die neu aufgestellte Bundesregierung kümmern, vor allem aber der gerade angelobte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP).

Kernpunkt der Reform ist der Einstieg in die CO2-Bepreisung ab 1. Juli 2022, dann soll es zunächst 30 Euro kosten, eine Tonne Kohlenstoffdioxid zu produzieren. Der Preis soll bis 2025 auf 55 Euro steigen. Die Einnahmen aus der CO2-Steuer sollen kumuliert bis 2025 rund fünf Mrd. Euro betragen. Im Gegenzug gibt es einen regional gestaffelten Klimabonus für die Bevölkerung. Neu dazugekommen ist ein Preisstabilitätsmechanismus, der Ausschläge der fossilen Energiepreise abfedern soll.

Die Begutachtung dauerte rund vier Wochen, die Konfliktlinien sind klar. Umweltschutzorganisationen kritisieren, dass die Ökologisierung des Steuerrechts nicht weit genug geht, die Autofahrerclubs lehnen zusätzliche Steuern auf fossile Energieträger ab, und die Arbeiterkammer (AK) drängt darauf, kleinere Einkommen stärker zu entlasten. Von vielen Seiten wird der CO2-Preis als zu niedrig erachtet.

Kein Lenkungseffekt

Für das Land Kärnten sind die „vorgesehenen Ausgabewerte speziell in der Einführungsphase zu gering, um einen echten Lenkungseffekt zu erzielen“. Sie sollten sich zumindest am EU-Emissionshandelssystem orientieren, wo eine Tonne CO2 derzeit knapp 80 Euro kostet. Kärnten sowie andere Bundesländer verlangen Verhandlungen über den Finanzausgleich, um einen Anteil an den CO2-Einnahmen zu erhalten.

Grafik zur Steuerreform
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Energieagentur

Die Initiatoren des Klimavolksbegehrens forderten einen viel höheren CO2-Preis, sie wollen über 200 Euro pro Tonne. Die von der Regierung veranschlagten 30 Euro pro Tonne reichten nicht aus, um die im Regierungsprogramm angepeilte Kostenwahrheit zu erreichen, hieß es. Sie forderten die Koalition auf, das Regierungsprogramm umzusetzen und Pendlerpauschale, Lkw-Maut und Dienstwagenprivileg zu ökologisieren. „All diese Punkte vermissen wir im vorliegenden Gesetzesentwurf“, so die Sprecherin Katharina Rogenhofer. Ähnlich äußerte sich der WWF. Es sei „geradezu fahrlässig“, dass Österreich weiter jährlich bis zu 4,7 Mrd. Euro für umweltschädliche Subventionen ausgebe. Für Global 2000 gibt es „viele positive Ansätze“, „der große Wurf fehlt aber. In Summe wird die vorgestellte Reform unseren Klimazielen in keiner Weise gerecht.“

Autofahrervertreter fordern besseren Ausgleich

Der Autofahrerclub ÖAMTC forderte im Gegenzug für die CO2-Bepreisung eine Senkung der Mineralölsteuer auf das Niveau vor 2011 und verlangt, dass der geplante Preisstabilitätsmechanismus schon 2022 zur Anwendung kommt. Für „Härtefälle“ wie Pendlerinnen und Pendler, die besonders auf das Auto angewiesen seien, brauche es eine über den Klimabonus von 200 Euro hinausreichende finanzielle Entlastung. Der ARBÖ rechnete vor, dass mit dem Klimabonus nur eine Fahrleistung von 18.300 Kilometer jährlich abgedeckt sei und diese bis 2025 auf 9.800 sinke.

Die Wirtschaft zeigte sich in puncto CO2-Preis je nach Branche uneinig. Die Energiewirtschaft begrüßte das geplante nationale Emissionszertifikatehandelsgesetz. Sie sah darin einen „weiteren Schritt zur Attraktivierung der ökologischen Energieerzeugung“. Im Detail seien aber einige an das deutsche Recht angelehnte Bestimmungen unklar. Der Fachverband der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmungen (FGW) wünschte sich eine Klarstellung, dass eine Weiterverrechnung des CO2-Preises keinen Eingriff in bestehende Energielieferverträge darstellt.

Die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) lobte die Steuerreform, bemängelte aber, dass die Senkung der Körperschaftssteuer erst verspätet umgesetzt werden. Auch der Investitionsfreibetrag sollte früher anwendbar sein, so die Kammer. Für die Klimatransformation brauche es aber mehr Kapitalanreize. Beim CO2-Preis begrüßte die WKO, dass Österreich den deutschen Preispfad übernommen hat. „Bedauerlich“ sei, dass den Klimabonus nur Haushalte, nicht auch Unternehmen erhalten.

Sorge vor sozialen Folgen

Die Armutskonferenz wiederum mahnte ein, dass der Klimabonus in seiner regionalen Ausprägung nicht sozial treffsicher sei. Statt einer regionalen Staffelung schlägt das Netzwerk einen einkommensabhängigen Ökobonus mit Kinderzuschlag vor. Die reichsten zehn Prozent der österreichischen Bevölkerung würden mehr als viermal so viel Treibhausgase wie die ärmsten zehn Prozent verursachen, dennoch treffe Arme der CO2-Preis etwa beim Heizen stärker als Reiche. „Klimaschutz wird nur dann erfolgreich sein, wenn er nicht sozial blind ist.“

Die Arbeiterkammer bewertete die Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer positiv, kritisierte aber das unterjährige Inkrafttreten. „Die Regelung bedeutet viel unnötige Bürokratie für die Lohnverrechnung in den Betrieben und führt dazu, dass die ArbeitnehmerInnen teilweise monatelang auf die versprochene Steuersenkung warten müssen“, so die AK.

Dass aus dem CO2-Fixpreis nach 2025 ein Handelssystem werden soll, lehnte die Kammer ab. Die AK „sieht die Anwendung solcher Systeme auf Grundbedürfnisse wie Heizen oder Mobilität sehr kritisch, weil sie die Verantwortung für die Erreichung der Klimaziele faktisch an die VerbraucherInnen auslagern“. AK und Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB) forderten gemeinsam, dass die geplante Senkung der Tarifstufen zwei und drei vorgezogen wird und mit 1. Jänner 2022 bzw. 2023 (statt wie vorgesehen mit 1. Juli 2022 bzw. 2023) wirksam wird".

Für das sozialliberale Momentum Institut war nicht nachvollziehbar, dass Diesel weiter geringer besteuert wird als Benzin, obwohl Diesel mehr CO2-Emissionen verursacht als Benzin. Das Dieselprivileg sei unsachlich, so der Thinktank.

Ärger über Neuerung bei Kryptowährungen

Es gab noch weitere Punkte der Reform, die viele Stellungnahmen hervorriefen. Dazu gehörten Anlegerinnen und Anleger, die Änderungen bei Kryptowährungen betreffen. Sie sollen nun rückwirkend ab März 2021 wie bei Aktien Steuern auf Kursgewinne von Bitcoin und Co. zahlen. Dagegen gibt es bereits auch eine Petition. Ein Kryptoanleger kritisierte, er habe auf Basis geltender Gesetze eine Investitionsentscheidung für das Familienbudget getroffen. Die rückwirkende Steuerpflicht „stimmt die gesamte Familie sehr unglücklich“. Auch Unternehmen und Vertreter der Kryptobranche kritisierten den unterjährigen und in der Vergangenheit liegenden Stichtag.

Eine andere Meinung vertrat der Innsbrucker Uniprofessor und Steuerrechtsexperte Reinhold Beiser: „Eine Besserstellung von Kryptowährungen im Vergleich zu Sparern, Käufern von Bundesanleihen oder Gesellschaftern von Kapitalgesellschaften (Aktionären, Gesellschaftern einer GmbH) durch eine Ungleichbehandlung im Abzugsverbot für Aufwendungen und Ausgaben nach § 20 Abs 2 EStG ist nicht zu empfehlen“, so Beiser. Spekulationen in Kryptowährungen seien steuerlich nicht zu fördern und nicht durch eine lineare Besteuerung mit Splitting-Effekt zu begünstigen. Sie sollten stattdessen als nicht tarifbegünstigte Derivate erfasst werden.

Auf ein anderes Problem im Zusammenhang mit Kryptowährungen wies die Forschungsstelle SBA Research hin. Es sei aufgrund der Definition im Gesetz nicht eindeutig, ob eventuell auch elektronische immaterielle Güter wie „World of Warcraft“-Gold und andere Tokens bzw. Gutscheine, etwa von Nintendo, Steam, Amazon und Facebook, bei denen es einen klaren Emittenten gibt, als Kryptowährung eingestuft werden könnten.