Videokonferenz zwischen Biden und Putin
AP/Sputnik/Kreml
„Kurzer“ Videogipfel

Biden droht Putin wegen Ukraine-Krise

US-Präsident Joe Biden hat auf dem Videogipfel mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin nach Angaben des Weißen Hauses im Falle einer Eskalation im Ukraine-Konflikt mit Konsequenzen gedroht. Ein Drohszenario ist die Schließung der Gaspipeline „Nord Stream 2“. Das Gespräch dauerte „nur“ rund zwei Stunden. Der Kreml hatte zuvor erklärt, es könne angesichts der Vielzahl von Konfliktthemen ein sehr langes Gespräch werden.

Biden habe „die tiefe Besorgnis der Vereinigten Staaten und unserer europäischen Verbündeten“ über die Krise zum Ausdruck gebracht, hieß es aus dem Weißen Haus. Er habe zugleich deutlich gemacht, „dass die USA und unsere Verbündeten im Falle einer militärischen Eskalation mit starken wirtschaftlichen und anderen Maßnahmen reagieren würden“.

Weiter teilte das Weiße Haus mit, Biden habe seine Unterstützung für die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine bekräftigt. Er habe zur Deeskalation und zur Rückkehr zur Diplomatie aufgerufen.

Neue US-Drohszenarien

Die USA drohten Russland für den Fall eines Angriffs auf die Ukraine mit Maßnahmen gegen die deutsch-russische Ostsee-Pipeline „Nord Stream 2“. „Das ist ein Druckmittel des Westens“, sagte der Sicherheitsberater Bidens, Jake Sullivan, am Dienstag. „Denn wenn Wladimir Putin will, dass Gas durch diese Pipeline fließt, will er vielleicht nicht das Risiko einer Invasion in der Ukraine eingehen.“ Offenbar haben sich die USA auch mit Deutschland über diese Sanktion abgesprochen.

Auch militärisch gibt es für diesen Fall Pläne: Biden will die Ukraine nach Angaben des Weißen Hauses weiter aufrüsten. „Wir würden den Ukrainern zusätzliches Material zur Verteidigung zur Verfügung stellen, das über das hinausgeht, was wir bereits bereitstellen“, sagte Sullivan. „Und wir würden unsere NATO-Verbündeten an der Ostflanke mit zusätzlichen Fähigkeiten ausstatten, um auf eine solche Eskalation zu reagieren.“

Biden spricht mit Verbündeten

Nach seinem Gespräch mit Putin wollte Biden sich mit der scheidenden deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dem britischen Premierminister Boris Johnson und dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi beraten, wie das Weiße Haus mitteilte.

Bei einem Gespräch am Vortag hätten die Verbündeten bereits vereinbart, „eng miteinander in Kontakt zu bleiben, um ein koordiniertes und umfassendes Konzept als Reaktion auf Russlands militärisches Aufrüsten an den Grenzen der Ukraine zu entwickeln“.

Gipfeltreffen zwischen Putin und Biden

In einer Videokonferenz haben US-Präsident Joe Biden und Russlands Präsident Wladimir Putin über einen Ausweg im Ukraine-Konflikt gesprochen. Die EU hat inzwischen bereits der Ukraine ihre Unterstützung zugesagt.

Putin gegen NATO-Osterweiterung

Putin bekräftigte bei dem Gipfel seine Forderung nach einem Stopp der NATO-Osterweiterung. Russland wolle verbindliche juristische Garantien, dass sich das westliche Militärbündnis nicht nach Osten ausweite und dort Angriffswaffen stationiere, sagte Putin einer am späten Dienstagabend vom Kreml veröffentlichten Mitteilung zufolge. Der Kreml bezeichnete das Gespräch als „offen und professionell“.

Russland sieht sich von einem Vorrücken der NATO bedroht und will die Aufnahme der benachbarten Ex-Sowjetrepubliken Ukraine und Georgien in die Allianz verhindern. Putin hatte auch schon im Vorfeld erklärt, dass eine Verlegung von militärischer NATO-Infrastruktur in die Ukraine aus russischer Sicht die Überschreitung einer „roten Linie“ darstelle.

Sullivan sagte dazu, Biden habe keine Zugeständnisse gemacht. Der Präsident stehe dazu, „dass Länder in der Lage sein sollten, frei zu wählen, mit wem sie zusammenarbeiten“.

Harte Worte im Vorfeld

Schon vor Bidens Gespräch mit Putin hatten die USA der Regierung in Moskau im Fall einer militärischen Eskalation im Ukraine-Konflikt mit schwerwiegenden Konsequenzen gedroht. Die Kosten würden sehr hoch ausfallen, „sollte Russland sich für ein solches Vorgehen entscheiden“, sagte ein US-Regierungsvertreter. Dann müsse Putin mit „erheblichen wirtschaftlichen Gegenmaßnahmen sowohl der Europäer als auch der Vereinigten Staaten“ rechnen.

Die NATO ist alarmiert wegen Berichten über mutmaßliche Angriffspläne Russlands auf die Ukraine. Moskau hingegen weist den Vorwurf der Aggression zurück und beschuldigt im Gegenzug die Ukraine, mehr als 120 000 Soldaten an die Linie zu den ostukrainischen Separatistenregionen Donezk und Luhansk verlegt zu haben.

„Arbeitsgespräch in einer sehr schwierigen Zeit“

Während das Weiße Haus zunächst keine TV-Bilder von dem Gipfel verbreitete, zeigte das russische Staatsfernsehen Putin am Dienstag an seinem Schreibtisch vor einem Bildschirm. „Gut, Sie wieder zu sehen“, sagte Biden zur Begrüßung. Leider sei der Kreml-Chef Ende Oktober nicht beim G-20-Gipfel in Rom gewesen. Nächstes Mal wolle er Putin wieder persönlich treffen, sagte der US-Präsident.

ORF-Korrespondenten in Moskau und Washington

Die ORF-Korrespondenten Paul Krisai in Moskau und Thomas Langpaul in Washington über das Krisentreffen zwischen Biden und Putin, bei dem die Liste der Konfliktthemen lang ist. Im Zentrum der Gespräche aber stand die Ukraine. Haben sich hier beide Mächte angenähert?

Als Staatschefs hatten sich Putin und Biden erstmals im Juni in Genf persönlich getroffen. Auf dem Videogipfel sollte es auch um die Cybersicherheit beider Länder sowie um das iranische Atomprogramm und weitere internationale Konflikte gehen.

Die „roten Linien“ Russlands

Von dem Gipfel seien keine „Durchbrüche“ zu erwarten, hatte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow betont. Es handle sich um „ein Arbeitsgespräch in einer sehr schwierigen Zeit“. Wenige Stunden vor der Schaltung, die über eine besonders geschützte und abhörsichere Leitung geführt worden sei, waren mit Blick auf die Ukraine zudem noch einmal warnende Worte aus Moskau gekommen. „Russland hat nicht vor, irgendjemanden anzugreifen, aber wir haben unsere Befürchtungen und unsere ‚roten Linien‘“, sagte Peskow vor dem Videogipfel.

EU droht Moskau

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen drohte Moskau mit weiteren Sanktionen. Die Europäische Union werde auf weitere Aggressionen Moskaus regieren, sagte sie. Bestehende Sanktionsregime könnten erweitert bzw. neue Strafmaßnahmen ergriffen werden. Sie wolle noch einmal „die uneingeschränkte und unerschütterliche Unterstützung der EU für die Ukraine“ unterstreichen. Derzeit seien es Russlands bewusste Entscheidungen und aggressive Handlungen, die die Sicherheit Europas weiter destabilisierten.

Warnungen aus der Ukraine

Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow warnte in einem Interview des US-Senders CNN, dass ein russischer Einmarsch in die Ukraine ein „wirklich blutiges Massaker“ bedeuten würde. Moskau wiederum forderte von Kiew eine Garantie, die von den prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiete im Donbass nicht anzugreifen. Im Falle eines Angriffs durch die Ukraine sähe Russlands Militärdoktrin klar einen Einmarsch vor – weil im Donbass auch viele russische Staatsbürger leben.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski besprach sich vor der Videokonferenz von Putin und Biden mit US-Außenminister Antony Blinken. Die Ukraine sei den USA dankbar für ihre Unterstützung, schrieb Selenski auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Übereinstimmenden US-amerikanischen und ukrainischen Medienberichten zufolge wurde zudem ein Telefonat zwischen Biden und Selenski im Anschluss an den Gipfel vereinbart.