Drei junge Frauen vor einem geschlossenen Rollladen eines Geschäfts
APA/Robert Jaeger
Öffnungen

Kritik an „Fleckerlteppich“

Die Bundesregierung hat am Mittwoch die Regeln nach Ende des generellen Lockdowns mitgeteilt. Während sich jene, die bald öffnen dürfen, freuen, herrscht anderswo Enttäuschung. Kritik wird am „Fleckerlteppich“ laut, denn die Regeln sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.

SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher sprach in einer Aussendung von einer „Fortsetzung der Absurdität“: Das „planlose Dahinstolpern und der Fleckerlteppich“ gingen auch unter Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) weiter. „Die Ursache darin liegt im Abschieben der Verantwortung durch die Bundesregierung.

Ein zentrales Krisenmanagement samt nachvollziehbarer Gesamtstrategie fehlt weiterhin." Der Abgeordnete verwies darauf, dass in den westlichen Bundesländern wie in Tirol trotz deutlich schlechterer Zahlen – „von der Inzidenz bis hin zur Auslastung der Spitalskapazitäten“ – weniger strenge Regeln gelten werden als in der „Vorzeigeregion“ Wien. „Das versteht doch wirklich niemand.“

„Nicht nachvollziehbar“

Die Öffnung des Handels und die Weiterführung der 2-G-Regel seien positiv, so der stellvertretende NEOS-Klubobmann Gerald Loacker nach der Pressekonferenz zum Lockdown-Ende am Mittwoch.

„Der Rest ist leider ein nicht nachvollziehbares Weiterwurschteln wie bisher. Wer soll denn verstehen, dass die Bundesländer mit den schlechtesten Zahlen am meisten und am schnellsten öffnen, und dort, wo man im Sommer vorausschauend und richtig gehandelt hat und deshalb jetzt am besten dasteht, am längsten zugesperrt bleibt?“, so Loacker per Aussendung. Dieser „Fleckerlteppich an Maßnahmen“ sei unlogisch und führe zu Verwirrung.

„Nächste Runde“

Für FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak geht das „Corona-Chaos“ mit den nun bekanntgegebenen Regeln in die nächste Runde. „Die jeweils unterschiedlichen Länderregelungen werden jedenfalls weitere Verunsicherung mit sich bringen und perpetuieren zudem einmal mehr das Regierungschaos“, so Kaniak per Aussenung.

Es zeige sich einzig das Unvermögen von Bund und Ländern, mit einer Stimme zu sprechen und zu handeln, so Kaniak: „An Peinlichkeit ist diese Nabelschau jedenfalls nicht zu überbieten.“

WKO für Vereinheitlichung

Die Wirtschaftskammer (WKO) forderte eine Nachbesserung der Wirtschaftshilfen für die vom Lockdown hart getroffenen Betriebe. Zudem übte man Kritik an der Uneinheitlichkeit der Maßnahmen. „Das Abweichen einiger Bundesländer mit der gewählten Differenzierung zwischen einzelnen Branchen ist jedoch nicht nachvollziehbar“, so WKÖ-Präsident Harald Mahrer. Die Betriebe seien sicher, das gelte für ganz Österreich. "Wir erwarten daher von den Bundesländern, dass es rasch zu einer Vereinheitlichung der Maßnahmen kommt, weil nur mit klaren und praktikablen Maßnahmen die Pandemie gemeinsam bekämpft werden kann.“

Handel beklagt Milliardenschaden

Ähnlich argumentierte auch Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes. Der Handel sei „ein Safe-Spot, kein Corona-Hotspot und wird weiterhin alle Hygiene- und Sicherheitsvorschriften wie das Einhalten des Mindestabstands sowie die FFP2-Maskentragepflicht“ mittragen. Dass die Geschäfte zumindest für Geimpfte wieder öffnen, reduziere den Umsatzverlust des Handels von 900 Millionen auf 350 Millionen Euro pro Woche – „immer noch eine immens hohe Summe“, so Will. In den vergangenen Wochen sei bereits ein Milliardenschaden verursacht worden, der durch die Entschädigungen der Bundesregierung „nur zu einem Bruchteil“ ausgeglichen wird.

Dass die Hotels nach 20 Tagen in einigen Bundesländern wieder öffnen dürfen, wird von der Branche mit Erleichterung aufgenommen. „Freude darüber zu empfinden, ginge aber zu weit“, sagte ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer, „zu viele Hotels in zu vielen Regionen sind noch im Lockdown“. In den Städten bleibe die Lage für die Hotels sehr schwierig, „vor allem in Wien, wo der Lockdown grundlos verlängert wurde“ – mehr dazu in wien.ORF.at.

Köstinger sieht Wintersaison gerettet

Reitterer bekräftigte zudem ihre Forderung nach einer Verlängerung der fünfprozentigen Umsatzsteuer. Auch Susanne Kraus-Winkler und Mario Pulker, Obleute der WKÖ-Fachverbände Hotellerie und Gastronomie, zeigten sich "verständnislos“ über die verkündeten unterschiedlichen Öffnungsszenarien.

Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) verwies auf die Möglichkeit der Bundesländer, strengere Regeln zu erlassen, falls nötig. Die Gesundheit von Gästen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stehe an oberster Stelle, „damit kann die heurige Wintersaison jedenfalls stattfinden“.

Freude in Kulturbranche

In der Kulturbranche freute man sich über die neuen Regeln. „Ich glaube, dass wir für die Kultur sehr gut verhandelt haben, und dass es inzwischen auch sehr viel Vertrauen gibt in die Kulturbetriebe, wie sie auf die Pandemie reagieren und alle Vorgaben durchführen und kontrollieren“, sagte Staatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) am Mittwoch der APA. „Dem wurde mit einem breiten Öffnungsschritt Rechnung getragen.“

„Die Kultureinrichtungen sind mit Sicherheit von allen Orten, an denen viele Menschen zusammenkommen, die sichersten. Der Kultursektor ist nicht der Pandemietreiber“, unterstrich Matthias Naske, Direktor des Wiener Konzerthauses. Die IG Autorinnen Autoren sah angesichts der gleichzeitigen Öffnungsschritte ein „Durchbrechen der bisherigen Aufsperrstrategie“ und wertete das positiv. Zwar seien die Einschränkungen bei Stehplätzen und Nachtprogrammen für die Kultur ein „Wermutstropfen“, so IG-Geschäftsführer Gerhard Ruiss in einer Aussendung. Aber: „Das ist alles in allem fast umfassend erfreulich.“

Enttäuschung in der Nachtgastro

In der Club- und Discoszene herrschte „nach wie vor Perspektivenlosigkeit“, beklagte Nachtgastronomiesprecher Stefan Ratzenberger bereits am Dienstag. Nun gehe es endlich darum, „eine Ansage“ zu bekommen – etwa wonach man einhergehend mit der Umsetzung der Impfpflicht wieder öffnen darf, forderte er im Gespräch mit der APA.

„Wir brauchen Planungssicherheit“, so Ratzenberger, der daran erinnerte, dass die Nachtlokale bald – mit einer nur kurzen Unterbrechung – seit zwei Jahren geschlossen seien. Auch er forderte weitergehende staatliche Hilfen. Man rechne damit, schlussendlich mit 2-G-Plus wieder öffnen zu dürfen. Nur wann – das ist offen.