Eine Labormitarbeiterin von Biontech im Schutzanzug
AP/Michael Probst
Anpassung oder Booster?

Omikron bringt Herausforderungen

Erste Daten bringen ein wenig Klarheit über die geheimnisvolle Virusvariante Omikron. Offenbar wirken Impfstoffe weniger stark, wie Untersuchungen aus Deutschland zeigen. Laut den Impfstoffherstellern Biontech und Pfizer biete die dritte Dosis aber ausreichend Schutz vor Omikron. Womöglich muss das Vakzin aber auch angepasst werden.

Den ersten Labordaten zufolge schützten zwei Dosen nicht ausreichend vor einer Infektion mit der kürzlich entdeckten Variante, teilten Biontech und Pfizer am Mittwoch mit. Sie gehen allerdings davon aus, dass der Schutz vor einer schweren Erkrankung weiterhin gegeben ist. Eine Boosterdosis erhöhe den Antikörperspiegel ausreichend, um auch die Omikron-Variante zu neutralisieren. Bei Bedarf könne ab März ein angepasster Impfstoff bereitgestellt werden.

Biontech und Pfizer hatten in Laboruntersuchungen geprüft, wie gut Blutseren geimpfter Personen mit den darin enthaltenen Antikörpern die kürzlich entdeckte Omikron-Variante des Coronavirus neutralisieren können. Sie nutzten für ihre Untersuchung eine künstlich hergestellte Form des Virus. Aus den Ergebnissen lassen sich Erkenntnisse über die Schutzwirkung ableiten, auch wenn Laboruntersuchungen die realen Bedingungen nicht vollständig widerspiegeln.

Besserer Schutz mit dritter Dosis

Nach zwei Dosen des Impfstoffs war das Neutralisierungspotenzial demnach im Vergleich zum Wildtyp des Erregers um das 25-Fache reduziert. Die auf die Impfung hin gebildeten T-Zellen würden von den Mutationen der Variante allerdings nicht beeinträchtigt. Deshalb „gehen die Unternehmen davon aus, dass geimpfte Personen immer noch gegen schwere Formen der Krankheit geschützt sein könnten“.

Verunsicherung durch CoV-Variante Omikron

Die neue Coronavirus-Variante Omikron löst derzeit eine große Verunsicherung aus. Noch ist wenig zu Übertragbar- und Gefährlichkeit der Variante bekannt. Sicher aber ist, dass es nicht die letzte Coronavirus-Variante sein wird.

Die dritte Dosis erhöhte den Antikörperspiegel den Angaben zufolge um das 25-Fache. „Auch wenn zwei Dosen des Impfstoffs möglicherweise weiterhin Schutz vor schweren Krankheitsverläufen bieten, zeigen diese ersten Daten sehr deutlich, dass der Schutz mit einer dritten Dosis unseres Impfstoffs verbessert wird“, sagte Albert Bourla, Chef des Pharmakonzerns Pfizer.

Sahin: Frühere Boosterimpfungen ratsam

Biontech-Chef Ugur Sahin sagte am Mittwoch, er halte frühere Auffrischungsimpfungen für ratsam. Er gehe davon aus, dass die neuen Daten zur Wirksamkeit des Covid-19-Impfstoffs des Mainzer Herstellers und seines Partners Pfizer gegen Omikron zu Diskussionen über ein Vorziehen der dritten Dosis führen werden, so Sahin auf einer Pressekonferenz. „Wir glauben, dass das der richtige Weg ist.“ Das gelte insbesondere, wenn sich die Omikron-Variante nun weiter ausbreite, um einen besseren Schutz im Winter zu ermöglichen.

Die Unternehmen haben auch bereits damit begonnen, ihren Impfstoff an die Omikron-Variante anzupassen. Diese Arbeiten würden fortgesetzt, erste Chargen könnten produziert und bei Genehmigung durch die Behörden innerhalb von 100 Tagen ausgeliefert werden. Die erwarteten Produktionsmengen von vier Milliarden Dosen des Impfstoffs im Jahr 2022 würden sich auch bei einer nötigen Anpassung nicht ändern.

Ähnliche Ergebnisse in Frankfurt

Zu ähnlichen Ergebnissen war auch die Virologin Sandra Ciesek vom Universitätsklinikum Frankfurt gekommen. Sie hatte ebenfalls erste eigene Laborergebnisse auf Twitter veröffentlicht. Auch sie zeigen eine deutlich reduzierte Antikörperantwort auf die neue Variante. Ciesek sprach sich für eine Anpassung des Impfstoffs aus. Denn selbst drei Monate nach einer Boosterimpfung mit dem Vakzin von Biontech und Pfizer sah sie nur eine Neutralisation von 25 Prozent bei Omikron im Vergleich zu 95 Prozent bei der noch vorherrschenden Delta-Variante. „Die Daten bestärken, dass die Entwicklung eines an Omikron angepassten Impfstoffs sinnvoll ist“, schrieb Ciesek dazu.

Ciesek wies aber auch darauf hin, dass aus ihrer Auswertung nicht herauszulesen ist, ob Geimpfte bei Omikron vor einem schweren Verlauf geschützt sind. Denn die Immunantwort beruht nicht nur auf Antikörpern, sondern beispielsweise auch auf T-Zellen. Die Daten wurden bisher nicht von Fachkollegen begutachtet und nicht in einem Fachmagazin veröffentlicht.

Der tatsächliche Schutz von Geimpften kann mit Neutralisationstests nicht bestimmt werden, dafür braucht es klinische Studien mit Tausenden Probanden oder Auswertungen des laufenden Infektionsgeschehens.

Drosten: „Sieht nicht gut aus für zweifach Geimpfte“

Der Virologe Andreas Bergthaler schrieb am Mittwoch auf Twitter, dass es sich bei Cieseks Ergebnissen um frühe Daten einer geringen Probenanzahl handle. „Wie befürchtet“ zeigten sie aber, dass die Abwehrreaktion Geimpfter weniger stark sei: „viel schlechter vs das Ursprungsvirus (40x )“. Geimpfte, die aber auch infiziert waren, „neutralisieren Omikron aber gut. Letzteres zeigt, dass Omikron sich nicht völlig unserer Antikörperantwort entzieht“, so Bergthaler.

Auch der deutsche Virologe Christian Drosten reagierte auf die neuen Daten: Eine 40-fache Reduktion der Neutralisationsaktivität bedeute „NICHT, dass die Impfung 40-mal weniger schützt. Der reale Immunitätsverlust ist viel geringer. Im Moment ist Dreifachimpfung der beste Schutz. Neue Impfstoffe erst nach der Winterwelle. Nicht warten, sondern boostern“, schrieb er auf Twitter. „Das sieht nicht gut aus für zweifach Geimpfte. Die dritte Dosis ist notwendig“.

„Über den Sommer kommt dann wohl der angepasste Impfstoff“, kommentierte der Molekularbiologe und „Science Buster“ Martin Moder ebenfalls auf Twitter. Er finde „es eh auch schön, dass vieles wieder aufsperrt“, fürchte aber, dass Omikron in Österreich viel zu wenig ernst genommen werde, und wir uns „im Jänner gewaltig ärgern werden, wenn wir jetzt nicht konsequent auf 2-G-Plus setzen, wo immer es möglich ist“, hatte er bereits kurz vor Erscheinen der nun vorliegenden wissenschaftlichen Daten betont.

Rasante Ausbreitung

Abseits von der Wirkung von Impfstoffen sind viele weitere Fragen zu Omikron noch offen. Sicher ist, dass sich die Variante rasend schnell über den Globus verteilt. Am Mittwoch hieß es von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Omikron sei bereits in 57 Ländern angekommen. Nicht nur im Süden Afrikas, auch in Europa und vielen anderen Regionen scheint die Variante inzwischen auf dem Vormarsch zu sein. Auch in Großbritannien und Norwegen wird erwartet, dass Omikron Delta bald verdrängen könnte.

Erste Berichte von südafrikanischen Forscherinnen und Forschern legten nahe, dass Omikron mildere Krankheitsverläufe hervorrufen könnte als andere Varianten. Das könnte aber einerseits mit dem geringeren Durchschnittsalter der Bevölkerung zusammenhängen. Zudem wurde betont, dass sich der Zustand der Patientinnen und Patienten in den nächsten zwei Wochen noch deutlich verschlechtern könne, erst dann würden sich belastbarere Schlüsse ziehen lassen.

Auch der Virologe Florian Krammer wollte die Einschätzungen, wonach Omikron im Vergleich zu Delta harmloser sei, nicht bestätigen. So gehe die „Zahl der Neuinfektionen steil bergauf“, und auch die Zahl der Einweisungen in die Spitäler steige, sagte er. „Die sichere Annahme ist, dass diese Variante genauso gefährlich ist wie alle anderen“.

Omikron-Unterart schwieriger zu identifizieren

Zusätzliche Probleme könnte eine weitere Mutation der Omikron-Variante machen: Diese werde von PCR-Tests zwar als Infektion erkannt – nicht aber als Omikron identifiziert, wie das bisher möglich war. Diese Mutation kann erst über eine aufwendigere Gensequenzierung eindeutig erkannt werden, berichtete der „Guardian“. Diese „getarnte“ Variante sei genetisch anders und verhalte sich daher möglicherweise auch anders, meinte etwa Francois Balloux, Direktor des Genetikinstituts vom University College London. Die neue Variante wurde bisher in Südafrika, Australien und Kanada entdeckt. Möglicherweise könne sie auch zur neuen Variante mit eigener Bezeichnung werden – dafür sei aber weitere Forschung notwendig.