Karl Nehammer
AP/Lisa Leutner
Schwerpunkt CoV

Keine Schonfrist für Kanzler Nehammer

Österreich hat wieder einen neuen Bundeskanzler. Am Montag wurde Karl Nehammer (ÖVP) angelobt, ebenso wie vier neue Minister und eine Staatssekretärin. Nehammer will sich nach eigenen Aussagen auf die Bekämpfung der Pandemie konzentrieren. Und er kündigte Dialogbereitschaft an, um die Spaltung in der Gesellschaft zurückzudrängen. Eine Schonfrist gibt es für ihn nicht.

Es war wieder ein ereignisreicher Tag rund um den Wiener Ballhausplatz zwischen Bundeskanzleramt und Hofburg. Rund hundert Gegnerinnen und Gegner der CoV-Maßnahmen hatten sich eingefunden und schrien lautstark gegen die Angelobung von Nehammer und seinen neuen Ministern an. In der Hofburg selbst lief aber alles wie schon gewohnt ab. Es war die bereits fünfte Angelobung eines Kanzlers durch Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen.

Zunächst enthob Van der Bellen Alexander Schallenberg, Michael Linhart, Gernot Blümel, Nehammer, Heinz Faßmann und Magnus Brunner (alle ÖVP oder auf ÖVP-Ticket) auf deren Wunsch ihrer bisherigen Ämter. Danach gelobte er Nehammer als neuen Regierungschef an, gefolgt von der neuen Ressortchefs im Finanz-, Innen- und Bildungsministerium.

TV-Hinweis

Die Antritts-PK des neuen Kanzlers ist im Rahmen einer Sonder-ZIB ab 10.20 Uhr in ORF2 sowie im Livestream in tvthek.ORF.at zu sehen .

Auch Partei wird umgebaut

Der bisherige Staatssekretär Brunner wird neuer Finanzminister, der vormalige niederösterreichische Zweite Landtagspräsident Gerhard Karner folgt Nehammer in Innenministerium nach. Der bisherige Grazer Rektor Martin Polaschek wird Bildungsminister, Schallenberg kehrt vom Kanzleramt wieder ins Außenministerium zurück.

Dazu wechselt Claudia Plakolm (ÖVP) als Staatssekretärin von der Abgeordneten- auf die Regierungsbank. Zudem gab es am Montag noch weitere Personalia in der ÖVP. Neben einer ganzen Reihe an Pressesprecherinnen und -sprechern wechselt die Volkspartei auch die Spitze ihres Generalsekretariats aus: Auf Axel Melchior folgt Laura Sachslehner, bisher Landtagsabgeordnete in Wien – mehr dazu in wien.ORF.at.

Auftrag des Bundespräsidenten

Van der Bellen entließ die neue Riege nach der Zeremonie unter strengen CoV-Regeln nicht ohne mahnende Worte. Er gab ihnen den Auftrag mit auf den Weg, keine falschen Erwartungen zu wecken und „der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken“, faktenbasierte Entscheidungen treffen und darüber in nachvollziehbarer, gemeinsamer Kommunikation zu informieren. Da man in der Pandemie nicht wisse, wie es weitergeht, dürfe man „nichts versprechen, was sich später als nicht einhaltbar herausstellt“, so der Bundespräsident. Er trug der neuen Regierung auf, „unverzüglich und gemeinsam“ die „große Aufgabe“ der entschlossenen Bekämpfung der Pandemie anzugehen.

Dialogbereitschaft angekündigt

Nehammer sagte bei der anschließenden Amtsübergabe im Bundeskanzleramt, er werde sich bemühen, die „uns allen schadende“ Spaltung der Gesellschaft zurückzudrängen. Das Virus belaste die Menschen. Es brauche Dialogbereitschaft und Respekt. „Es ist dringend geboten, auf die Menschen zuzugehen und ihnen die Sorgen und Ängste zu nehmen“, so Nehammer.

Er wolle jetzt keine Serieninterviews geben, so Nehammer in Richtung Medien, er wies dabei auf sein umfangreiches Arbeitspensum in Sachen Pandemie hin.

Bundeskanzler und Minister angelobt

Bundespräsident Van der Bellen hat am Montag Karl Nehammer als neuen Bundeskanzler, die neuen ÖVP-Minister und die neue ÖVP-Staatssekretärin angelobt. Die Angelobung wurde vom Bundespräsidenten mit mahnenden Worten eingeleitet: Es brauche eine gemeinsame Kommunikation nach außen, um das Vertrauen der Bevölkerung wieder zu gewinnen. In Wien haben einige hundert Demonstranten gegen die neue ÖVP-Regierung und die CoV-Maßnahmen protestiert.

Voller Terminkalender

Der neue Kanzler begann am Montag auch bereits Gespräche mit den Spitzen der anderen Parteien, den Sozialpartnern, den Ländern und jenen Ministern, die für die Bekämpfung der Coronavirus-Krise relevant sind. Schonfrist wird es keine geben: Am Dienstagvormittag will Nehammer eine Pressekonferenz geben. Am Mittwoch folgt bereits der Gipfel aus Bund und Ländern, bei dem über neue Öffnungsschritte aus dem aktuellen Lockdown entschieden wird.

Am Donnerstag werden sich Nehammer und sein Team im Nationalrat, der für die Regierungserklärung zur Sondersitzung zusammentritt, präsentieren. Dort wird Nehammer wohl gleich mit Kritik konfrontiert sein. FPÖ-Chef Herbert Kickl legte ihm und seinem gesamten Kabinett gleich am Montag in einer Aussendung den „sofortigen Rücktritt“ nahe.

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Grafik zur türkis-grünen Regierung
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/BKA/Tatic/Uni Graz
Grafik zur türkis-grünen Regierung
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/BKA/Tatic/Uni Graz

Auch die neuen Minister nannten am Montag die Bekämpfung der Pandemie als erste Aufgabe: „Wir müssen Land und Standort gut durch die Krise bringen“, sagte der neue Finanzminister Brunner, nachdem ihm Blümel den Schlüssel für die Himmelpfortgasse überreicht hatte. Auch für Bildungsminister Polaschek hat die Bekämpfung der Pandemie „oberste Priorität“. Er bekam von Vorgänger Faßmann einen kleinen „Covid-Ninja“-Pappkameraden – in Anspielung auf den „Ninja-Pass“ für Schüler.

Der neue Innenminister Karner erhielt aus Nehammers Händen symbolisch die Fahne des Ressorts. Karner, vor längerer Zeit Pressesprecher im Innenministerium, übernahm die neue Aufgabe mit „großem Respekt“. Pandemie, Migration und Cyberkriminalität sah er als seine drei großen Herausforderungen, die es zu bewältigen gelte.