Soldat in Myanmar
Reuters
Berichte über Massaker

Elf Menschen in Myanmar lebend verbrannt

In Myanmar haben Soldaten der Militärjunta Berichten zufolge ein Dorf gestürmt und elf Menschen lebendig verbrannt. Unter den Opfern seien fünf Jugendliche, erklärten Augenzeugen am Mittwoch. In den sozialen Netzwerken waren Bilder der verbrannten Leichen zu sehen, deren Hände auf dem Rücken gefesselt waren.

„Mein Bruder war Student und erst 22 Jahre alt“, sagte ein Mann aus dem Ort Don Taw im Nordwesten des Landes der dpa. „Als die Soldaten kamen, wollte er fliehen, aber sie haben ihn gefasst und getötet.“ Myanmar versinkt seit einem Militärputsch Anfang Februar in Chaos und Gewalt. Die Junta unterdrückt jeden Widerstand brutal und greift auch immer wieder Zivilisten an.

Etwa 100 Militärs hätten das Dorf Don Taw am Dienstagmorgen gestürmt und anschließend elf Bürger zunächst gefoltert und dann grausam ermordet, teilte der Sprecher der „Regierung der Nationalen Einheit“ mit, einer Gruppe ehemaliger gewählter Politiker, die jetzt aus dem Untergrund gegen die Militärjunta kämpft.

„Kriegsverbrechen ersten Ranges“

Das jüngste Opfer sei 14 Jahre alt gewesen, das älteste 40, so der Sprecher Dr. Sasa. „Diese Taten stellen Kriegsverbrechen höchsten Ranges dar. Es handelt sich schlicht und einfach um Terrorakte“, hieß es in einer Mitteilung. Dr. Sasa sprach von „abscheulichen Szenen“ und einer „Eskalation der Terrorakte des Militärs“. Die schiere Brutalität und Grausamkeit der Tat beweise, „dass die Junta trotz der scheinbaren relativen Entspannung der letzten Monate nie die Absicht hatte, ihre Gewaltkampagne zu deeskalieren“.

Nach Angaben der Gefangenenhilfsorganisation AAPP wurden seit dem Umsturz Anfang Februar bisher mindestens 1.300 Menschen getötet, etwa 10.000 weitere festgenommen.

Myanmars entmachtete Regierungschefin Aung San Suu Kyi
Reuters/ Nicolas Datiche
Myanmars entmachtete Regierungschefin Aung San Suu Kyi im Jahr 2018

Militärfahrzeug rast in Demonstration

Die Militärjunta geht gegen Regimegegner immer härter vor. Bei Protesten gegen die Junta rasten Soldaten mit einem Auto in einen Demonstrationszug und verletzten dabei mindestens drei Menschen. Das Militärfahrzeug sei am Sonntag mit hoher Geschwindigkeit in die Menschenmenge gefahren, um die friedliche Kundgebung in der Stadt Yangon aufzulösen, sagte ein Journalist, der an Ort und Stelle war. Mehrere Menschen seien angefahren und verletzt worden. Die Soldaten seien dann aus dem Fahrzeug gestiegen und hätten um sich geschossen.

Erstes Urteil gegen Aung San Suu Kyi

Unterdessen muss Myanmars entmachtete Regierungschefin Aung San Suu Kyi für mindestens zwei Jahre in Haft. Ein Sondergericht sprach Suu Kyi in zwei Anklagepunkten schuldig. Konkret gehe es um die Vorwürfe der Anstiftung zum Aufruhr und der Verletzung von CoV-Maßnahmen, sagten mit dem Verfahren vertraute Personen am Montag der dpa. Die Justiz wirft der 76-Jährigen weitere Vergehen vor, darunter Verstöße gegen die Außenhandelsgesetze und Korruption. Wann die Urteile dazu fallen sollen, ist noch unklar. Insgesamt drohen Suu Kyi Experten zufolge bis zu 100 Jahre Haft.

Das Gericht setzte zunächst vier Jahre Haft an. Wenige Stunden nach den Urteilen gab die Militärjunta bekannt, das Strafmaß auf zwei Jahre verkürzen zu wollen. Das berichteten staatliche Medien unter Berufung auf die Generäle. Zudem dürfe die Friedensnobelpreisträgerin im Hausarrest – in dem sie sich seit dem Putsch Anfang Februar befindet – verbleiben und müsse nicht ins Gefängnis, hieß es.

Redeverbot für Anwälte

Der Prozess findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt – auch Journalisten sind im Gericht in der Hauptstadt Naypyidaw nicht zugelassen. Suu Kyis Anwälten war Mitte Oktober ein Redeverbot erteilt und jede Kommunikation mit Medien, Diplomaten und ausländischen Regierungen untersagt worden.

Die EU verurteilte das Urteil als „politisch motiviert“ und als „einen weiteren schweren Rückschlag für die Demokratie in Myanmar“. Auch die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, sprach von einem politisch motivierten Prozess. Das Militär instrumentalisiere die Gerichte, um die politische Opposition zu entfernen, teilte sie in Genf mit. Das werde die Fronten nur noch verhärten. US-Außenminister Antony Blinken nannte das Urteil „einen weiteren Affront gegen Demokratie und Gerechtigkeit“ in Myanmar.

Flüchtlinge der Rohingya
Reuters/Mohammad Ponir Hossain
Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch 2019

Rohingya klagen Facebook

Angehörige der unterdrückten muslimischen Minderheit der Rohingya aus Myanmar klagten unterdessen den Sozialen-Netzwerk-Giganten Facebook wegen Hetze auf dessen Plattform auf 150 Milliarden US-Dollar (rund 133 Mrd. Euro) Schadenersatz und weitere Zahlungen. Der inzwischen in Meta umbenannte Konzern kommentierte die Klagen zunächst nicht.

Wie aus einer Klageschrift der US-Anwaltskanzlei Edelson hervorgeht, wird dem Unternehmen vorgeworfen, auf seiner Plattform nicht genug gegen Hass und Aufrufe zur Gewalt gegen Rohingya in Myanmar getan zu haben. Durch Algorithmen sollen die gefährlichen Inhalte sogar noch eine größere Reichweite erhalten haben.

„Besondere Verantwortung“

Facebook spielte in dem Land eine wichtige Rolle dabei, Menschen überhaupt Zugang zum Internet zu ermöglichen. Auch deswegen habe das Unternehmen eine besondere Verantwortung gehabt, so der Vorwurf. Die Klage beruft sich auf die Gesetze des südostasiatischen Landes, weil Facebook unter US-Recht weitgehend davor geschützt ist, Verantwortung für die Inhalte seiner Nutzer zu übernehmen.

Die Rohingya werden in ihrem Heimatland Myanmar brutal verfolgt. Hunderttausende von ihnen waren 2017 aus Furcht vor Übergriffen des Militärs in dem mehrheitlich buddhistischen Land ins Nachbarland Bangladesch geflüchtet. Dort leben sie nun in überfüllten Lagern. Die Vereinten Nationen stufen ihre Verfolgung als anhaltenden Völkermord ein.

Klage auch in Großbritannien

Auch in Großbritannien soll Klage eingereicht werden. Wie die Anwaltskanzlei Mischon de Reya mitteilte, wurde Facebook über die Absicht einer Klageerhebung in Kenntnis gesetzt. Während die US-Klage nur im Namen der dort lebenden Rohingya geführt wird, sollen bei der geplanten britischen Klage alle Rohingya außerhalb der USA vertreten werden. Facebook hatte bereits 2018 zugegeben, dass es in Myanmar „mehr zu tun“ gebe, nachdem eine unabhängige Untersuchung bestätigt hatte, dass die Plattform teilweise für Hetzkampagnen missbraucht wurde.