Scholz sichert Polen Unterstützung im Streit mit Belarus zu

Der neue deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der polnischen Regierung bei seinem Antrittsbesuch in Warschau Unterstützung im Streit über die Flüchtlinge im Grenzgebiet zu Belarus zugesichert. Das Vorgehen des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko sei „menschenverachtend, und wir haben eine gemeinsame Aufgabe, das zurückzuweisen“, sagte Scholz gestern in Warschau bei einem Treffen mit dem polnischen Regierungschef Mateusz Morawiecki.

Die EU wirft Lukaschenko vor, Flüchtlinge gezielt an die polnisch-belarussische Grenze geschleust zu haben. „Ich habe dem Herrn Kanzler die geänderte Taktik vorgestellt, die das Lukaschenko-Regime jetzt in dieser künstlich ausgelösten Migrationskrise anwendet, die Verwendung von Menschen als lebende Schutzschilde, als Waffe“, sagte Morawiecki bei der Pressekonferenz mit Scholz. Er sprach von mehr als 100 Versuchen der Grenzüberquerung.

Hoffnung auf Einigung über Rechtsstaatlichkeit

Weniger Einigkeit gab es in Bezug auf Forderungen aus Polen nach Reparationen, wo Scholz mit einem Hinweis auf die hohen deutschen EU-Finanzzahlungen konterte. Von diesen „sehr, sehr hohen Beiträgen“ fließe ein Großteil etwa in EU-Länder im Süden und Osten der Union, was gut sei, sagte Scholz. Deutschland stelle sich aber auch der moralischen Veranwortung für das, was Deutsche in anderen Staaten im Zweiten Weltkrieg angerichtet hätten. Morawiecki wies auf das Leiden der Polen im Zweiten Weltkrieg hin, forderte aber nicht direkt deutsche Reparationszahlungen.

Im Streit über Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sagte Scholz, es wäre „sehr gut und hilfreich, wenn die Diskussionen und Gespräche zwischen der Europäischen Union, der Kommission und Polen bald zu einer sehr guten pragmatischen Lösung führen könnten“. Polens nationalkonservative PiS-Regierung baut das Justizwesen seit Jahren um und liegt darüber im Streit mit der EU-Kommission. Kritiker werfen Warschau vor, Richter unter Druck zu setzen.

Polen fordert Stopp von Gaspipeline „Nord Stream 2“

Morawiecki forderte Scholz erneut auf, die umstrittene Ostsee-Gaspipeline „Nord Stream 2“ zu stoppen. „Am besten wäre, die Öffnung von ‚Nord Stream 2‘ gar nicht zuzulassen“, sagte der Regierungschef. Die Pipeline werde ein Mittel Russlands sein, um die Ukraine und andere osteuropäische Staaten unter Druck zu setzen. Er warf Russland zudem vor, an der Preisspirale bei Gas zu drehen.

Gegen „Nord Stream 2“ sprach sich unterdessen auch die neue deutsche Außenministerin Annalena Baerbock aus. Sie bekräftigte, dass die umstrittene deutsch-russische Gaspipeline gegenwärtig nicht in Betrieb genommen werden könne. Bei einem ZDF-Interview verwies die Grünen-Politikerin in Brüssel auf die Vereinbarung im Koalitionsvertrag mit SPD und FDP, dass für Energieprojekte wie die Ostsee-Pipeline europäisches Energierecht gelte. „Und das bedeutet, dass nach jetzigem Stand diese Pipeline so nicht genehmigt werden kann, weil sie eben die Vorgaben des europäischen Energierechts nicht erfüllt, und die Sicherheitsfragen ohnehin noch im Raum stehen“, sagte Baerbock.