Bohrplattform im Meer
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Bergbau auf dem Meeresgrund

Sorge um den „Regenwald der Tiefsee“

Die Debatte über den Abbau von Metallen auf dem Meeresboden – den letzten unberührten Gebieten der Erde – hat in den vergangenen Jahren an Fahrt aufgenommen. Der Rohstoffreichtum in mehreren tausend Meter Tiefe weckt Begehrlichkeiten, doch Kritiker warnen vor einem Eingriff in höchst sensible Ökosysteme. Bedroht sei der „Regenwald der Tiefsee“, dessen einzigartige Fauna und Flora noch weitgehend unerforscht ist. Schon länger wird um ein internationales Regelwerk gerungen, dabei macht ein Inselstaat Druck.

Beim Meeresbodenbergbau geht es derzeit vor allem um seltene mineralische Rohstoffe wie Mangan, Nickel, Kupfer und Kobalt, die u. a. für die Produktion von Elektronik und E-Mobilität benötigt werden. Die globale Nachfrage wächst angesichts der Digitalisierung und der angepeilten Energiewende stetig – daher wird schon seit Jahren der Meeresbergbau als langfristige Alternative ausgelotet. Unter anderem aufgrund verbesserter Abbautechniken hat sich die Debatte über Nutzen und Gefahren zuletzt wieder intensiviert.

Für dieses Jahr war eine entscheidende Weichenstellung für den Tiefseebergbau erwartet worden. Denn eigentlich wollte die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA), eine Unterorganisation der UNO, im Juli international gültige Regeln für den Metallabbau auf dem Meeresgrund festlegen. Doch auch hier kam die Pandemie dazwischen, es gab keine Einigung. Erst diese Woche fand erstmals seit zwei Jahren wieder eine ISA-Konferenz mit persönlicher Anwesenheit statt, allerdings unter strengen CoV-Einschränkungen.

Manganknolle in 5500 Metern Tiefe
APA/AFP/JAMSTEC
Objekte des Begehrens: Manganknollen sind in Tiefen zwischen 4.000 und 6.000 Metern auf dem Meeresboden zu finden

Kleiner Inselstaat macht Druck

Die heiklen Regeln standen bei dem Treffen nicht auf der Agenda. Man wollte sich vorläufig nicht auf ein fixes Regelwerk, sondern auf einen Fahrplan einigen, hieß es. Doch die Zeit drängt. Denn der kleine Inselstaat Nauru hat eine bestimmte Klausel aktiviert und der ISA Ende Juni ein Ultimatum für eine Einigung binnen zwei Jahren gesetzt, wie etwa der „Guardian“ berichtete.

Nauru informierte die Behörde darüber, dass das Unternehmen Nauru Ocean Resources Inc. – ein Tochternehmen des kanadischen Bergbaukonzerns The Metal Company – in zwei Jahren in der Clarion-Clipperton-Zone zwischen Hawaii und Mexiko den Abbau starten wolle.

Sollte bis dahin kein Regelwerk stehen, wäre die ISA trotzdem zur Vergabe einer Abbaulizenz gezwungen, und der Abbau könnte ohne die entsprechende Regulierung starten. Gegenüber der BBC warnten Fachleute davor, dass das die Schleusen für weitere unregulierte Genehmigungen öffnen könnte. Die ISA selbst versuchte zu beruhigen. Selbst wenn dieser Fall eintreten würde, gäbe es noch Hürden, bevor im konkreten Fall der Abbau starten könnte. Dieser würde frühestens 2026 beginnen.

Ruf nach vollständigem Stopp

Doch ob reguliert oder nicht: Viele Expertinnen und Experten, Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace und der WWF, mehrere Staaten und auch große Unternehmen sind der Auffassung, dass Tiefseebergbau überhaupt nicht praktiziert werden sollte. 80 Prozent der Tiefsee sind bis heute unerforscht, die Flora und Fauna ist extrem vielfältig und sensibel. Jeder Eingriff könnte unabsehbare und irreversible Folgen haben.

Bau einer Bergbaumaschiene für den Meeresgrund von Soil Machine Dynamics (SMD)
Reuters/Nigel Roddis
Die Forschung für den Rohstoffabbau auf dem Meeresgrund läuft

Dutzende Arten bedroht

Zuletzt erschien am Freitag eine Studie, die warnt, dass Dutzende Arten in der Tiefsee vom Aussterben bedroht sind. Nach Untersuchungen von Fachleuten der Queen’s University Belfast und anderen internationalen Forscherinnen und Forschern sind 184 Lebewesen der Tiefsee auf die Rote Liste gefährdeter Arten der Weltnaturschutzunion (IUCN) gesetzt worden.

Bei ihrer Untersuchung haben sich die Forscherinnen und Forscher insbesondere auf Arten konzentriert, die an hydrothermalen Quellen leben – nur eines von vielen Ökosystemen in der Tiefsee. Die Artenvielfalt an diesen Quellen, von denen es weltweit um die 600 gibt, ähnelt jener von Regenwäldern und Korallenriffen.

Sollten diese hydrothermalen Quellen durch Tiefseebergbau beschädigt werden, drohen unabsehbare Folgen für das Ökosystem. Die Autorinnen und Autoren forderten daher schärfere Maßnahmen, um Tiefseebergbau stärker zu reglementieren.