Medizinisches Personal bei einer Impfstraße
Reuters/Lisi Niesner
Nach Angriffen

Aufruf zu Solidarität mit CoV-Helfern

In den letzten Tagen haben sich Berichte über Angriffe auf das Gesundheitspersonal in der Coronavirus-Krise gehäuft. Das Rote Kreuz reagierte am Freitag mit einer Mitmachaktion: Menschen können ein Foto und eine Unterstützungserklärung hochladen und in sozialen Netzwerken teilen, um sich mit den Helferinnen und Helfern in der Pandemiebekämpfung solidarisch zu zeigen.

„Die aktuellen Angriffe sehe ich mit großer Sorge. Es ist höchste Zeit, unsere Solidarität zu zeigen“, begründete Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer die neue Onlinekampagne des Roten Kreuzes. CoV-Demos und Beschimpfung von Gesundheitspersonal soll Positives entgegengestellt werden. „Besonders belastet sind jene Helferinnen und Helfer, die seit mehr als 20 Monaten mitunter bis zur Erschöpfung für andere im Einsatz sind“, so Schöpfer, der außerdem zur Impfung aufrief.

Die Pandemie habe für Gesundheitspersonal in Krankenhäusern, im niedergelassenen Bereich, in der mobilen Pflege, im Rettungsdienst, in Apotheken und Test- und Impfstraßen für menschliche, psychosoziale und körperliche Belastungen gesorgt. Das Rote Kreuz forderte, „Gesundheitseinrichtungen und auch ihr Personal außer Streit zu stellen“. Diese würden Patientinnen und Patienten auch dann behandeln, wenn diese an ihrem Unglück Mitverantwortung tragen.

Aggression gegen Impfpflicht

Ab Februar gilt in Österreich die CoV-Impfpflicht. Dadurch lassen sich vermehrt auch Menschen immunisieren, die der Schutzimpfung entgegen den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu deren Nutzen skeptisch oder ablehnend gegenüberstehen. Die Aggression steigt, Ärzte und Ärztinnen in den Impfstraßen werden beschimpft. Wegen Sicherheitsbedenken absolvierten Medizinerinnen und Mediziner teilweise keinen Dienst mehr in Impfstraßen, berichtete das Ö1-Mittagsjournal am Donnerstag.

Teilnehmer der Medienaktion „Offensive Gesundheit“ vor dem Gesundheitsministerium in Wien
APA/Herbert Neubauer
Die Offensive Gesundheit machte am Freitag auf die Überlastung des Gesundheitsbereichs aufmerksam

Man merke, dass die Leute nicht mehr primär aus freien Stücken kommen, die Aggressivität habe sich deutlich erhöht, berichtete ein Arzt dem Journal. Für Medizinerinnen und Mediziner sei es auch unangenehm, Menschen ein medizinisches Prozedere angedeihen zu lassen, die das nicht wollen, schilderte er. Zeitweise sei die Situation bedrohlich, sagte eine Ärztin. Nach der Impfung würden ihr bei manchen Personen die Knie zittern, sie denke sich, „gut, dass der jetzt draußen ist“.

Ruf nach mehr Personal

Der interviewte Arzt wird in Impfstraßen keine Dienste mehr verrichten, die Ärztin sagte, sie sei am Überlegen, ob sie unter diesen Bedingungen weitermachen wird. Der Mediziner forderte mehr Schutz für das Personal in Impfstraßen. Dort gebe es kein Sicherheitskonzept, Polizeipräsenz würde man sich wünschen, sagte er gegenüber Ö1.

Rotkreuz-Präsident Schöpfer berichtete ebenso, dass die Aggressionen zunehmen. Es gebe viele „Wutbürger“, die ihre Wut an Leuten auslassen, die überhaupt nichts dafür können, konstatierte er. Auch die Wiener Ärztekammer bestätigte eine höhere Aggressivität. In der Bundeshauptstadt sei bei einer Coronavirus-Demonstration sogar versucht worden, eine kleine Impfstelle anzuzünden.

Offensive Gesundheit übergibt „Gefährdungsanzeige“

Die Offensive Gesundheit übergab indes am Freitag eine „Gefährdungsanzeige“ zur Überlastung des Gesundheits- und Pflegesystems an die Behörden und damit an Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne). Darin wird gewarnt, dass „eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung unter den gegenwärtigen Umständen nicht mehr garantiert werden kann“.

Die Offensive Gesundheit ist ein Verbund von Gewerkschaft, Ärzte- und Arbeiterkammer. Sie brachten ihre „Gefährdungsanzeige“ symbolisch mit einem Krankenwagen zum Ministerium. Ein großes Plakat, auf dem diese „Gefährdungsanzeige“ zu lesen war, wurde mit einer Trage aus dem Krankenwagen ausgeladen und dann am Eingang des Gesundheitsministeriums angeschlagen.

„Gesundheitsversorgung kollabiert durch Ihr Nichtstun“

„Es ist unsere Pflicht, Sie, Herr Bundesminister Dr. Mückstein, und die gesamte Bundesregierung durch diese Gefährdungsanzeige darauf hinzuweisen, dass durch Ihr Nichtstun die Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege kollabiert und Patientinnen und Patienten sowie Bewohnerinnen und Bewohner in höchstem Ausmaß gefährdet sind“, beklagte die Offensive.

Auch wenn alle Berufsgruppen des Gesundheitswesens mehr als ihr Möglichstes geben, werde es durch die gegenwärtig belastenden Arbeitssituationen zu Fehlern und Gefährdungen kommen: „Die Sicherheit und die Gesundheit des Personals sind unter den bestehenden Arbeitsbedingungen massiv gefährdet.“

Die Belastungen hätten auch schon gravierende Auswirkungen auf die Versorgung von kranken und pflegebedürftigen Menschen in Österreich. Dem Gesundheitspersonal sei es trotz seiner Gewissenhaftigkeit, des außerordentlichen Einsatzes und unter Belastung seiner eigenen Gesundheit „nicht mehr möglich“, „eine ausreichende, geschweige denn optimale Versorgung der Bevölkerung zu garantieren“, heißt es in dem Papier.

Die von Gewerkschaft, Ärzte- und Arbeiterkammer getragene Initiative forderte Mückstein und die Bundesregierung auf, in Abstimmung mit den Ländern „die seit Jahren überfälligen Reformen sofort einzuleiten und die dafür notwendigen finanziellen Mittel sicherzustellen“.