In den Trümmern suchten Rettungskräfte zusammen mit fassungslosen Einwohnern nach Überlebenden, Dutzende Menschen wurden vermisst. „Wir wissen noch nicht, wie viele Leben verloren gegangen sind, und wie groß das Ausmaß des Schadens ist“, sagte Biden. Er kündigte eine Reise in die betroffenen Gebiete an.
„Die Verwüstung ist mit nichts zu vergleichen, was ich in meinem Leben gesehen habe“, sagte der Gouverneur des besonders schlimm getroffenen Bundesstaates Kentucky, Andy Beshear. „Es fällt mir schwer, es in Worte zu fassen.“ Er meinte: „Wir sind Ground Zero.“
USA: Tote und Verwüstung nach Tornados
In den USA ist die Verwüstung gigantisch, die Tornados in sechs Bundesstaaten angerichtet haben. Die Suche nach Überlebenden läuft, aber angesichts der niedrigen Temperaturen ist das ein Wettlauf gegen die Zeit. Mehr als 100 Menschen könnten ums Leben gekommen sein.
„Orte sind verschwunden“
Im Sender CNN sagte Beshear am Sonntag, er gehe auf Grundlage der ihm vorliegenden Berichte inzwischen von mehr als 80 Toten alleine in seinem Bundesstaat aus und rechne damit, dass die Zahl über 100 steige. „Das ist das tödlichste Tornadoereignis, das wir je hatten.“
Das Ausmaß der Zerstörung sei niederschmetternd. „Ich habe Orte, die sind verschwunden. Ich meine, einfach weg“, sagte der Gouverneur. „Die massiven, weit verbreiteten Schäden machen die Rettungsbemühungen zu einer Herausforderung.“ Laut Beshear wurden in ganz Kentucky zunächst mehr als 80 Todesopfer gezählt. Doch sei zu befürchten, dass die Totenzahl in dem Staat noch auf über 100 steige.

Wohl Dutzende Tote in Kerzenfabrik
Besonders schwer betroffen ist der Ort Mayfield mit rund 10.000 Einwohnern. Dort verwandelten die Tornados unter anderem eine Kerzenfabrik in ein Trümmerfeld. In der Fabrik wurde wegen des Hochbetriebs zur Weihnachtszeit in der Nacht auf Samstag gearbeitet. Nur 40 der rund 110 Menschen in dem Werk seien gerettet worden, sagte der Gouverneur. Wo die Fabrik gestanden habe, liege jetzt ein mehr als vier Meter hohes Trümmerfeld mit Metallschrott und Autowracks. „Es wäre ein Wunder, würde dort jemand lebendig gefunden.“

Mayfields Bürgermeisterin Kathy O’Nan sagte CNN am Sonntag, über Nacht seien keine Überlebenden aus der Fabrik geborgen worden. Im Ort gebe es derzeit kein fließendes Wasser. Der gewaltige Luftwirbel, der Mayfield zerstörte, bewegte sich nach Angaben der Behörden 320 Kilometer über die Erdoberfläche hinweg – das ist eine der längsten verzeichneten Tornadostrecken in den USA überhaupt.
Zehntausende ohne Strom
Beshear schilderte auch, dass der Heimatort seines Vaters, Dawson Springs, mit rund 2.700 Einwohnern praktisch ausradiert wurde. „Einen Block von dem Haus meiner Großeltern entfernt steht kein Haus mehr“, sagte Beshear. „Und wir wissen nicht, wo all diese Menschen sind.“ Die Liste der Vermissten alleine in diesem Ort umfasse acht Seiten.

Nach Informationen der Seite poweroutage.us, die Informationen zu Stromausfällen aus dem ganzen Land sammelt, waren Sonntagfrüh mehr als 75.000 Menschen in Kentucky ohne Elektrizität. Im Katastrophengebiet herrschten Tiefsttemperaturen um den Gefrierpunkt.
Fünf weitere Bundesstaaten betroffen
Von der Katastrophe betroffen waren auch die Staaten Arkansas, Illinois, Missouri, Mississippi und Tennessee. In den fünf Staaten wurden zunächst insgesamt 14 Todesopfer verzeichnet. Insgesamt hatten in der Nacht zum Samstag laut US-Medienberichten etwa 30 Tornados gewütet.
In Illinois stürzte das Dach eines Verteilzentrums des Onlinehändlers Amazon teilweise ein. Dort starben sechs Menschen, 45 wurden nach Angaben der Feuerwehr aus den Trümmern gerettet. Amazon-Gründer Jeff Bezos äußerte sich bestürzt über die „tragischen Berichte“ aus Edwardsville. „Wir sind untröstlich über den Verlust unserer Teammitglieder“, twitterte er in der Nacht auf Sonntag.
Auch ein Pflegeheim in Arkansas wurde von einem Tornado getroffen, mindestens ein Heimbewohner in der Stadt Monette kam ums Leben. Gouverneur Asa Hutchinson sprach von einem Wunder, dass nicht mehr Todesopfer in dem Heim zu beklagen sind.
Katastrophenschutz-Chefin: „Neue Normalität“
Wissenschaftler warnen immer wieder davor, dass die Heftigkeit von Naturkatastrophen durch den Klimawandel zunimmt. Es sei bekannt, „dass alles intensiver wird, wenn sich das Klima erwärmt“, sagte Biden. Welchen Einfluss das genau auf diese Tornadoserie gehabt habe, könne er aber nicht sagen.
Die Chefin der Katastrophenschutzbehörde FEMA, Deanne Criswell, sagte gegenüber CNN: „Das wird unsere neue Normalität sein." Die Auswirkungen des Klimawandels seien „die Krise unserer Generation“, so Criswell. „Wir unternehmen bei der FEMA viele Anstrengungen, um mit den Gemeinden zusammenzuarbeiten, um die Auswirkungen dieser Unwetterereignisse zu verringern und systemweite Projekte zu entwickeln, die zum Schutz der Gemeinden beitragen können.“