Eine Kamera vor einer Tür des U Ausschuss
ORF.at/Lukas Krummholz
Nationalrat

ÖVP-U-Ausschuss ist eingesetzt

Der Nationalrat hat am Donnerstagabend den Untersuchungsausschuss zu angeblichen Korruptionsaffären im Umfeld der ÖVP offiziell eingesetzt. Untersuchungsgegenstand des Ausschusses ist nach Angaben der Parlamentskorrespondenz, „inwiefern Vorteile an mit der ÖVP verbundene Personen durch Organe der Vollziehung des Bundes zu parteipolitischen Zwecken gewährt und damit Gesetze gebrochen wurden“.

SPÖ, FPÖ und NEOS wollen dabei den Zeitraum zwischen 18. Dezember 2017 und 11. Oktober 2021 beleuchten – also jene Zeit, in der Sebastian Kurz (ÖVP) mit Unterbrechung Bundeskanzler war. Zudem sollen auch Vorbereitungshandlungen während der Phase des Machtwechsels in der ÖVP von Ex-Vizekanzler und -Klubchef Reinhold Mitterlehner zu Kurz – Stichwort „Projekt Ballhausplatz“ – mit einbezogen werden.

Gegliedert werde der Untersuchungsgegenstand in vier Beweisthemen: die Beeinflussung von Vergabe- und Förderverfahren, die Einflussnahme auf Beteiligungen des Bundes, die mutmaßliche Beeinflussung von Ermittlungen und Aufklärungsarbeit sowie etwaige Begünstigungen bei der Personalauswahl.

Sobotka übernimmt Vorsitz

Die Einsetzung erfolgte zum Abschluss der Sondersitzung, bei der sich die drei Tage zuvor angelobte Regierung erstmals den Abgeordneten stellte. Zu arbeiten beginnt das als „ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss“ bezeichnete Gremium sofort: Die Konstituierung fand noch am Donnerstagabend statt.

Von den 13 Ausschussmitgliedern wird die ÖVP fünf stellen, die SPÖ drei und FPÖ sowie die Grünen jeweils zwei. NEOS ist mit einem Mandatar oder einer Mandatarin vertreten. Gleiches gilt für die 13 Ersatzmitglieder. U-Ausschussvorsitzender ist Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, mögliche Vertreter die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) und der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ).

Als Verfahrensrichter wurde der ehemalige Vizepräsident des Oberlandesgerichts Wien Wolfgang Pöschl gewählt. Verfahrensanwältin ist die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Barbara Weiß. Stellvertretende Verfahrensrichterin ist Richterin Christa Edwards vom Oberlandesgericht Wien, stellvertretender Verfahrensanwalt Rechtsanwalt Andreas Joklik.

Alle Ministerien müssen Akten liefern

Die Übermittlung der angeforderten Akten und Unterlagen hat innerhalb von sechs Wochen bis spätestens 26. Jänner 2022 zu erfolgen. Insgesamt seien laut Parlamentskorrespondenz 25 Stellen zur Aktenlieferung aufgerufen – darunter alle Ministerien, „inklusive nachgeordneter Dienststellen“.

Dazu kommen neben den neun Landesregierungen „der Bundespräsident und der Nationalratspräsident, der Rechnungshof, die Oesterreichische Nationalbank, die Finanzmarktaufsicht sowie die Finanzprokuratur“ sowie der Oberste Gerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht, das Bundesfinanzgericht, die Bundesdisziplinarbehörde, der Unabhängige Parteientransparenzsenat, die Landesgerichte, das Handelsgericht Wien, die KommAustria und die Wirtschaftskammer Österreich.

Kontroverse Debatte im Nationalrat

Den Parlamentsangaben zufolge wurden sämtiche Beschlüsse einstimmig gefasst – auch habe es diesmal auch keinen Antrag auf Unzulässigkeit des Einsetzungsverlangens oder auf Änderung des Untersuchungsgegenstandes gegeben. Die Debatte im Nationalrat verlief trotzdem kontrovers.

Kai Jan Krainer (SPÖ)

Geht es nach SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer, werde der U-Ausschuss „vermessen, wie breit und wie tief die Korruption ist“. Krainer freute sich dann auch, dass der „ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss“ gerade am Weltantikorruptionstag eingesetzt wird: „Es gibt keinen besseren Tag, das zu tun.“ Der SPÖ-Politiker erinnerte später per Aussendung auch daran, dass es hier „um eine politische Bewertung, nicht die strafrechtliche“ gehe.

Stephanie Krisper (NEOS)

Die NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper stellte die Notwendigkeit der Aufklärung und des richtigen Schlüsseziehens in den Mittelpunkt ihrer Rede. Wie davor Krainer warb auch sie für eine Unterschrift unter das Antikorruptionsvolksbegehren. Was die FPÖ von der Sache hält, blieb zumindest während der Debatte verborgen. Die Freiheitlichen hatten ihre gesamte Redezeit in der Diskussion zur Regierungserklärung verbraucht.

„Die Volkspartei ist nicht korrupt“

Die ÖVP wies über ihren Abgeordneten Christian Stocker alle Vorwürfe zurück und ging zum Gegenangriff über: „Die Österreichische Volkspartei ist nicht korrupt.“ Die Opposition forderte er auf, diesmal Grund- und Freiheitsrechte zu wahren und einen Ton im Ausschuss zu pflegen, der von Respekt getragen sei.

Andreas Hanger (ÖVP)

Dazu dürfe die Justiz nicht wieder mit unbegründeten Anzeigen für parteipolitische Zwecke instrumentalisiert werden. Auch Fraktionschef Andreas Hanger schlug tendenziell neue Töne an und warb für eine sachliche Auseinandersetzung mit der Materie.

Deutliche Worte auch von Grünen

Seitens der Grünen klang die Abgeordnete Nina Tomaselli teils ein wenig wie eine Oppositionspolitikerin, verwendete sie doch Machtmissbrauch, illegale Parteifinanzierung und den Staat als Bedienungsladen als Schlagwörter für den U-Ausschuss. Freilich nahm sie wie auch Stocker die SPÖ in Sachen Inseratekorruption in Verantwortung.

Nina Tomaselli (Grüne)

Erst im September wurde im Nationalrat der im Jänner 2020 eingesetzte „Ibiza“-U-Ausschuss offiziell beendet. Der ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss ist nun der 27. U-Ausschuss in der Zweiten Republik und der sechste, der nach den neuen U-Ausschuss-Regeln eingesetzt wurde. Laut Verfahrensordnung ist die Dauer des U-Ausschusses auf 14 Monate begrenzt – ein Verlängerung sei „im Bedarfsfall“ aber auf bis zu 20 Monate möglich.