Labormitarbeiterin während der Auswertung von Covid-19-Tests
Reuters/Gaelen Morse
Erste Ergebnisse

Impfung wirkt gegen Omikron wohl weniger

Auch wenn das Rätselraten um die neue Virusvariante Omikron weiterhin groß ist – erste Studienergebnisse bringen ein wenig Licht ins Dunkel. Demnach dürften die aktuellen Impfstoffe eine geringere Abwehrreaktion auf Omikron haben als auf bisherige Varianten. Biontech und Pfizer sehen aber den Schutz mit der dritten Impfung gegeben.

Der Vakzinhersteller Biontech und Pfizer veröffentlichte am Mittwoch vorläufige Laborergebnisse. Demnach geht man von einer geringeren Wirksamkeit des Covid-19-Impfstoffs gegen die neue Omikron-Variante aus. Zwei Dosen wiesen deutlich geringere Neutralisierungstiter gegen Omikron auf. Aber drei Dosen des Impfstoffs konnten danach die Variante neutralisieren. Die Daten zeigten auch, dass eine Dritte Dosis die neutralisierenden Antikörpertiter im Vergleich zu zwei Dosen um das 25-Fache erhöhe.

Zuvor am Mittwoch hatte bereits die Virologin Sandra Ciesek vom Universitätsklinikum Frankfurt ihre Laborergebnisse auf Twitter veröffentlicht. Auch sie zeigen eine deutlich reduzierte Antikörperantwort auf die neue Variante. Sie sprach sich aber für eine Anpassung des Impfstoffs aus. Denn selbst drei Monate nach einer Boosterimpfung mit dem Vakzin von Biontech und Pfizer sah Ciesek nur eine Neutralisation von 25 Prozent bei Omikron im Vergleich zu 95 Prozent bei der noch vorherrschenden Delta-Variante. „Die Daten bestärken, dass die Entwicklung eines an Omikron angepassten Impfstoffs sinnvoll ist“, schrieb Ciesek dazu.

Ciesek wies aber auch darauf hin, dass aus ihrer Auswertung nicht herauszulesen ist, ob Geimpfte bei Omikron vor einem schweren Verlauf geschützt sind. Denn die Immunantwort beruht nicht nur auf Antikörpern, sondern beispielsweise auch auf T-Zellen. Die Daten wurden bisher nicht von Fachkollegen begutachtet und nicht in einem Fachmagazin veröffentlicht.

Verunsicherung durch CoV-Variante Omikron

Die neue Coronavirus-Variante Omikron löst derzeit eine große Verunsicherung aus. Noch ist wenig zu Übertragbar- und Gefährlichkeit der Variante bekannt. Sicher aber ist, dass es nicht die letzte Coronavirus-Variante sein wird.

Klinische Studien nötig

Um die Wirkung eines Impfstoffs gegen eine bestimmte Variante von SARS-CoV-2 zu untersuchen, machen Forscherinnen und Forscher in der Regel „Neutralisationstests“. Es wird untersucht, wie viele Antikörper, die die Virusvariante ausschalten können, ein geimpfter Mensch im Blut hat. Der tatsächliche Schutz von Geimpften kann damit aber nicht bestimmt werden, dafür braucht es klinische Studien mit Tausenden Probanden oder Auswertungen des laufenden Infektionsgeschehens.

Booster als Schutz?

Bereits am Vortag hatten südafrikanische Experten ähnliche Daten vorgelegt, wonach die Antikörperantwort bei Geimpften gegen Omikron schwächer ausfällt. Forscher des Africa Health Research Institute in Südafrika hatten vorläufige Daten zur Wirksamkeit des Vakzins von Biontech und Pfizer gegen Omikron veröffentlicht. Die Ergebnisse legen einer Mitteilung zufolge nahe, dass die Virusvariante der Antikörperantwort von zweifach Geimpften entkommt. Bei Geimpften, die zusätzlich infiziert waren, war demnach aber eine beträchtliche Antikörperantwort messbar. Auch diese Ergebnisse wurden noch nicht in einem Fachjournal veröffentlicht.

Der Virologe Andreas Bergthaler schrieb am Mittwoch auf Twitter, dass es sich bei Cieseks Ergebnissen um frühe Daten einer geringen Probenanzahl handle. „Wie befürchtet“ zeigten sie aber, dass die Abwehrreaktion Geimpfter weniger stark sei: „viel schlechter vs das Ursprungsvirus (40x )“. Geimpfte, die aber auch infiziert waren, „neutralisieren Omikron aber gut. Letzteres zeigt, dass Omikron sich nicht völlig unserer Antikörperantwort entzieht“, so Bergthaler.

„Sieht nicht gut aus für zweifach Geimpfte“

Der in den USA tätige österreichische Virologe Florian Krammer schrieb ebenfalls, dass Menschen, die infiziert waren und geimpft seien, gegen Omikron wohl einen Restschutz hätten. Das sei „sicherlich auch ein gutes Zeichen für geimpfte Personen, die ihre Auffrischungsdosis erhalten haben. Obwohl wir noch keine Daten für sie haben, ist es wahrscheinlich, dass sie eine restliche neutralisierende Aktivität aufweisen“. Seine Vermutung sei, dass der Infektionsschutz bei genesenen Geimpften sowie dreimal geimpften Personen höher sei.

Auch der deutsche Virologe Christian Drosten reagierte auf die neuen Daten: Eine 40-fache Reduktion der Neutralisationsaktivität bedeute „NICHT, dass die Impfung 40-mal weniger schützt. Der reale Immunitätsverlust ist viel geringer. Im Moment ist Dreifachimpfung der beste Schutz. Neue Impfstoffe erst nach der Winterwelle. Nicht warten, sondern boostern“, schrieb er auf Twitter. „Das sieht nicht gut aus für zweifach Geimpfte. Die dritte Dosis ist notwendig“.

„Über den Sommer kommt dann wohl der angepasste Impfstoff“, kommentierte der Molekularbiologe und „Science Buster“ Martin Moder ebenfalls auf Twitter. Er finde „es eh auch schön, dass vieles wieder aufsperrt“, fürchte aber, dass Omikron in Österreich viel zu wenig ernst genommen werde, und wir uns „im Jänner gewaltig ärgern werden, wenn wir jetzt nicht konsequent auf 2-G-Plus setzen, wo immer es möglich ist“, hatte er bereits kurz vor Erscheinen der nun vorliegenden wissenschaftlichen Daten betont.

Rasante Ausbreitung

Abseits von der Wirkung von Impfstoffen sind viele weitere Fragen zu Omikron noch offen. Sicher ist, dass sich die Variante rasend schnell über den Globus verteilt. Am Mittwoch hieß es von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Omikron sei bereits in 57 Ländern angekommen. Nicht nur im Süden Afrikas, auch in Europa und vielen anderen Regionen scheint die Variante inzwischen auf dem Vormarsch zu sein. Auch in Großbritannien und Norwegen wird erwartet, dass Omikron Delta bald verdrängen könnte.

Die Mutante könnte in Großbritannien innerhalb von Wochen dominant werden, sagte der Genetiker Jeffrey Barrett vom Wellcome-Sanger-Institut im BBC-Radio am Dienstag. Auch der Epidemiologe Tim Spector vom King’s College in London geht von einer rasanten Ausbreitung der Omikron-Variante in Großbritannien, das etwa im Vergleich mit Südafrika eine deutlich höhere Impfquote aufweist, aus. Realistisch sei anzunehmen, dass es schon jetzt 1.000 bis 2.000 Fälle im Land gebe. „Und wir rechnen damit, dass sich das ungefähr alle zwei Tage verdoppelt im Moment“, sagte Spector der BBC.

„Es ist wahrscheinlich, dass die Omikron-Variante eine größere Ausbreitungsfähigkeit als die Delta-Variante besitzt und spätestens im Jänner 2022 in Norwegen dominant geworden ist“, schrieb zudem das norwegische Gesundheitsinstitut FHI in einer Risikobewertung. Bereits jetzt steige die Krankheitslast schnell, Omikron werde diese Entwicklung im Laufe des Dezembers und Jänners voraussichtlich verstärken und eine Welle mit einer erheblichen Krankheitslast auslösen. Norwegen verschärfte deshalb nun auch seine Maßnahmen.

Vorsichtiger Optimismus in südafrikanischen Spitälern

Erste Berichte von südafrikanischen Forscherinnen und Forschern, wonach Omikron mildere Krankheitsverläufe hervorrufen könnte als andere Varianten, sind Fachleuten zufolge mit Vorsicht zu genießen. Dass mit Omikron Infizierte womöglich weniger schwer erkranken könnten, zeigten etwa erste Daten des Steve-Biko-Spitals in Tshwane in der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria. Auch in anderen Spitälern in der besonders betroffenen Provinz Gauteng zeichne sich ein ähnliches Bild ab, heißt es in dem Bericht.

Zugleich wurde darin aber auch betont, dass sich der Zustand der Patientinnen und Patienten in den nächsten zwei Wochen noch deutlich verschlechtern könne, erst dann würden sich belastbarere Schlüsse ziehen lassen.

Skepsis bei Fachleuten über mildere Verläufe

Die Häufung milder Verläufe bei Omikron-Infektionen könne damit zusammenhängen, dass die Variante in der Lage sei, eine größere Zahl von geimpften oder genesenen Menschen zu infizieren, die bereits über eine gewisse Immunität verfügten, so etwa Barrett. Doch auch wenn nur eine kleine Zahl von Infizierten schwer erkranke, könne das bei einer starken Ausbreitung der Variante zum Problem werden.

Auch Krammer wollte die Einschätzungen, wonach Omikron im Vergleich zu Delta harmloser sei, nicht bestätigen. So gehe die „Zahl der Neuinfektionen steil bergauf“, und auch die Zahl der Einweisungen in die Spitäler steige, sagte er. „Die sichere Annahme ist, dass diese Variante genauso gefährlich ist wie alle anderen“.

Vieles noch unklar

Über den Krankheitsverlauf nach einer Infektion mit der Omikron-Variante gebe es bisher keine klaren Informationen, sagte am Dienstag der Molekularbiologe Ulrich Elling im Ö1-Mittagsjournal. Das liege auch daran, dass „die Welle so steil ist und die schweren Erkrankungen oft erst nach einiger Zeit eintreten“.

Noch sind ihm zufolge zu wenige Personen und zu kurz an der Variante erkrankt, um Schlüsse ziehen zu können. Was sich „andeutet, was Ärzte aus Südafrika berichten, ist, dass die Erkrankung deutlich milder verläuft, dass wesentlich weniger Leute beatmet werden müssen und dass es sich eher um die oberen Atemwege handelt“, so der Experte.

Doch auch da gebe es einige Unbekannte, die es zu beachten gilt. „Wir wissen aber nicht, ob das daran liegt, dass das Alter der Infizierten in Südafrika momentan deutlich niedriger ist als in den vorhergegangenen Wellen, oder ob das daran liegt, dass diese Personen schon genesen sind, oder – und darauf hoffen wir – dass die Omikron-Variante selbst aufgrund ihrer Mutationen einen milderen Verlauf macht.“ Der Experte sieht im Jänner oder Februar eine fünfte Welle auf Österreich zukommen – mehr dazu in science.ORF.at .

Omikron-Unterart schwieriger zu identifizieren

Zusätzliche Probleme könnte eine weitere Mutation der Omikron-Variante machen: Diese werde von PCR-Tests zwar als Infektion erkannt – nicht aber als Omikron identifiziert, wie das bisher möglich war. Diese Mutation kann erst über eine aufwendigere Gensequenzierung eindeutig erkannt werden, berichtete der „Guardian“. Diese „getarnte“ Variante sei genetisch anders und verhalte sich daher möglicherweise auch anders, meinte etwa Francois Balloux, Direktor des Genetikinstituts vom University College London. Die neue Variante wurde bisher in Südafrika, Australien und Kanada entdeckt. Möglicherweise könne sie auch zur neuen Variante mit eigener Bezeichnung werden – dafür sei aber weitere Forschung notwendig.