Die Grundsatzfrage der Öffnung sei unter den Landeshauptleuten entschieden. Handel, Gastronomie und Hotellerie dürften aufsperren, so Nehammer. Es sei nur eine Frage der Bedingungen. Man werde jedenfalls so vorsichtig wie möglich vorgehen, wobei er beispielsweise den Gebrauch von FFP2-Masken als „wichtigen Faktor“ nannte. Das Recht der Bundesländer, strengere Maßnahmen zu verhängen, bleibe aufrecht und sei auch sinnvoll.
Nehammer sagte, er habe den ersten Tag im Amt für Gespräche mit den renommiertesten Wissenschaftlern sowie den Expertinnen und Experten des Gesundheitsministeriums genutzt. Er habe sich außerdem mit SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger und Ludwig getroffen.
FPÖ-Chef Herbert Kickl sei ebenfalls eingeladen gewesen. Dieser berichtete am frühen Abend in einer Aussendung, dass es am Nachmittag ein Treffen im Kanzleramt gegeben habe. Er habe sich mit dem Kanzler über die „unterschiedlichen Standpunkte“ zur Coronavirus-Politik und den jüngsten Rochaden in der Regierung ausgetauscht, so Kickl.
„Lockdown für Ungeimpfte bleibt“
Eines sei klar, so Nehammer: „Der Lockdown für Ungeimpfte bleibt.“ Man habe ausreichend lernen dürfen, dass sich das Virus nicht an politische Vorgaben hält. „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass das Virus ein Teil unseres Lebens sein wird.“ Um ein Leben in Freiheit zu ermöglichen, müsse man auf die Wissenschaft hören. Wichtig würden auch Kontrolle und Sanktionierung bei Nichteinhaltung der aufgestellten Regeln sein.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP)
Einen Tag nach seiner Angelobung gab der neue Bundeskanzler Karl Nehammer in einer Pressekonferenz einen kurzen Ausblick auf seine Vorhaben als Bundeskanzler. Er erklärte, dass der Lockdown für Geimpfte und Genesene am Sonntag enden werde.
Gastronomie und Hotellerie in Wien länger geschlossen
Der Wiener Bürgermeister sagte in einer Pressekonferenz, dass man in der Bundeshauptstadt vorsichtig öffnen werde. Handel, Kultur, Sport „und ähnliche Zusammenkünfte“ dürften am 13. Dezember wieder öffnen. Gastronomie und Hotellerie sollen erst am 20. Dezember wieder öffnen, ebenfalls begleitet durch umfassende Sicherheitsmaßnahmen. Weihnachtsmärkte sollen ab 13. Dezember wieder für den Verkauf öffnen, die Gastonomiestände dürfen aber analog zur Gastronomie nur Speisen und Getränke zum Mitnehmen anbieten – mehr dazu in wien.ORF.at.
Impfpflicht: „Im Verhandlungsprozess“
Auf den Stand der Verhandlungen beim Thema Impfpflicht angesprochen sagte Nehammer, es sei ein Verhandlungsprozess und es wäre unhöflich, dem vorzugreifen. „Grundsätzlich ist die Impfpflicht leider notwendig“, so der neue Bundeskanzler. Sie sei das letzte Mittel. Der dritte Stich sei eines der wichtigsten Projekte, was man an den Erfolgen Israels mit dieser Strategie ablesen könne. Nehammer lobte Impfinitiativen wie Impfungen an ungewöhnlichen Orten und Impflotterien als „wertvolle Beiträge“, die gefördert werden müssten.
Im Lockdown sei die Zahl der Erststiche wieder gesunken. Man müsse den Ungeimpften signalisieren: „Ihr könnt den Lockdown verlassen, wenn ihr euch impft.“
Nächste Arbeitsschwerpunkte
Als seine nächsten Arbeitsschwerpunkte nannte Nehammer die Situation der Familien und Kinder. Er plane, sich schnell mit dem neuen ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek zusammenzusetzen, Ex-Minister Heinz Faßmann danke er. „Es ist viel passiert“, aber es brauche immer wieder neue Maßnahmen. Auch in der Pflege werde er Gespräche intensivieren.
Die Pandemie dürfe nicht „zum Mühlstein um den Hals der Republik“ werden. Deshalb werde auch die Förderung des Wirtschaftsstandort eine hohe Priorität erhalten. „Wohlstand ist der Garant für soziale Sicherheit und sozialen Frieden in diesem Land“, so Nehammer.
In der Debatte um das Dollfuß-Museum in der Gemeinde von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) stellte sich Nehammer hinter seinen Nachfolger. Karner sei ein „Verfassungspatriot, dem Grund- und Freiheitsrechte wichtig sind“. Die ÖVP habe sich intensiv mit ihrer Geschichte auseinandergesetzt und bekenne sich zu Unheil und Unrecht, das passiert sei.
Länder mehrheitlich für Öffnung mit Vorsicht
Zuletzt hatte es Zweifel gegeben, ob angesichts noch immer erheblicher Spitalsbelegungen tatsächlich schon alle geschlossenen Branchen wieder öffnen sollten. Das hatte zwar der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) gefordert, der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) beispielsweise hatte aber ein vorsichtiges Vorgehen befürwortet.
Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) hält eine kontrollierte Öffnung von Handel, Tourismus und Gastronomie ebenfalls für vertretbar. Sowohl die Wirtschaft als auch die Bevölkerung brauche eine klare, planbare Perspektive, bei der auch auf regional unterschiedliche Entwicklungen Rücksicht genommen werden sollte – mehr dazu in burgenland.ORF.at.
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) erwartet sich vom Bund noch eine inhaltliche Konkretisierung, was künftige Schutzmaßnahmen betreffe. Kaiser sagte, er könne sich 2-G und FFP2-Maske in Gastronomie und Hotellerie vorstellen – mehr dazu in kaernten.ORF.at.
Laut dem Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) ist bei der Infektionslage in Vorarlberg eine „klare Trendumkehr“ sichtbar. Auch wenn die Situation derzeit noch sehr angespannt sei, gehe er davon aus, „dass wir den Peak an Infektionszahlen überschritten haben“ – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.
Lage in Spitälern weiter angespannt
Aus der niederösterreichischen Landesregierung hieß es am Montag, dass an den Spitälern keine Entwarnung gegeben werden könne. Die Ampelkommission hatte vergangene Woche für „behutsame Öffnungsschritte“ geworben.
Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer fand es trotz des Verweises auf weiter extrem hohe Zahlen an den Intensivstationen im Ö1-Morgenjournal „selbstverständlich“, eine Öffnung aller Branchen nach dem Lockdown-Ende einzufordern. In vergleichbaren Ländern wie der Schweiz werde ja auch jetzt dem normalen Geschäft mit Sicherheitseinschränkungen nachgegangen.
In der Gastronomie rechnet man nach dem Ende des Lockdowns mit Einschränkungen. Eine 2-G-Plus-Regel lehnt der Tiroler Branchenvertreter in der Wirtschaftskammer ab. Man rechne zwar mit Einschränkungen, etwa einem größeren Abstand zwischen den Tischen und einer Einschränkung der Gästezahl. Verpflichtende Tests auch für Geimpfte seien aber nicht praxistauglich – mehr dazu in tirol.ORF.at.
NEOS für Öffnung mit 2-G, FPÖ kritisiert Nehammer
NEOS fordert eine Öffnung von Handel, Gastronomie, Hotellerie und anderen Einrichtungen unter Anwendung der 2-G-Regel nach dem Wochenende. Alle diese Bereiche hätten ohnehin schon lange die entsprechenden Konzepte in der Schublade, sagte Parteichefin Meinl-Reisinger bei einer Pressekonferenz am Dienstag.
FPÖ-Chef Herbert Kickl attackierte den neuen Bundeskanzler in einer Aussendung nach der Pressekonferenz scharf. Nehammer habe nicht verstanden, „dass man nicht von der Überwindung der Spaltung sprechen kann, wenn man gleichzeitig den Lockdown für Ungeimpfte und das Vorhaben des gesetzlichen Impfzwangs aufrechterhält“. Ein Termin für das Gespräch mit Nehammer sei zudem bereits vereinbart: „Offensichtlich ist dem Kanzler entgangen, dass es diesen Termin bereits gibt.“